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DR. GUSTAV HUSAK DIE GEBURT DER TSCHECHOSLOWAKEI?

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Vor fünfzig Jahren, am 28. Oktober 1918, wurde die tschechoslowakische Republik gegründet. Benes, einer ihrer Gründer, versprach bei den Friedensverhandlungen, daß sie eine „Art Schweiz“ sein werde. In Wirklichkeit wollten aber ihre Gründer aus ihr einen tschechoslowakischen Nationalstaat machen, mit weitgehenden Rechten für die Minderheiten. Die Moldaurepublik wurde aber weder eine „Art Schweiz" noch ein tschechoslowakischer Nationalstaat. Denn die Slowaken weigerten sich, mit den Tschechen eine Nation zu bilden.

Die nationalen Fragen der CSSR benützte schließlich Hitler, um die Moldaurepub lik zu liquidieren. Die Slowakei wurde selbständig. Aber auch unter Hitler waren die Slowaken nicht glücklich. Im Herbst 1944 rebellierte die slowakische Armee gegen Hitler, bei dem slowakischen Volksaufstand machten ein gewisser Duböek und ein gewisser Husak mit. Als 1945 die tschechoslowakische Republik neu erstand, nahm sie schwere Rache an den Sudetendeutschen und jenen Slowaken, die für die selbständige Slowakei eingetreten waren. Die tschechoslowakische Einheit schien endlich heranzureifen. Die Sehnsucht nach dem eigenen Leben blieb. Auch unter der kommunistischen Herrschaft. Ja, jetzt wurde die Autonomie fast verwirklicht. Mit Betrübnis und Zorn erzählten tschechische Kommunisten in Prag, daß die slowakischen Kommunisten sich nicht um Prag kümmerten, sondern machten, was sie wollten. Und dann kam der August 1968. Und da gesdhah ein Wunder. Alle Zwistigkeiten, zwischen Tschechen und Slowaken waren mit einmal vergessen. Zum erstenmal fühlten sich die beiden Völker als eine Nation. Die tschechoslowakische Idee hatte gesiegt.

Dies alles muß aufgezeigt werden, um kurz über das Leben von Dr. Gustav Husak zu berichten, dessen Name jetzt immer mehr genannt wird. Der heute Fünf- undfünfzigjährige ist Slowake, Jurist und Kommunist. Er wirkte beim slowakischen Aufstand mit, wurde nach 1948 Vorsitzender der slowakischen Landesregierung, schließlich als „Bürgerlicher Nationalist“ verhaftet und zu lebenslänglichem Kerker verurteilt. Die Rehabilitation wurde Husak schließlich auch zuteil, allerdings erst nach dem Sturz Novotnys, nachdem er schon 1963 begnadigt worden war und in einem Kämmerlein der slowakischen Akademie der Wissenschaften sein Dasein fristen durfte. Im April 1968, inmitten des Prager Frühlings, wurde er Vizeministerpräsident der gesamten Republik.

Wähnend seiner Amtstätigkeit machte er eifrig Propaganda für eine Föderalisierung der Republik in einen tschechischen und einen slowakischen Teil. Als dann die Russen diesen Plan aufgriffen, kam er in den Verdacht, vielleicht doch eine Art Kollaborateur zu sein. Noch verdächtiger wurde er, als er nach den Verhandlungen in Moskau, an denen er teilnahm, den 14. Kongreß der Partei für illegal erklärte, weil an ihm nur ein geringer Bruchteil der slowakischen Delegierten teilgenommen habe. Aber seiner Ansicht schloß sich auch die tschechoslowakische Moskauer Delegation an.

Und dann gelang ihm der große Sprung: Durch einen außerordentlichen Parteitag in der Slowakei wurde er als Erster Parteisekretär an die Spitze der slowakischen KP gestellt. Wird er nun, mit dieser Machtfülle, in eben jenem Augenblick, das die tschechoslowakische Idee, fünfzig Jahre nach ihrem Entstehen, endlich Leben gewinnt, daran gehen, sie durch die Föderalisierung des Staates zu zerstören? Dann hätten seine einstigen Ankläger (die diesen Vorwand allerdings nur erhoben, um ihn hinter Kerker- mauem verschwinden zu lassen) vielleicht doch nicht ganz unrecht gehabt, als sie ihn zu einem „Nationalisten“ degradierten?

Die österreichische Idee ging am Nationalismus zugrunde, sollte der tschechoslowakischen Idee das gleiche Schicksal be- schieden sein? Die nächsten Wochen werden es erweisen.

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