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Drei Einwände

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1. Der Aufbau des Erwachsenengrabes und der des „Kindergrabes” sind keineswegs „gleichartig”, wie auf Seite 500 des besprochenen Artikels behauptet wurde, sondern durchaus verschieden. Während das Erwachsenengrab einen Einbau darstellt, ist das „Kindergrab” leicht als Aufbau zu erkennen. Das erstere (0,55 Meter breit und nicht 0,79 Meter wie auf Seite 487 des Artikels), an die Südostecke des römischen Baues angebaut, liegt mit seiner gemörtelten Grabsohle 40 Zentimeter unter dem Fußboden des römischen Baues; das „Kindergrab”, das 56 Zentimeter von der Nordostecke des römischen Baues (und nicht in der Ecke, wie auf Seite 486/87 geschrieben wird) aus senkrecht aufgestellten Platten errichtet wurde, weist eine große flache Steinplatte über loser Steinsetzung als Boden auf; dieser liegt sogar etwas höher als der Fußboden und etwas tiefer als die links vom Becken befindliche Türschwelle des römischen Baues. Außerdem sind alle senkrecht aufgestellten Platten (drei Stein- und eine Ziegelplatte) an den Außenseiten durch Trockenmauern abgestützt. Für das angebliche Kindergrab ist eine Breite von 60 Zentimetern zuviel, da doch das Erwachsenengrab nur 55 Zentimeter mißt! Dieses 53 Zentimeter tiefe Becken mit einer Sickergrube wäre hingegen für die Taufe geeignet; der Taufende könnte auf der Auf mauerung neben dem Becken über dem Täufling stehen.

2. Ein römischer Bau mit durchschnittlich 70 bis 85 Zentimeter starken Mauern und mit 15 Stützpfeilern an der Außenwand, an prominenter Hanglage des Limes über dem südlichen Donauufer, dürfte kaum ein Getreidemagazin gewesen sein. Abgesehen davon, daß selbst die zum Vergleich angeführten Getreidemagazine nur innerhalb der Lagermauern standen und andere Ausmaße besaßen, würde dieses Magazin durch die exponierte Lage der ständigen Heimsuchung durch beutelustige Barbaren vom jenseitigen Ufer ausgesetzt gewesen sein. Es wurden auch keine Getreidekörner gefunden, und zwei Reibsohalen- bruchstücke können nicht als Beweis für das Vorhandensein eines Getreidemagazins akzeptiert werden. Solche Reibschalen gehörten zur Ausrüstung jedes römischen Soldaten und jedes römischen Haushaltes.

3. Wie auf der Abbildung ersichtlich, wurden alle Kirchen, auch die vorromanischen, genau über dem Grab und dem Becken errichtet; der älteste Altarunterbau (Steinlage I) stand zwischen dem Grab und der Taufstelle. Der Grundriß der vorromanischen Kirchen, ein gedrungenes Rechteck und ein reohtwinkeliges (fast quadratisches) Presbyterium, hat Parallelen in den freigelegten Grundrissen großmährischer Kirchen in Stare Mesto und Miskulcice aus dem 9. Jahr hundert. Die großen Pfeilersockel J und K vor dem Grab und der Taufstelle hat der Autor baulich überhaupt nicht erklärt. In quadratischem Abstand zu diesen Sockeln waren Pfostenlöcher L und M mit Holzspuren (von Holzsäulen?) aufgedeckt worden (vergleiche Abbildung), die im Text des Grabungsberichtes überhaupt keine Erwähnung fanden. Ähnliche frühe Kirchenbauten gibt es in mehreren Orten in Niederösterreich.

Ein Gutachten

Diesem dem sensationellen archäologischen Befund der Sankt- Jakobs-Kirche nicht gerecht werdenden Grabungsbericht sei abschließend ein Gutachten gegenübergestellt, das Frau Universitätsprofessor M. Guarducci, Ordinarius für Griechische Epigraphik an der Universität Rom und jahrelange Mitarbeiterin der Grabungen in St. Peter, Rom, anläßlich der Besichtigung der St.-Jakobs-Kirche ausgestellt hat und welches in den Mitteilungen der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft der St.-Severin- Bruderschaft, Nr. 15, 1963, veröffentlicht wurde:

„Wien, den 28. September 1963.

In den unterirdischen Räumen der St.-Jakobs-Kirche habeich aufmerksam die Wände aus der Römerzeit untersucht, in welchen später das Grab konstruiert wurde, das während der Ausgrabungen gefunden wurde.

Jene Wände, nur teilweise freigelegt, zeigen an einigen Stellen antiken Verputz. Eben diese waren Gegenstand meiner besonderen Untersuchung. Ich kann mit gutem Gewissen bestätigen, daß sich dort keine Ritzinschrift befindet. Man sieht viele Risse, viele Spuren des Pinsels, verwendet, um an den Verputz letzte Hand anzulegen, einige zufällige Zeichen, aber kein beabsichtigtes eines Buchstabens oder eines Kreuzes oder eines anderen christlichen Symbols.

Es gibt dagegen, und diese sind vollkommen lesbar, drei Ziegelstempel unter dem Material, das verwendet: wurde, um das Grab Zu konstruieren, und diese bezeugen, daß das Grab selbst dem 5. Jahrhundert angehört: eine Datierung, die im übrigen völlig mit der Technik übereinstimmt, mit welcher das Grab errichtet wurde.

Wer sich jene Zeiten vor Augen hält, in der die Unruhe und das Elend herrschten in der Region an der Donau, kann nicht unbeeindruckt bleiben von der Großartigkeit des Grabes und der relativen Sorgfalt seiner Konstruktion. Es war augenscheinlich dazu bestimmt, die sterbliche Hülle einer sehr ausgezeichneten Persönlichkeit der Kirche aufzunehmen.

Es wäre ungerecht, die Tatsache zu vernachlässigen, daß gerade über diesem außergewöhnlichen Grabe später eine Kirche sich erhob, so orientiert, daß das Grab genau unter dem Altar zu stehen gekommen ist.

Auch abgesehen von der zähen Tradition, die den Ort als locus sanctus erklärt, ist es evident, daß das Grab, das sich unter der heutigen St.-Jakobs-Kirche befindet, einer großen religiösen Persönlichkeit des 5. Jahrhunderts gehört.

Die quadratische Grube, die neben dem Grab vorhanden ist, scheint keine sepulkrale Bestimmung gehabt zu haben. Ihre Bestimmung bleibt ungewiß, aber man kann die Hypothese einer Taufstelle nicht ganz ausschließen.

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