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Ehescheidung ist grausam

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Unter diesem Motto veranstaltet der Katholische Familienverband Österreichs am 14. Jänner 1962 im Großen Musikvereinssaal zu Wien die Hauptveranstaltung seines diesjährigen traditionellen „Kaua-Tages“.

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Unter diesem Motto veranstaltet der Katholische Familienverband Österreichs am 14. Jänner 1962 im Großen Musikvereinssaal zu Wien die Hauptveranstaltung seines diesjährigen traditionellen „Kaua-Tages“.

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Die Ablehnung der Auflösbarkeit der Ehe fußt auf denselben Prinzipien wie die Begründung der Einehe. Nur die bis zum Tode dauernde Verbindung eines Mannes mit einer Frau ergibt jene auf der Grundlage personaler Gleichwertigkeit beruhende volle Lebensgemeinschaft mit der ihr eigenen, unerreichten Solidarität zwischen den Ehegatten, zwischen diesen und den Kindern und unter den Kindern selbst. Die unauflösliche Einehe beziehungsweise die auf ihr gründende Familie sind das Urbild der natürlichen menschlichen Gemeinschaft mit den Merkmalen der Einheit und Dauer.

Während nun jede Form von gleichzeitiger Mehrehe im westlichen Kulturkreis als illegal zurückgewiesen und eine solche gelegentliche illegitime Verbindung als abnorm betrachtet wird, ist im westlichen Kulturkreis die durch Scheidung entstehende sukzessive Mehrehe ein ebenso zahlreich vorhandenes wie beklagenswertes Krankheitszeichen am Gesell Schaftskörper, wobei dieser unnatürliche Zustand von der breiten Bevölkerung immer weniger als solcher erkannt beziehungsweise qualifiziert wird.

Die Ehe immer mehr ein weltlich Ding

Mit dem Vormarsch des Laizismus ist die Ehe immer mehr ein weltlich Ding geworden. Auch in manchen katholischen Kreisen. Das lebendige Bewußtsein von der sakramentalen Würde der Ehe wurde bei vielen Taufscheinkatholiken (nur unter ihrer Einbeziehung hat Österreich eine „überwiegend katholische Bevölkerung“) immer mehr durch das bloße Bedürfnis nach zeremoniell-religiöser Verbrämung des Hochzeitstages ersetzt. Mancher naive Optimist erschräke im i.lfatholischen“ ötrerreichpt'würde“ er •der nüchternen eh4scWSgigB“ReälkätJ gewahr. Das feierliche Orqelspiel bei der kirchlichen Trauung, die vielfach „zum guten Ton“ gehört, täuscht allzu viele über die religiöse Leere so vieler Brautpaare und Eheleute unserer Tage hinweg. Die nach wie vor beträchtliche Zahl von Ehescheidungen ist eines der folgenschwersten Symptome davon.

Für eine realistische Einschätzung der Lage

Die Hoffnung auf Rückkehr zu einer geschlossenen religiösen Gesellschaft, in der auch Ehe und Familie automatisch wieder ihren entsprechenden Standort erhielten und in der das Problem der Ehescheidung von selber gegenstandslos würde, hieße einer reinen Utopie nachjagen. Jedes Bemühen in dieser Richtung wäre eine nutzlose Kraftvergeudung. Auch wäre es nicht zweckmäßig, von katholischer Seite aus Versuche in gesetzgeberischer Hinsicht zu unternehmen, die darauf abzielen, unter den heutigen Verhältnissen eine möglichst genaue Übereinstimmung zwischen kirchlichem und staatlichem Eherecht gegen den Willen breiter Bevölkerungskreise zu erzwingen. Wie der Verfasser dieser Zeilen aus zahlreichen volksbildnerischen Erfahrungen weiß, haben etwa viele Sozialisten, die sich — obwohl den Ernst des Problem! in zunehmendem Maße erkennend — nicht mit der Auffassung der absoluten Unauflöslichkeit der Ehe einverstanden erklären können, ein tief eingewurzeltes Mißtrauen gegenüber den einschlägigen katholischen Bemühungen, die sie aus ihrer seinerzeitigen Verbitterung gegen die Bestimmungen des Konkordats von 1934 vielfach unrichtig beurteilen. Allein etwa in der gewiß demokratischen und liberalen Forderung nach Abschaffung der obligatorischen Zivilehe zugunsten der fakultativen Eheschließung befürchten viele von ihnen - völlig zu Unrecht — einen ersten Schritt zur Rückkehr zu den alten Konkordatsbestimmungen.

Manche von guten Absichten geleitete, aber mit der Wirklichkeit nicht sehr vertraute Katholiken würden im Hinblick auf ihre Erwartungen, die sie in die bevorstehende konkordative Regelung der Ehefrage setzen, gut daran tun, sich einen Realismus zu eigen zu machen, der von der Erkenntnis ausgeht, daß die allgemeine Herbeiführung einer Identität zwischen Kirchenrecht und staatlichem Recht in dieser zweifellos zentralen gesellschaftlichen Frage heute — so schmerzlich das auch ist — leider völlig unmöglich ist. Solange in breiten Bevölkerungsschichten solche Auffassungen bestehen wie heute, würde man durch einen gesetzlichen Zwang der Sache mehr schaden als nützen, abgesehen davon, daß bei den derzeitigen politischen Verhältnissen für eine solche Absicht keine Aussicht auf Gewinnung einer parlamentarischen Mehrheit bestünde. Wir leben nun einmal in einer pluralistischen Gesellschaft. Sie — und nicht eine vergangene Zeit oder eine erträumte Zukunft — ist uns zur Aufgabe gestellt.

Naturrecht — ein entscheidender Verbündeter

Was können wir gegen die Ehescheidung tun? Wo nicht lebendige Religiosität als persönliche Ordnungsund Liebesmacht eine Immunität gegen die durch den Geist unserer Zeit so begünstigten Krankheitserreger der Ehescheidung erzeugt („Glaube ist, was Macht hat über dein Leben I“), muß die Einsicht in die natürliche Ordnung geweckt bzw. vertieft werden. Wir müssen den Traditions- beziehungsweise Tauf Scheinkatholiken, deren Glaube bekanntlich keine Macht mehr hat über ihr Leben, und den in ihrem Gewissen nicht auf die unauflösliche Ehe verpflichteten Nicht-christen klarmachen, daß allein die unauflösliche Einehe der natürlichen Ordnung entspricht; daß also auch das natürliche Ethos — und nicht allein ein positiv-religiöse (= göttliches) Gesetz — die unauflösliche Ehe fordert.

Das Wohl der N a t u r e i n r i c rifun g der Familie (es handelt sich also um mehr als nur um einen Vertrag, dessen Inhalt den Vertragspartnern anheimgestellt ist) verlangt die gegenseitige rückhaltslose und dauernde Hingabe von Mann und Frau an ihr gemeinsames Lebenswerk, da durch die Auflösung der Ehe zu Lebzeiten beider Partner bzw. durch eine anschließende Wiederverehelichung in folgenschwere Brüche geht. Das Leben unserer Zeit bietet eine erdrückende Fülle von Beweisen dafür, hinter denen sich oft tiefstes persönliches Leid und qualvolle Erschütterung verbirgt.

Ehescheidung als Ausnahmefall?

Die Unauflöslichkeit der Ehe als Regelfall wird noch von vielen Zeitgenossen akzeptiert. Schwierig aber ist es, Verständnis für die Verneinung von Ausnahmefällen zu finden. Sicher gibt es zerrüttete Ehen, bei denen eine Trennung der Gatten von Tisch und Bett für alle Beteiligten

— unter Umständen auch für die Kinder — eine Wohltat bedeutet. Die Verfechter der Ehescheidung berufen sich ja immer wieder auf solche Fälle. Doch ist diese Trennung zur Abwendung unnützen Leides ausreichend. Die Ehe hingegen auflösen und eine Wiederverheiratung gestatten, das ist

— so hart das in einzelnen Fällen auch ist — ohne Ausnahme nicht möglich.

Ausnahme! Wer klassifiziert sich in solchen Situationen nicht als besonders gelagerter Ausnahmefall? Und wenn die Möglichkeit einer Ausnahme bestünde, würde dann nicht das Eheband von Anfang an sehr geschwächt, weil größere Eheschwierigkeiten in vielen Fällen fast automatisch — vielleicht nur unterschwellig bewußte — Tendenzen zur Geltendmachung einer solchen Ausnahmesituation mit dem Ziel der Ehescheidung auslösten? Man möge sich doch nicht der Illusion hingeben, die Fälle der Ehescheidung würden dann auf eine kleine Anzahl von ausweglosen Situationen eingeschränkt bleiben. Die jahrzehntelange Scheidungspraxis hat erwiesen, daß die Möglichkeit der Ehescheidung in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle den menschlichen Schwächen Vorschub leistet.

Ungezügeltes Individualbedürfnis

Ehescheidung ist grausam, weil sie die beschworene gegenseitige lebenslange Liebes-, Sorge- und Beistandspflicht der Ehegatten und das unabdingbare Anrecht der Kinder auf gleichzeitig beide Elternteile auf das gröblichste verletzt. Es erübrigt sich, das bekannte Buch der einzelnen Leiden aufzuschlagen, in dem das Antlitz unserer ehescheidungsfreundlichen und auch dadurch besonders lieblosen und familienfeindlichen Zeit auf allzu vielen Seiten abgebildet ist. Jedem Sehenden ist es hinlänglich bekannt. Am dunkelsten sind jene Seiten dieses Buches, in denen die unschuldigen Kinderschicksale aufgezeichnet sind. Doch das rührt jene wenig, die im Hinblick auf ihre ungezügelten Indi-vidualbedürfnisse das „Recht auf (auswechselbare) Liebe“ im Munde führen, die den Schwur der Liebe zurücknehmen wie einen kündbaren Mietvertrag, um ihn — den Schwur — bei einer anderen Person zu deponieren, bis er vielleicht an eine dritte oder vierte weitergegeben wird.

Zugegeben, die Beweggründe der Ehescheidung sind unterschiedlicher Natur, und nicht immer handelt es sich um eine frivole Leichtfertigkeit, mit der die Scheidung bedacht beziehungsweise durchgeführt wird. Die Motive des Ehescheidungsbegehren aber konzentrieren ich in der Mehrzahl der Fälle auf eine unverantwortliche Überbetonung nicht beherrschter Individualwünsche auf Kosten der Ehe-Familien-Gemeinschaft. Somit ergibt sich, daß das standesamtlich ausgestellte Ehefähigkeitszeugnis zur Erstheirat vielfach keine Entsprechung hinsichtlich der persönlichen Reife und Verantwortlichkeit der Brautleute findet. Das oft chon nach kurzer Zeit ausgesprochene Scheidungsbegehren und die Umstände, die zu diesem Entschluß führten, offenbaren die mangelnde Einsicht in die Bedeutung der Eheschließung und die daraus folgernde Verantwortlichkeit. Ehe und Familie sind ihrer Natur nach G e-meinschaf t, die zu bejahen die Unterordnung verschiedener Individualinteressen unter das Gemeinschaftswohl erfordert. Wer das nicht begreift und in der Tat anzuerkennen bereit ist — hier liegt eine wesentliche psychologische Wurzel de Ehescheidungsproblem — der ist nicht reif für die Ehe. Ihr Gemeinschaftscharakter zieh nicht auf eine lustbetonte Steigerung des Individual-daseins, sondern im Gegenteil — unter gleichzeitigem Empfang zahlloser, die Entwicklung der männlichen und fraulichen Persönlichkeit in ihrem Reifungsprozeß entscheidend fördernder Werte — auf ein Freiwerden des Individuum für die Gemeinschaft, auf eine Bewährung an ihr. Da, was dazu befähigt, ist nichts anderes als die viel mißbrauchte Liebe. Die unauflösliche Ehe ist deshalb d i e hohe Schule dieser Liebe. E liegt an uns, diesen zahlreichen, einer gründlicheren Überlegung zugänglichen Zeitgenossen die menschliche, die natürliche Seite de Problems in allen wesentlichen Zusammenhängen und Konsequenzen eindringlich vor Augen zu führen, die lautstarke Rechtfertigung der Ehescheidung ihrer chlagworthaften Geschwätzigkeit zu entkleiden und die handfesten Realitäten mit der natürlichen Ethik in Verbindung zu bringen. Wer die natürliche Ordnung begriffen und anerkannt hat, wird Unvergleichlich leichter den Zugang zur religiösen Welt der sakramentalen Ehe finden.

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