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Drei in Asien

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Seitdem die mittleren Mächte England, Frankreich und.Holland aus ihren ehemVsen Besitzungen in Asien vertrieben Warden, stehen nur noch die großen Drei, Sowjetruüland, die Vereinigten Staaten und China, auf dem riesigen asiatischen Schachbrett einander gegenüber. Rußland und Amerika haben gemein, daß sie Weltmächte, europäische Mächte und asiatische Mächte sind. China ist nur eine asiatische Macht, deren enorme Bevölkerungsmassen in einem von neuen Energien geladenen, seine politische und wirtschaftliche Erneuerung vorantreibenden, auf die übrige Welt mit revolutionären Parolen einwirkenden Staat eingeschlossen sind. Daß sein Aufstieg zur dritten Weltmacht nur eine Frage der Zeit ist, wird nirgends bezweifelt — und fiberall gefürchtet.

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Seitdem die mittleren Mächte England, Frankreich und.Holland aus ihren ehemVsen Besitzungen in Asien vertrieben Warden, stehen nur noch die großen Drei, Sowjetruüland, die Vereinigten Staaten und China, auf dem riesigen asiatischen Schachbrett einander gegenüber. Rußland und Amerika haben gemein, daß sie Weltmächte, europäische Mächte und asiatische Mächte sind. China ist nur eine asiatische Macht, deren enorme Bevölkerungsmassen in einem von neuen Energien geladenen, seine politische und wirtschaftliche Erneuerung vorantreibenden, auf die übrige Welt mit revolutionären Parolen einwirkenden Staat eingeschlossen sind. Daß sein Aufstieg zur dritten Weltmacht nur eine Frage der Zeit ist, wird nirgends bezweifelt — und fiberall gefürchtet.

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Amerika hat seit der Übernahme der Macht durch die Kommunisten in China mit dem Regime Mao Tse-tungs keine Beziehungen aufgenommen. Das Trauma des verlorenen Bürgerkrieges, in dem die Amerikaner Tschiangkaischek vergeblich unterstützt hatten, wirkt heute noch in der amerikanischen Politik nach. Die amerikanischen Politiker und Diplomaten wissen zwar, daß es für ihr Land von Vorteil wäre, wenn es nicht our mit Moskau, sondern auch mit Peking in Beziehung stehen würde und dadurch die Möglichkeit erhielte, zwischen beiden die Balance zu halten. Faktisch stehen Amerika und Rußland in Asien to Abwehrstellung gegen die an ihrer Gettomauer rüttelnden Chinesen. Das ist der Grund, weshalb gegenwärtig das Gemeinsame in der Wettpolitik die Regierungen in Washington und Moskau mehr bindet als das Trennende sie voneinander fernhält. Selbst der Krieg in Vietnam hat mehr dem Anschein als der Wirklichkeit nach Amerikaner und Russen miteinander verfeindet. Beide wollen verhindern, daß nach einem Friedensschluß in Vietnam die große indochinesische Halbinsel unter chinesische Oberherrschaft gerät. Dieser Friedensschluß fällt so schwer, weil danach die Mächtekonstellation in Südostasien sich grundlegend zu verändern droht. Ho Tschi-miinh hat wohl die russische Hilfe dankbar angenommen; allein, er mußte immer trachten, sich mit Peking eicht zu überwerfen. Für ein so oder anders befriedetes Vietnam, ■für Kambodscha und Laos heißt das Problem ihrer Zukunft, unabhängig von den großen Drei leben zu können.

Nach russischer Lesart besteht die große außenpolitische Aufgabe darin, izu verhindern, daß in Asien „neue Vietnams“ entstehen. Aus diesem Grunde hat Breschnew an der Konferenz der kommunistischen Parteien in Moskau, hernach Gromyko in seiner Rede vor dem Obersten Sowjet, die Idee eines Systems der kollektiven Sicherheit in Asien lanciert. Mit äußerster Vorsicht trachtet die Sowjetregierung, das Gleichgewicht und den Frieden in Asien an sichern. Es geht ihr weniger um die Ausdehnung ihres Einflusses als um konservative Maßnahmen, die in Asien den Status quo aufrechtzuerhalten vermöchten. Moskau scheint bei seinem Plan eines kollektiven Sicherheitssystems in Asien die Teilnahme „westlicher“ Mächte, wie Australien, Neuseeland und Amerika, keineswegs auszuschließen. Mit dem amerikanischen Machtbereich im Pazifik hat sich Moskau wohl oder übel abgefunden.

Die russischen Pläne in Asien sind so vage, daß Ihre konkrete Gestalt noch nicht einmal erblickt werden kann. Es soll! sich keinesfalls um eine militärische Defensivorganisation handeln, wozu zu sagen ist, daß Staaten wie Malaysia, Pakistan, Indien, Burma, Ceylon, Indonesien zwar China für einen möglicherweise gefährlichen Nachbarn halten, aber sicherlich nichts tun würden, was ihn reizen könnte. Die Sowietregierung möchte ein „offenes“ System in Asien schaffen, das weder gegen Amerika noch gegen China gerichtet wäre. Es wäre überdies nicht möglich, den enormen asiatischen Kontinent in ein einziges System zu fassen, oMeieh die Sowjetunion von der Türkei bis Japan asiatische Völ-

ker zu Nachbarn hat. Im westlichen Teil dieser Ländermasse scheint die sowjetische Außenpolitik bereits besser vorangekommen zu sein, indem mit ihrem Segen in Kabul ein Abkommen wirtschaftlicher Art zwischen Afghanistan, Pakistan, Indien und Iran ausgehandelt werden soll. Welche Art könnte ein Abkommen zwischen den östlich davon gelegenen Ländern sein? Soli es die Form eines multilateralen Nichtangriffspaktes oder einer Art Wirtschaftsgemeinschaft annehmen? Man hört dn Moskau die Formulierung, man müsse einer „Balkanisierung“ Asiens ivorbeugen. Aber ist diese seit der Antikolonialisierung nicht bereits eine Tatsache? Man möchte jedenfalls zwei Dinge verhindern: daß Südost- und Ostasien — nach den Worten der „Iswestja“ — „eine gigantische Kolonie des amerikanischen Imperialismus unter beschränkter Teilnahme auserwählter Verbündeter“ werde, und daß in jenem Teil der Welt China sich mit den Vereinigten Staaten unter Ausschluß Rußlands verständige. Man stößt in der Weltpolitik immer auf eine dreifache Furcht: diejenige Moskaus vor einem Zusammengehen der Amerikaner mit den Chinesen, diejenige Washingtons vor einer Verständigung zwischen Moskau und Peking, diejenige Pekings vor der „Kolusion“ — wie man dort sagt — der Amerikaner und Russen. Der ideologische Konflikt hat sich längst in einen machtpolitischen verwandelt.

Die chinesische Reaktion auf die sowjetischen Asienpläne hat nicht auf sich warten lassen. Sie ist mit der üblichen Heftigkeit zum Ausdruck gekommen. Die chinesische Presse prangert die dunklen Pläne der Russen, Amerikaner und Japaner an, die China „einkreisen“, Südostasien wirtschaftlich „ausplündern“, ihre „Hegemonie zur See“ auf allen asiatischen Gewässern aufrichten usw. Die größten Vorwürfe werden, wie üblich, den Russen gemacht, die zu Verrätern an der Revolution und zu Komplicen des amerikanischen Imperialismus gestempelt werden. Auffallend sind die scharfen Angriffe, die in Peking gegen Japan gerichtet werden. Für die Chinesen 'bilden die Amerikaner, Japaner und Russen einen „Gang, der sich dem sozialistischen China entgegenstellt und die nationalen Befreiungsbewegungen in Südostasien unterd-ückt. Wie gemein und kläglich Ist das“. CSo im „Neuen China“.) Dieses Unternehmen gleiche der Heiligen Allianz, die der Zar mit europäischen Fürsten zur Bekämpfung der „großen bürgerlichen Französischen Revolution“ gebildet habe, und dem gemeinsamen Kampf der Amerikaner, Engländer und Franzosen gegen die bolschewistische Revolution von 1917. Aber alle diese Pläne, sagt das „Neue China“, befänden sich in dem gleichen „Abfallküibel der Geschichte“. Es wird auf weite Sicht kaum möglich sein, Pläne zur Befriedung Asiens gegen den Willen Chinas durchzusetzen. Das Dreieck der Großen kann sich jedoch nicht auf eine gemeinsame Politik einigen. Die Menschen können zwar auf dem Mond landen, aber es gelingt ihnen nicht, den Frieden auf Erden mt sichern.

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