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Ein ernstes Wort über den Sport

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Wer die Probleme des derzeitigen Österreichischen Sportbetriebes übersehen will, muß vorerst die organisatorische Aufgliederung kennen.

Da nach der österreichischen Verfassung Sport Ländersache ist, gibt es keine bundeseinheitliche Regelung. In den westlichen Ländern, die von einer Mehrheit der Volkspartei regiert werden, bestehen Landessportgesetze, nach denen die in Österreich anerkannten Dachverbände: Askö, ASVÖ und Union, gerechterweise gleich be handelt werden. In Wien mit seiner sozialistischen Mehrheit war bis jetzt kein. Landessportgesetz zu erreichen. Daher kann der sozialistische Sportverband, Askö, wesentlich mehr Subventionen von der Gemeinde bzw. dem Land Wien bekommen, als die beiden anderen Dachverbände zusammen. Man begründet diese Tatsache mit dem Hinweis, daß eben mehr sozialistische Wähler vorhanden seien, so daß die sozialistischen Sportler auch gerechterweise eine größere Unterstützung in Anspruch nehmen könnten. Niederösterreich, geführt von einer ÖVP- Mehrheit, hat nun den Beschluß eines Landessportgesetzes von einem gleichen Gesetz in Wien abhängig gemacht.

In Österreich bestehen drei Dachverbände, und zwar der Arbeiterbund für Sport und Körperkultur (Askö), der Allgemeine Sportverband Österreichs (ASVÖ) und die Österreichische Turn- und Sport-Union (Union). Die Dachverbände arbeiten zusammen in den Fachverbänden, die jeweils eine Spezialsparte betreuen und Staats- und Landesmeisterschaften durchführen, zum Beispiel Leichtathletikverband, Fußballverband, Skiverband, Ruderverband usw. Die 33 Fachverbände bilden das Österreichische Olympische Co- mitė, das die österreichischen Vertreter bei Olympischen Spielen ernennt. Dem Olympischen Comitė gehören außerdem Vertreter der Dachverbände und des Bundesministeriums für Unterricht an, das die für den Sport zuständige Behörde ist.

Eine Tagung aller Sportverbände und der der Bundesländer am 30. März 1949 beschloß unter dem Vorsitz des damaligen Unterrichtsministers einhellig, den Bundessportrat mit dem Bundessportausschuß und Bundes- sportfachrat als beratendes Organ des Unterrichtsministeriums zu gründen. Der Bundessportrat wurde außerdem von den Vertretern des Sportes und der Länder als die auf freiwilliger Basis gegründete Organisation des gesamten österreichischen Sportes konstituiert. Noch im Jahre 1949 stellte der Bundessportrat einstimmig ein Forderungsprogramm unter dem Titel „Forderungen des österreichischen Sportes zu den Sportförderungsmaß- nahmen des Bundes, der Länder und Gemeinden” auf und übermittelte dieses „Zwölfpunkteprogramm” der Bundesregierung, den Landesregierungen, viel zu tun gibt. Dankbar soll än dern Städtebund und dem Gemeindebund. Der Bundessportrat hat seither Erfolge erzielen können. Trotzdem sind die Breitenentwicklung und die Leistungssteigerung unseres Sportes noch nicht befriedigend gelöst. Auch das vom Bundessportrat und Bundessportfachrat initiierte und von Bundesminister Dr. Heinrich Drimmel besonders geförderte Zusammenwirken von Schule und Sport hat sich bereits erfreulich auszuwirken begonnen, obwohl es gerade auf diesem Gebiet noch erkannt werden, daß die Differenzen zwischen der Schule und den außerschulischen Sportverbänden, wie sie in Österreich besonders nach dem ersten Weltkrieg in Erscheinung traten, geschwunden und einem ehrlichen Bemühen zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit gewichen sind. Diese Bemühungen gehen in der Hauptsache auf die Verdienste von Bundesminister Dr. Heinrich Drimmel zurück. Die kommende Schulgesetzgebung wird bei der Erstellung von Lehrplänen für die Leibesübungen aller Schularten Wesentliches zu einer gesteigerten körperlichen Ertüchtigung unserer heranwachsenden Jugend beitragen müssen.

Während der Bundessportrat für gesamtorganisatorische, sportpolitische und sportfördernde Fragen verantwortlich ist, befaßt sich der Bundessportfachrat mit den fachlichen Fragen.

Nach dem Sporttotogesetz gehören Vertreter der drei Dachverbände und des Fußballverbandes dem Sporttotobeirat an, der unter anderem für die zweckmäßige Durchführung des Sporttotos verantwortlich ist und jährlich die zweckgebundene Verwendung der den Sportverbänden zur Verfügung gestellten Totomittel überprüft. Aufmarsch der Gladiatoren

Österreichs Spitzensportler werden sowohl in den Dachverbänden als auch in den Fachverbänden herangebildet. Die Hauptaufgabe der Dachverbände besteht jedoch darin, die Breitenentwicklung des Sports zu fördern, um dadurch dem gesundheitlichen Wert des Sports Rechnung zu tragen und eine Auslese zu ermöglichen. Gleichzeitig sind die Dachverbände für die geistige Ausrichtung ihrer Vereine verantwortlich. Die Fachverbände bilden in erster Linie Spezialisten heran und unterstehen den internationalen Fachverbänden.

Leistungsmäßig wird Österreichs Spitzensport durch die Forderungen des Österreichischen Olympischen Comitės beeinflußt, das heißt, diese Organisation sucht im Einvernehmen mit den Fachverbänden die notwendigen Bestleistungen ihrer Sportler zu erreichen Daß dieser Weg bisher vielfach nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt hat, hat verschiedene Gründe. Vor allem konnte man sich über die Methode, wie Spitzensportler heranzubilden seien, nicht einigen. Der Kernpunkt des Leistungssportes auf der ganzen Welt liegt in der Frage: Ama teurismus oder Professionalismus? Del Spitzensport ist in der Welt leider Gottes zu einem politischen Propagandamittel allererster Ordnung geworden. Darum bilden die Länder des Ostblocks ihre Sportler zu ausgesprochenen Gladiatoren heran, die bei den Olympischen Spielen auf die in den Hochschulinstituten des Westens, vor allem Amerikas, herangezüchteten Spitzensportler treffen. Das heißt, in beiden Fällen stehen einander Sportler gegenüber, deren Leben in erster Linie dem Sport gewidmet ist und deren berufliches und privates Leben dahinter zurücktritt.

Hinter diesen Sportmächten müssen natürlich die kleineren Nationen, so auch Österreich, zurückstehen. Sie können nicht die Geldmittel aufbringen, um ihre Sportler finanziell so -unterstützen zu können, daß sie ihr Leben in einem gewissen Lebensabschnitt nur dem Sport widmen können.

Grundsätzlich ist die Frage zu stellen, ob unser Sport überhaupt noch an solchen internationalen Großfesten teilnehmen soll oder nicht? Nach reiflicher Überlegung muß man „Ja” sagen. Schließlich stellt ein Zusammentreffen der besten Sportler der Welt nicht nur eine Machtprobe, sondern in erster Linie eine Gelegenheit zum Sichkennenlernen dar. „Der Sinn Olympischer Spiele liegt nicht im Siegen, sondern im Teilnehmen: nicht erobern, sondern ritterlich zu kämpfen ist das Wesentliche im Leben!” (Pierre de Coubertin).

Die Sportverantwortlichen Österreichs stehen grundsätzlich auf dem vernünftigen Standpunkt, daß auch der Spitzensport in erster Linie der Freude, der Erholung und der Ertüchtigung gewidmet sein soll. Die laufenden ärztlichen Kontrollen sollen den Verantwortlichen wie auch den Sportlern die Gewißheit geben, daß die Gesundheit trotz größerer Anstrengungen erhalten bleibt. Daß der Sportler seinen Sport nur neben seinem Beruf ausübt, stellt ihm auf Grund dės Amateurstatuts das beste Zeugnis aus. Auch verblaßt der Sportlerruhm sehr rasch, und der Sportler bleibt dann weiter in seinem Beruf als angesehener Mitarbeiter in seiner gesamten Umgebung.

Höhere Leistungen möglich

Trotzdem wäre es möglich, daß Österreichs Spitzensportler da und dort Besseres leisten könnten, doch müßten gewisse Voraussetzungen dazu geändert oder überhaupt erst geschaffen werden. In erster Linie müssen in Österreich wesentlich mehr Sportanlagen als bisher geschaffen werden bzw. es müßten die bestehenden Sportanlagen zu einem großen Teil den internationalen Ausmaßen angepaßt werden. So sind gerade die Leichtathleten und die Schwimmer in Österreich in einer schwierigen Situation, da sie die wenigsten brauchbaren Sportanlagen besitzen. Auch können nur wenige Leichtathleten und Schwimmer im Winter in Hallen trainieren, da wir weder für die Leichtathleten noch für die Schwimmer genügend Trainingshallen besitzen. Neiderfüllt müssen hier die österreichischen Sportler nach Deutschland blicken, wo Trainingshallen wie Pilze aus dem Boden wachsen. Unter demselben Mißstand leiden natürlich auch die Boxer, die Gewichtheber, die Hockeyspieler, die Basketballer usw., die notdürftig untergebracht sind und zum Teil sogar in Gasthäusern ihr Trainingsquartier aufgeschlagen haben. Hier fehlt in Österreich ein Konzept, ein Siebenjahrplan, ähnlich wie bei den Schulbauten.

Derzeit besteht die Gefahr, daß unter diesen Umständen die Zeit zwischen Olympischen Spielen zu den notwendigen Vorbereitungsarbeiten nicht ausreicht. Die Ausgabe von Übungsfilmen an die Sportverbände war kein Mißerfolg. Die Sportler brauchen aber in erster Linie Trainingsanlagen, in zweiter Linie Zeit zum Trainieren. Der Kampfsportler wird zum Beispiel gerade in staatlichen Stellen nicht für Trainingszwecke und auch nicht für Wettkämpfe freigestellt, sondern muß seinen Urlaub dazu verwenden, um an solchen Veranstaltungen teilnehmen zu , können.

Das Trainerproblem

Ein derzeit anscheinend nicht zu lösendes Problem ist die Trainerfrage. Die Ausbildung an den Hochschulinstituten für Leibeserziehung in vier- und achtsemestrigen Lehrgängen ist ausgesprochen dürftig. Die Sportlehrerausbildung, die bisher vier Semester dauerte und faktisch Trainer heranbilden sollte, war bis jetzt ein Versager. Kein Fachmann von Ruf ging aus dieser viersemestrigen Ausbildung hervor. Nur die spezialisierten Fußball- und Skilehrer entsprachen den Anforderungen. Es zeigt sich also, daß man noch mehr Spezialisten unter den Sportlehrern heranbilden müßte. Wenn nun Absolventen mit gutem Erfolg diese Ausbildung durchgemacht haben, fehlt dann wieder das Geld, um diese Trainer mit einem anständigen Gehalt entlohnen zu können. Anderseits müssen fachlich vollwertige Trainer selbstverständlich wieder eine gute Bezahlung erhalten, damit sie nicht in das Ausland abwandern. Es müßten also sowohl der Staat als auch die Länder und Gemeinden wesentlich größere finanzielle Opfer bringen, um solche Trainer für den österreichischen Spitzensport halten zu können.

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