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Ehemann studiert...

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IN DEN USA ist schätzungsweise ein Viertel aller Studenten verheiratet. In den meisten Fällen studieren beide Partner. Dafür ist die Zahl der Ehepaare mit Kind unter den amerikanischen Studenten wesentlich geringer als bei uns in Europa. In den USA findet man es nicht unvernünftig, vor dem Ende des Studiums eine Familie zu gründen. Heirat bedeutet für den amerikanischen Studenten keine finanzielle Katastrophe, egal, ob er vom Geld der Eltern lebt oder selbst verdient. Vor allem aber: Er braucht keine Angst zu haben, ohne Quartier dazustehen.

In den Wohnvierteln der amerikanischen Universitäten wird für Ehepaare großzügig gesorgt.

Auch die straffe moralische Disziplin in den meisten US-Studentenheimen trägt dazu bei, Studentenliebe schnell in eheliche Bahnen zu lenken.

Und bei uns?

IN ÖSTERREICH FINDET MAN Liebesgeschichten zwischen Studenten fast selbstverständlich. Sie sollen, so findet man in weiten Kreisen, nur nicht gleich zur Ehe führen. Ein Ehemann, der noch studiert, ja, der womöglich schon ein Kind hat, ist in vielen Augen eine unziemliche Erscheinung. Da rümpft ein beträchtlicher Teil der lieben Verwandtschaft die Nase. Da wird der „voreilige Entschluß“ unüberhörbar mißbilligt. Nur eines ist noch schockierender — wenn nicht nur der Mann, sondern auch die Frau die Absicht bekundet, das Studium zu beenden.

Selbstverständlich haben sich die beiden alle aus ihrem unvernünftigen Schritt resultierenden Schwierigkeiten selbst zuzuschreiben. Die Quartiersuche kann zu einem Martyrium werden. Man wird entweder abgewiesen, oder man verlangt Phantasiepreise von ihnen, man bekommt auch die Gründe dafür ausführlich zu hören.

Also ins Studentenheim? Leicht gesagt. Auch in Studentenheimen ist es für Verheiratete sehr viel schwerer, unterzukommen. Offenbar wird hier das gleiche alte Vorurteil gehegt: Ein Student ist noch in Ausbildung begriffen. Also ein unreifer, unfertiger Mensch. Noch nicht voll verantwortlich. Daß der 22 Jahre alte Nachbarsbub, der Verkäufer geworden ist, seit einem Jahr verheiratet ist, das findet man selbstverständlich. Das wird ihm möglicherweise als ein Beweis für Lebensernst und Reife ausgelegt. Der um zwei Jahre ältere, verheiratete Student hingegen hat nur bewiesen, wie unreif er ist.

In vielen Fällen ist eine soziale Diskriminierung ja eine psychologische Barriere zur Umwelt der Lohn für sein Verhalten.

DER STUDIOSUS MIT DEM RING führt einen Mehrfrontenkrieg gegen eine Umwelt, die ihn einfach nicht verstehen will, die keine Bereitschaft zeigt, sich auch noch mit seinen Problemen zu befassen.

Er kämpft gegen Zimmerfrauen, die ihn abweisen, weil sie jene Bestimmung fürchten, derzufolge ein Ehepaar mehr als sechs Monate nach dem Beziehen eines Untermietzimmers nicht mehr gekündigt werden kann. „Die beiden“, so denkt sie, „bekommen am Ende ein Baby — was mache ich dann?“

Und er kämpfit gegen den Unverstand von Ämtern, denen es einfach nicht dafürsteht, „für die paar Leut'“ eigene Bestimmungen zu erlassen. Studenten, die auswärts wohnen, bekommen beispielsweise für die Fahrt zum Studienort beziehungsweise nach Hause von den österreieinsehen Bundesbahnen eine Ermäßigung von 50 Prozent zugestanden. Vorausgesetzt, daß ihr Einkommen eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. In bestimmten Fällen wird deshalb, weil der eine Ehepartner „zu viel“ verdient, diese Ermäßigung kurzerhand auch dem anderen gestrichen. Eine Härte, die sich leicht beseitigen ließe. Doch wie gesagt, „es zahlt sich nicht aus“.

Und die Finanzämter fassen den Studenten in Österreich viel härter an als in Deutschland. Der verheiratete Studiosus hat es besonders schwer, das Finanzamt von seinen wirklichen Einkommensverhältnissen und denen seiner Eltern zu überzeugen. Das von ihm angegebene Einkommen wird als „unglaubwürdig“ einfach nicht zur Kenntnis genommen, weil er ja seine Frau erhalten muß. Der Referent findet, von dem Betrag, den er angegeben hat, könne er nicht leben.

Da werden wohl doch die Eltern etwas beisteuern...

Er benötigt also eine Einkommenserklärung der Eltern. Und diese wiederum, man würde es nicht glauben, kann er in vielen Fällen einfach nicht bekommen. Mehr verheiratete Studenten, als man annehmen würde, werden nämlich von ihren Familien boykottiert.

ES DENKEN FINANZBEAMTE ebenso wie Väter und Mütter, Bundesbahndirektoren ebenso wie Onkel und Tanten, sie denken genauso wie jener österreichische Professor, der einem verheirateten Studenten ins Gesicht sagte: „Solang' Sie studieren, junger Mann, brauchen S' an nichts anderes zu denken!“

Kein Wunder, wenn Studentenehepaare häufig getrennt wohnen — von den verheirateten Ausländern, die gemeinsam in Wien studieren, schätzungsweise 30 bis 40 Prozent. Kein Wunder, wenn sie monatelang im Hotel logieren. Kein Wunder, wenn so manche Studentenehe unter solchen Belastungen zerbricht. Wird sie dann wirklich geschieden,dann sieht die Umwelt, die diese Ehe auf dem Gewissen hat, ihr liebgewordenes, altes Vorurteil bestätigt: „Die beiden waren eben zu jung, zu unreif, zu dumm zum Heiraten. Da sieht man es wieder einmal. Studentenehen tun nicht gut...“

Tatsächlich ist es auf die Unvernunft und Verständnislosigkeit der Umgebung zurückzuführen, wenn Studentenehen in Österreich problematisch sind.

Sie redet so viel von der Bedeutung der Familie, diese Umwelt. Und von der Förderung der Familie. Und davon, daß Kinder doch einen großen Segen darstellen. Und notwendig sind für die Zukunft.

Und sie klagt über den Mangel an Akademikern.

Sie führt so gerne die alten Phrasen von der Förderung der Jugend im Mund, einer Jugend, der man den Weg nach oben doch ach so leicht machen möchte.

In der Praxis bestraft man das, was man in der Theorie propagiert.

Alle kursiv gedruckten Einschaltungen beruhen auf einer unter dem Titel „Studentenehe 66“ von der österreichischen Hochschüler-schaft an der Universität Graz kürzlich herausgebrachten Untersuchung.

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