6769718-1968_49_10.jpg
Digital In Arbeit

Du sollst Vater und Mutter ehren

Werbung
Werbung
Werbung

Im Rückblick auf die 75 Jahre des Bestandes der Verlagsanstalt Herold und ihres Rechtsvorgängers muß dem seinerzeitigen Geschäftsführer der Verlagsgesellschaft, Herausgeber und Chefredakteur der „Reichspost“ und der „Furche“, dem verewigten Dr. Friedrich Funder, und dem gegenwärtigen Geschäftsführer der Verlagsgesellschaft und Chefredakteur der „Furche“, DDr. Willy Lorenz, bezeugt werden, daß sie sich stets ihrer aus der christlichen Soziallehre ergebenden Verpflichtungen bewußt waren.

Der Kreis um Vogelsang und Schindler hatte seinerzeit geistig die christlich-soziale Bewegung befruchtet, die im Kampf gegen den damaligen Liberalismus den aus dem Mas-

war, abgesehen vom Bergbau, die Notwendigkeit einer umfassend geregelten Altersversicherung im heutigen Umfang noch nicht gegeben. Die Früchte des Bodens und der Ertrag des gewerblichen Betriebes mußten in der Regel ausreichen, um drei Generationen zu erhalten: die noch nicht arbeitsfähigen Kinder, die Eltern und die meist nicht mehr voll arbeitsfähigen Großeltern. Durch die produktive Arbeit der mittleren Generation, der Eltern, wurde und wird zum Beispiel das Ausgedinge aufgebracht, das der Altbauer und die Altbäuerin nach der Hofübergabe sich vertraglich ausbedungen haben. Ähnlich war es damals auch im gewerblichen Familienbetrieb. Diese Verpflichtung der aktiven Generation gegenüber ihren Eltern beruhte wirtschaftlich auf der Tatsache, daß das Privateigentum an den Produktionsmitteln (Grund und Boden oder Gewerbekapital) die Existenz hinreichend sicherte, entsprach moralisch dem vierten der Zehn Gebote Gottes und spiegelt sich rechtlich auch in den gegenseitigen, wenn auch nur subsidiär geltenden Unterhaltsbestimmiungen zwischen Eltern und Kindern und umgekehrt im familienrechtlichen Teil de ABGB wider.

Bei der Entwicklung vom Agrarstaat zum Industriestaat kam es bekanntlich zur Bildung großer Massen besitzloser abhängiger Arbeitnehmer, die über kein Produk- tionseigentum mehr verfügten und daher im Alter der Armenfürsorge anheimflelen. Gegen diese unzureichende Altersvorsorge hatten die Vertreter der christlichen Soziallehre schon um die Mitte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Forderung nach Schaffung einer Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung aufgestellt, die noch von Lueger im Parlament vehement vertreten wurde. Mit dem Gesetz über die Pensionsversicherung der Angestellten vom 16. Dezember 1906, der letzten sozialen Großtat des alten Österreich auf diesem Gebiet, 12 Jahre vor seinem Zusammenbruch, gelang ein Teilerfolg, der den Privatangestellten Österreichs eine Pensionsversicherung für die Versicherungsfälle des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes

(Hinterbliebenenversicherung) brachte. Trotz intensivster Bemühungen der Parteien und Regierungen im alten Österreich gelang es nicht mehr, für die Arbeiter eine ähnliche Altersversicherung zu beschließen. Wenige Wochen vor Ausbruch des ersten Weltkrieges scheiterte die beschlußreife Vorlage an dem Einspruch eines galizischen Ab senphänomen der abhängigen Arbeit in der wachsenden Industriegesellschaft sich ergebenden Problemen vordringliche Bedeutung eingeräumt hat. Die Aktualität dieser Frage wird auch in der Gegenwart von der „Furche“ stets anerkannt. Eine dieser Fragen wollen wir heute herausgreifen, die auch heute ihre besondere, wenn auch im Vergleich mit damals verschiedenartige Problematik besitzt. Es ist die Altersvorsorge in der Rechtsform der sozialen Versicherung in der Industriegesell- schaft.

Solange das Privateigentum an Grund und Boden und an den Produktionsmitteln des Gewerbes die wirtschaftliche Basis der großen Mehrheit des Volkes bildete, mit anderen Worten geordnetem Im Krieg hatte man zunächst andere Sorgen.

Die Finanzierung der Pensionsver- sichenung der Angestellten lehnte sich hinsichtlich der Altersrenten und Hinterbliebenenrenten an das System der Kapitaldeckung an. Für jeden Versicherten wurde eine Prämienreserve angelegt, die ursprünglich zehn Jahre, später fünf Jahre umfassenden Sparprozeß hindurch durch die Beiträge der Angestellten und ihrer Dienstgeber und dem Zinsenzuwachs gespeist wurde. Man konnte damals mit Fug und Recht sagen, daß sich die Angestellten mit ihren Beiträgen und den ihrer Dienstgeber nach dem Grundsatz der sozialen Ausgleichs selber ihre Alterspension finanzierten.

Die Inflation am Ende des ersten Weltkrieges löschte dieses System aus. Nach dem ersten Weltkrieg und ebenso nach dem Ende des zweiten Weltkrieges waren die angesammelten Reserven vernichtet oder verschleppt worden. Am Beispiel der Angestelltenpensionsversicherung läßt sich das veranschaulichen. Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Reiches, als die Republik Österreich wieder erstand (Mai 1945), verfügte die wiedererrichtete Angestelltenversicherungsanstalt nur über 275.148 Reichsmark an flüssigen Mitteln. Der Manatsaufwand für die 55.710 Rentenbezieher war 5,243.822 Reichsmark. Man finanzierte aus den einlansenden Beiträgen der Pflicht versicherten den Aufwand für die laufenden Renten. So ist es im Grund bis heute geblieben. Die aktiven Versicherten sparen ihre Beiträge nicht für ihre eigene Pension an, sondern decken damit den Aufwand der Rentenorganisation. Aus der Not wurde eine Tugend gemacht: Das Prinzip der Solidarität der Generationen war geboren. Die aktive Generation bestreitet mit ihren Beiträgen den Unterhalt der alten Generation. Die Generation der Söhne und Töchter deckt mit ihren Beiträgen den Unterhalt der Eltern, der Väter und Mütter. Damit sind wir in etwa wieder bei der Sorgepflicht der Kinder für ihre alt gewordenen Eltern angelangt, wie sie als Verpflichtung auch dem vierten Gebot und dem Unterhaltsrecht des ABGB innewohnt. Nur tritt an die Stelle des einzelnen produktiv tätigen Sohnes oder der Tochter die Generation der Erwerbstätigen und daher Pflichtversicherten und an die Stelle der Eltern oder eines Elternteiles in der Familie die Generation der alten Pensionsempfänger. Neben die nach göttlichem und menschlichem Recht begründete Solidarität in der einzelnen Familie ist in erheblichem Maß die Solidarität der Generationen getreten.

Natürlich war und ist die subsidiäre Unterhaltspflicht nach dem ABGB noch immer in Geltung, aber im Prinzip stimmt, was wir da ausführten. Diese Wandlung gilt sowohl für die Pensionsversicherung der Arbeitnehmer als auch für die Pensionsversicherung der Selbständigen in der gewerblichen Wirtschaft. Nur ein großer Unterschied besteht: Während früher die Kinder allein verpflichtet waren, für die Altersvorsorge der einkommenslosen, nicht mehr erwerbsfähigen Eltern aufzukommen, tritt jetzt die Versichertengemeinschaft und neben ihr der Staat — im Bundesstaat also der Bund — mit einem Beitrag hinzu. Der Bundesbeitrag beträgt nach dem ASVG, also im Bereich der Pensionsversicherung der Arbeitnehmer, in diesem Jahre 1968 27,5 Prozent des Aufwandes aller Träger der Pensionsversicherung. Da der Bundesbeitrag aus dem Steueraufkommen genommen werden muß, wirken hier wieder die Arbeitnehmer und ihre Dienstgeber als der größte Teil der Steuerpflichtigen indirekt an der Finanzierung mit.

Die „Großmacht der Alten“

Die Alten sind damit innenpolitisch zu einer Großmacht geworden, die fast 1,5 Millionen Wähler umfaßt Diese Größenordnung macht sie zu einem interessanten Objekt für den agitatorischen und propagandistischen Wettbewerb der politischen Parteien, insbesondere vor Wahlterminen und in früheren Jahren während der jeweiligen Budgetberatungen im österreichischen Nationalrat Es muß zugegeben werden, daß es zeitweilig berechtigten Anlaß zu diesen politischen Initiativen gab. Häufig war es die Notwendigkeit, die Pensionshöhe der Preisentwicklung und der Kaufkraftverminderung anzupassen. Diesen verschiedenen agitatorischen Aktionen verdanken wir die Einführung der sogenannten „Frühpensionen“ neben der bestehenden Alterspension mit dem 65. Lebensjahr für Männer und dem 60. Lebensjahr für Frauen. Neben den schon bestehenden Pensionsleistungen aus dem Grund der verminderten Arbeitsfähigkeit, die bei den Arbeitern Invaliditätspension, bei den Angestellten Berufsunfähigkeitspension heißt, wurde also eine früher anfallende Alterspension für Männer mit 60 Jahren und für Frauen mit 55 Jahren unter dem offiziellen Titel als vorzeitige Alterspension für lange Versicherungsdauer eingeführt. Die Begründung war die starke Abnützung, die das moderne Arbeitstempo vor allem für Arbeitnehmer in der industriellen Ergänzung zur Folge hat.

Soweit diese Abnützung so groß war, daß sie den Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ergab, wurde sie bis dahin durch die Leistungen, die für diesen Versicherungsfall vorgesehen sind, aufgefangen. Finanziell gesehen bedeutet diese Einführung, daß für diese Gruppe von Alterspensionisten die Leistungen aus dem Grund des Alters fünf Jahre früher erbracht werden müssen, also den Aufwand um fünf weitere Jahre belasten, während auf der Einnahmenseite die Versicherungsbeiträge für diese fünf Jahre entfallen.

Man wird wohl in der Annahme nicht fehlgehen, daß die Frührente eine Verlängerung der durchschnittlichen Bezugsdauer der Pension zur Folge haben wird. Nach dem Jahresbericht 1967 der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten bezogen die normalen Alterspensionisten von 1961 bis 1967 im Durchschnitt ihre Pension duwh etwa 120 Monate, das sind also 10 Jahre hindurch. Zur Zeit stehen noch keine Zahlen für die Auswirkungen der „Frühpension“ auf die durchschnittliche Bezugsdauer zur Verfügung, aber die Logik spricht wohl für unsere Annahme, zumal bei den Berufsunfähigkeitspensionen und bei den Witwenpen-

sionen die durchschnittliche Bezugsdauer von 1961 bis 1967 ständig wuchs.

Der Gesetzgeber hat schließlich ein übrigens getan, indem er‘durch eiir Gesetz vom 21. Mai 1965, BGBl, Nr. 96, grundlegende Vorschriften über die laufende Anpassung der Pensionen aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG und dem GSPVG und den Renten aus der Unfallversicherung sowie von fix bestimmten, festen Beträgen aus der Pensionsversicherung getroffen hat. Die Anpassung oder Dynamisierung der genannten Pensionen — die Unfallversicherung lassen wir hiebei außer Betracht —, die in den zitierten Gesetzen (ASVG, GSPVG) verwirklicht werden soll, soll die Kaufkraft der Pensionen erhalten und sie darüber hinaus auch am Wachstum der Wirtschaft teilhaben lassen. Die Anpassung erfolgt in Anlehnung an die Entwicklung der Löhne und Gehälter der im Erwerbsleben stehenden Arbeiter und Angestellten. Diese Löhne und Gehälter werden oben und unten begrenzt in einer durchschnittlichen Beitragsgrundlage des dritt- wie des zweitvorangegangenen Jahres ermittelt, und der Vergleich ergibt dann die sogenannte Richtzahl. Der Gesetzgeber hat wohlweislich einige Bremsen in dieses System eingebaut, so die zweijährige Verzögerung und andere Vorsichtsmaßnahmen, die hier nur angedeutet werden können. Diese Bremsen haben zur Folge, daß die Pensionen nicht hundertprozentig, sondern ungefähr achtzigprozentig angepaßt werden. Dagegen hat sich, wie aus den Gutachten des Beirates 1967 und 1968 hervorgeht, die sozialistische Gruppe im Beirat gewandt und die Aufhebung dieser Bremsen verlangt, um eine hundertprozentige Anpassung zu sichern. Um zu dieser Forderung die sachlich richtige Einstellung zu gewinnen, muß man sich noch einmal die derzeitige Finanzierung der Pensionsversicherung vergegenwärtigen.

Die aktive Generation deckt mit ihren Beiträgen, wie schön ausgeführt, im laufenden Jahr 196ß (-zu 72,5 Prozent, im Jahre 1969 zu 72 Prozent und im Jähre 1970 zu '7 1’ Prozent den Aufwand der Pensionsversicherung nach dem ASVG. Der Bundesbeiträg stieg auf 27,5 Prozent im laufenden Jahr 1968 und steigt auf 28 Prozent im Jahr 1969 und auf 29 Prozent im Jahr 1970.

Die Beiträge der versicherten Arbeitnehmer und ihrer Dienstgeber steigen bis zum Jahr 1970 auf 17 Prozent (Pensionsversicherung der Angestellten) und auf 17,5 Prozent (Pensionsversicherung der Arbeiter) an.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung