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Ein Dank den Trümmerfrauen

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Diese informative und notwendige Sonderausstellung sollte nachfolgende Generationen aufhorchen lassen. Anhand von Zeitungsausschnitten, Fotos sowie Ton-und Filmdokumenten wird versucht, das lieben jener Frauen anschaulich darzustellen, die nicht nur Wien, sondern ganz Österreich wiederaufgebaut haben. Die Männer waren entweder gefallen oder befanden sich in Kriegsgefangenschaft, so lag es zum größten Teil an der weiblichen Bevölkerung, unter Entbehrungen und mit viel Schweiß und Durchhaltevermögen den „normalen” Alltag wiederherzustellen.

Auf alten Küchentischen wird präsentiert, was vor nunmehr fünfzig Jahren zum täglichen (Über-)Leben gehörte: Passierscheine, Identitätsausweise, amerikanische Konserven und ein Rucksack für die Hamsterfahrten. Die Frauen hatten es 1945 wahrlich nicht leicht gehabt: Zunächst nahm ihnen der Krieg ihre unbeschwerte Jugend und zuletzt raubte er ihnen die Männer und Söhne! Unter dem Motto: „Nun kann es doch nur mehr besser werden” und mit viel Optimismus gelang den Frauen 1945 das schier Unmögliche: Am 13. April 1945 waren die Kampfhandlungen in Wien zu Ende und frau machte sich ans Werk. Sie organisierte mitten im Chaos den Überlebenskampf gegen Hunger, Krankheit und Kälte. In der unmittelbaren Nachkriegszeit stellten die Frauen die große Mehrheit der Bevölkerung -am 23. September 1945 wurden in Wien 905.475 Frauen und nur 511.823 Männer gezählt.

Die Wiederaufbauarbeit erwies sich als äußerst zeit- und arbeitsintensiv und fand weitgehend in öffentlichen Räumen statt. Frau versorgte die Kinder, schaffte das Nötigste zum Überleben herbei und versuchte, so gut es eben ging, den Ehemann und Vater zu ersetzen. Die Frauen leisteten erste Aufräumungsarbeiten, denn in Wien waren nach mehr als fünfzig Luftangriffen und den Straßenkämpfen vom April 1945 acht- bis neuntausend Tote und ein Verlust von achtundzwanzig Prozent des Gebäudebestandes zu beklagen. Die Frauen der ersten Stunde krempelten die Ärmel hoch, machten Ruinen notdürftig bewohnbar, holten Heizmaterial aus den Wäldern, improvisierten aus schlechten und minderwertigen Zutaten Speisen und nähten aus Wegwerfmaterial Kleider für ihre Kinder. Immer wieder galt es zu improvisieren. Stundenlanges Schlangestehen vor Geschäften war selbstverständlich, Tausch- sowie Schleichhandels- und Hamsterfahrten in die angrenzende ländliche Region mußten zu Fuß erfolgen, da es kein funktionierendes Verkehrsnetz gab. Obwohl Hamstern illegal war, gehörte es 1945 - wollte man überleben - einfach dazu.

So berichtet eine Zeitzeugin, die damals fünfzehn Jahre alt war:„Meine Mutter hat alle Leintücher, die wir entbehren konnten, eingefärbt und daraus Schürzen genäht. Wenn es uns wieder einmal besser geht, hat sie gemeint, werden wir neue kaufen. Mit den Schürzen ist sie auf Hamsterfahrt gegangen. Ins Burgenland und nach Niederösterreich, in die Gegend am Wagram. Meist waren drei, vier Frauen gemeinsam unterwegs. Sie mußten stundenlang zu Fuß gehen. Manchmal hatten sie Glück, da hat sie jemand mit einem Auto mitgenommen, sogar in einem russischen Militär-LKW sind sie einmal mitgefahren. Es müssen richtige Ochsentouren gewesen sein, die diese Frauen da mitgemacht haben. Aber wenn sie dann ein paar Kilo Erdäpfel heimgebracht haben, waren sie überglücklich. Aus dem Burgenland hat meine Mutter einmal zwei lebende Gänse mit nach Hause gebracht, die haben dann in unserer Wohnung im Kabinett unter einer Kiste auf ihre Schlachtung gewartet.”

Unbeschreiblich bitter erscheint umsomehr die Tatsache, daß mit der Rückkehr der Männer aus der Gefangenschaft viele dieser mutigen Frauen dennoch plötzlich völlig allein dastanden: Kriegs- und Ferntrauungen, lange Entfremdung durch Trennungen, unterschiedliche Erfahrungsund Erlebnissphären, Not und Verzweiflung, außereheliche Beziehungen und Kinder, aber auch Vergewaltigungen von Frauen im Zuge der Befreiung, bildeten oftmals die Scheidungsgründe. Aber es kam auch deshalb zu Krisen, da diese Frauen der ersten Stunde inzwischen gewöhnt waren, auf sich allein gestellt ihre Entscheidungen zu treffen. Außerdem bewirkte die Rückkehr der Männer eine Arbeitsplatzverknappung, Frauen wurden in ihre traditionellen Berufe und Rollen zurückverwiesen und machten den heimgekehrten Männern Platz. Gerade heute sollte man nicht vergessen, daß diese Frauen der ersten Stunde einen entscheidenden Anteil am relativ raschen wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes hatten. Ohne ihre aufopfernde Mithilfe, ohne ihre sparsame Haushaltsführung und ohne ihre billige Erwerbsarbeit wäre so manches nicht möglich gewesen. (Bis 19. November)

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