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Drei deutsche Parteitage

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In diesen Wochen haben sich die drei im Bundestag vertretenen Parteien, CDU, SPD und FDP, in Parteitagen in Köln (SPD), Düsseldorf (FDP) und Dortmund (CDU) einer breiten Öffentlichkeit gestellt. Das Aufeinandertreffen war nicht zufällig: Die Landtagswahlen im größten deutschen Bundesland, Nordrhein-Westfalen, Mitte Juli, warfen ihren Schatten voraus. Jedoch war von dieser Wahl auf allen drei Parteitagen verhältnismäßig wenig die Rede. Alle drei waren als Auftakt eines Wahlkampfes unverhältnismäßig nüchtern. Die schwierige außen- und innenpolitische Situation, das Gefühl, vor einer politischen Umwälzung zu stehen, gab allen drei Parteitagen das Gepräge.

Am wenigsten davon berührt schien Bundeskanzler Konrad Adenauer zu sein. Mit Witz, Schlagfertigkeit und einer gehörigen Portion Überzeugung vom Wert der eigenen Person eröffnete er den Dortmunder Parteitag und ließ keinen Zweifel daran, daß er nicht daran denke zurückzutreten. Er stieß damit auf mehr Unbehagen als er erwartet hatte, und der in aller Öffentlichkeit ausgesprochene Satz eines unbekannten Delegierten, es sei besser, der große alte Mann würde zwei Jahre zu früh als einen Tag zu spät zurücktreten, drückte aus, was viele insgeheim dachten. Dies spiegelte sich auch bei der Wiederwahl Adenauers zum Parteivorsitzenden wider, bei der er die wenigsten Stimmen erhielt, seit er Bundeskanzler ist.

Das einhellige Presseecho, das selbst die sonst so adenauerfreundliche „Frankfurter Allgemeine“ einschloß, war für den Bundeskanzler sehr negativ. Die Diskrepanz zwischen Adenauers Auftreten in Dortmund und den Auflösungserscheinungen in seinem Kabinett war zu offensichtlich, aIsaidaftifc$r>ii|H:f.de«;iBemerkung; beiseite-.. ge$s4fcK(>werd£ft „ könnte, ,,a.n. der schwierigs--“Lage .sei das sehleelMe Verhältnis der CDU zur Presse schuld. Die in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ gemachte Feststellung, Dortmund wäre ein gutes Datum für Adenauers Rücktritt gewesen, tauchte in den verschiedensten Variationen auf. Aber niemand hat in Westdeutschland im Ernst mit dieser Möglichkeit gerechnet. Diese Ansicht muß nicht nur deswegen als eine Illusion bezeichnet werden, weil Adenauer in Dortmund keinen Zweifel ließ, daß er an keinen freiwilligen Rücktritt denkt, sondern, weil auch dieser Parteitag nicht weniger deutlich als die Ereignisse der letzten Monate gezeigt hat, daß niemand innerhalb der CDU/CSU da ist, der Adenauers Funktionen übernehmen könnte.

Der Ärger über den großen Alten und die Art, wie er mit seinen Parteifreunden umzuspringen pflegt, hat nicht vermocht, eine Alternativlösung zu Adenauer hervorzubringen. Franz Joseph Strauß, bisher der starke Mann in Bonn, nun aber durch die Fibag-Affäre geschwächt, war vorsichtshalber nach Amerika ausgewichen. Erhards massige Gestalt hatte weitgehend ihren Nimbus verloren. So hat sich schließlich das Interesse auf den neugewählten dritten Mann der Parteispitze, den Innenminister und Vorsitzenden der CDU in Nordrhein-Westfalen, D u f-h u e s, konzentriert, der seit einigen Monaten als der kommende Mann vorgestellt wird. Er soll die Partei reformieren, ihr einen besseren Unterbau geben. Viele vermuten in ihm auch den künftigen Kanzler, und die Art, wie Konrad Adenauer ihn schlecht behandelte, läßt darauf schließen, daß auch er diese Möglichkeit nicht ausschließt. Aber viele sind sich auch darüber im klaren, daß die Schwierigkeiten in der CDU weniger von der Partei herrühren als von der Person Konrad Adenauers und der Tatsache, daß der bisherige Kronprinz Ludwig Erhard in den vergangenen zwölf Monaten mehr als einmal bewiesen hat, daß das Mißtrauen Adenauers in seine politischen Fähigkeiten nicht ganz unberechtigt ist. Die CDU konnte in Dortmund niemanden darüber hinwegtäuschen, daß sie sich in einer schweren Krise befindet, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Diese Krise um Konrad Adenauer und seine Mannschaft stand so im Vordergrund, daf die Erkenntnis, welches Potential die Partei heute in Westdeutschland darstellt, weniger in Dortmund zu erkennen war als in Köln und Düsseldorf, wo wenig vorher SPD und FDP ihren Parteitag gehalten hatten.

Das Presseecho auf den SPD-Parteitag war ähnlich einhellig wie das auf den der CDU: Die Opposition hat abgedankt, sie ist müde geworden, sie versteht nicht mehr anzugreifen, und ähnliches war in den verschiedenartigsten Variationen zu lesen. Heute, ein paar Wochen später, ist das Echo etwas anders. Sicher, von Opposition war in Köln nur wenig zu spüren. Selbst Erich Ollenhauers Mahnung an die CDU, die fällig gewordene Ablösung Adenauers in würdiger Form zu vollziehen, hatte wenig Drängendes. Wer angesichts des Durcheinanders in der Regierung einen scharfen Vorstoß der Oppositionspartei erwartet hatte, wurde enttäuscht. Das sah in Köln noch nach Schwäche der SPD aus, hat sich aber inzwischen bereits als nicht ungeschickte Taktik erwiesen. Ein scharfer Angriff auf die Regierung hätte die Reihen der CDU geschlossen und Adenauer die Möglichkeit gegeben, seine Partei erneut im Zeichen der Feindschaft gegen die SPD zu einen. So blieb in Dortmund Adenauers scharfe Attacke gegen die SPD ohne das sonst übliche Echo.

Die SPD überwand in Köln die letzten Reste der Opposition gegen den neuen Kurs. Sie gab sich als eine Partei, die warten kann, bis ihre Stunde gekommen ist. Das ihr von vielen Beobachtern so sehr angekreidete Fehlen einer oppositionellen Haltung dürfte daher weniger auf ein Müdewerden der Partei zurückzuführen sein, als auf die Überlegung, daß die Schwäche der Regierung so offenkundig geworden ist, daß eine taktvolle Zurückhaltung mehr Stimmen einbringt als ein scharfer Angriff, der wahrscheinlich von vielen als unfair empfunden worden wäre. Daß sich die -SPD heute in größerer Übereinstimmung mit den Amerikanern befindet als die Bundesregierung, konnte das Triumvirat Wehner, Brandt, Carlo Schmid glaubwürdig machen. Dies ist inzwischen auch durch den Besuch des amerikanischen Außenministers Rusk in Berlin bestätigt worden, der auffallenderweise Brandt eher aufsuchte als Konrad Adenauer. FDP: Schlechte Chancen als „Volkspartei“

Am aktivsten gebärdete sich die FDP in Düsseldorf. Wollte man ihren Erklärungen Glauben schenken, so wäre es allein ihren Mannen zu verdanken, wenn in Bonn überhaupt noch etwas geschieht. Diese These wurde durch die auftretenden FDP-Bundesminister ebenso unterstrichen wie durch das Wissen um die Diadochen-kämpfe innerhalb der CDU. Die zweite, von dem Parteivorsitzenden Erich Mende mit Überzeugung vorgetragene These, die FDP stehe vor dem Durchbruch zur Volkspartei, wurde allerdings von den eigenen Leuten deutlich widerlegt. Die FDP schien in Düsseldorf ganz vergessen zu haben, daß weniger ihre Leistungen als ihr Bekenntnis zu Erhard ihr im September letzten Jahres zu ihrem sensationellen Wahlsieg verholfen hat. Von Erhard wollte die FDP diesmal nur etwas wissen, wenn er gegen die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer loszog. Sein Kampf mit Nordhoff und seine Warnungen an die Industrie wurden mit ausgesprochener Mißbilligung registriert. So enthüllte sich die FDP nicht als Volkspartei, sondern als das, als was sie immer schon galt: als Partei der Großfinanz und des Großbürgertums. Wenn sie an diesem Parteitag profilierter und geschlossener auftrat als früher, dann war das einmal dem hervorragenden Taktiker Mende zuzuschreiben. Noch wesentlicher aber ist die Tatsache, daß die Krise der CDU/CSU zwangsläufig den Koalitionspartner mehr in das Rampenlicht bringt. Bis heute hat die FDP

in dieser Koalition überzeugendere Leistungen gezeigt als ihr Koalitionspartner. Daran ist nicht zuletzt auch die Persönlichkeit des Bundesfinanzministers Starke schuld, von dem man allerdings nicht weiß, ob er sich auf die Dauer im Kabinett wird durchsetzen können.

Allerdings kam auf diesem Parteitag in der Rede des Vorsitzenden von Nordrhein-Westfalen, Weyers, wieder das ganze Vokabular des verstaubtesten Liberalismus zum Vorschein. Da fehlte wirklich keine Phrase! Was Weyers gegen den Föderalismus, den „Klerikalismus“ und die Klassenkämpfer vorzubringen wußte, war an politischer Substanz so ziemlich das Dürftigste, was seit langem in Westdeutschland geboten wurde. Die FDP repräsentierte sich in Düsseldorf als eine Partei, die weiß, daß sie richtig gehandelt hat, als sie mit der CDU eine Koalition einging, und die entschlossen ist, daraus die größtmöglichen Vorteile zu ziehen.

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