6576123-1950_44_12.jpg
Digital In Arbeit

Ein fragwürdiges Buch

Werbung
Werbung
Werbung

Dr. Sorokin lebt seit 27 Jahren in den Vereinigten Staaten, wo er heute als Professor an der Harvard-Universität und an anderen wissenschaftlichen Instituten tätig ist. Aber schon in seiner russischen Heimat bekleidete er eine Reihe wichtiger Posten: er lehrte Soziologie und Rechtswissenschaft an der kaiserlichen Universität von St. Petersburg, wurde nach der Februarrevolution Regierungsmitglied im Kabinett Kerenski und diente auch noch unter dem bolschewistischen Regime als Delegierter in der Konstituierenden Versammlung und im Allrussischen Bauernsowjet, bis er 1922 das Land verließ — nicht allerdings ohne vorher wiederholt Bekanntschaft mit den Gefängnissen Lenins, so wie schon früher mit jenen des Zaren, gemacht zu haben. Er erscheint daher in hohem Maße berufen, das im Titel seines Budies angedeutete Thema sachlich zu behandeln und über die russisch-amerikanischen Beziehungen im allgemeinen oder über bestimmte Aspekte des Lebens der beiden Nationen ein in persönlichen Erfahrungen wurzelndes Urteil abzugeben. Der Professor begnügt sich aber nicht mit einer objektiven Untersuchung solcher Fragen: er will vielmehr, an Hand einer vergleichenden Darstellung der russischen und der amerikanischen Entwicklung in Vergangenheit und Gegenwart den Nachweis liefern, daß die zwischen den beiden Nationen bestehenden Spannungen keinerlei tiefgreifende, prinzipielle Ursache hätten, sondern teils aus Fiktionen, teils aus relativ belanglosen Unstimmigkeiten entstanden seien und daher bei etwas beiderseitigem gutem Willen leicht bereinigt werden könnten. Damit, so meint er, wäre die unerläßliche Voraussetzung gegeben, um eine tatsächliche neue Ordnung zu schaffen — eine Welt, aufgebaut nach den Geboten der Bergpredigt oder zumindest gemäß den Forderungen menschlicher Vernunft, und daher immer erlöst von Krieg und Kriegsgefahr.

So gerne man die Hoffnung Dr. Sorokins auf Hie Verwirklichung seines idealen Zukunftsbildes teilen möchte, so bedenklich muß einen die Leichtfertigkeit stimmen, mit der er den wahren Charakter jener beklagenswerten Spannungen zu verschleiern sucht. Wenn er den historischen Tatsachen an manchen Stellen seines Budies Zwang antut und Parallelen zwischen der politischen, soziologischen, ökonomischen, ja auch legislativen und administrativen Geschichte Rußlands und jener der Vereinigten Staaten selbst dort zu konstruieren wagt, wo es eben nur divergierende Linien gibt, so mag man solches dem Eifer, mit dem er seine idealistische These verficht, zugute halten: es fällt, aber schwer, dem Professor auch dort noch guten Glauben zuzubilligen, wo er beispielsweise jeden wesentlichen Unterschied zwischen dem russischen und dem amerikanischen Nationalcharakter leugnet, oder wo er behauptet, der Kommunismus nähere sich seit dem Abschluß seiner „destruktiven Periode“, die etwa im Jahre 192.3 eingetreten sei, immer mehr den Grundsätzen und Auffassungen des Westens: oder wo er die Verantwortung für den Ausbruch und die Fortdauer des Kalten Krieges vorwiegend der katholischen Kirche und anderen christlichen Glaubensgemeinschaften zur Last legt. Trotz alledem enthält das Buch manche Wahrheiten und Schlußfolgerungen, die der Beachtung wert sind, namentlich für jene, die gawphnt sind, den Kampf gegen den Kommunismus in erster Linie als ein militärisches oder polizeiliches Problem zu betrachten. Jan Susky

Klagenfurt. Ein Uberblick von der Urzeit bis zur Gegenwart. Herausgegeben von der Landeshauptstadt Klagenfurt zur Hundertjahrfeier ihrer Autonomie. Geleitet von Dr. Gotbert M-oro. Selbstverlag der Landeshauptstadt Klagenhirt, 1950. 159 Seiten, 9 Bildtafeln.

Die Revolution des Jahres 1848 beseitigte die Untertänigkeit der Landgemeinden gegenüber den adeligen Grundherrschaften. Damals erlosch auch die Herrschaft der Kärntner Landstände, die diese seit 1519, nicht zum Schaden der Stadt, über Klagenfurt ausgeübt hatten. Im Sinne des Gemeindegesetzes von 1849 und seines Grundsatzes .Grundfeste des Staates ist die freie Gemeinde“ erhielt Klagenfurt durch die Gemeindeordnung vom 9. Juni 1850 die Selbstverwaltung. Die Hundertjahrfeier der städtischen Autonomie gab den Anlaß zur vorliegenden Festschrift. Ihre 18 Beiträge verschiedener Autoren sollen ein Bild der geschichtlichen Entwicklung der Stadt geben, ihre wirtschaftliche und politische Bedeutung charakterisieren: dieses Programm wird auch erfüllt. Bemerkenswert sind vor allem die Ausführungen von Paul Leber über die Gegend von Klagenfurt zur Römerzeit und von Gotbert Moro über die Anfänge der mittelalterlichen Stadt: sie wurde, nach Aufgabe einer älteren Siedlung gleichen Namens in der Umgebung, zwischen 1246 und 1252 von Herzog Bernhard von Kärnten um :?en heutigen Alten Platz angelegt. Hermann Wießner stellt die entscheidenden Phasen der Stadtgesch!chte bis zur Autonomie dar, und Siegfried Hartwagner bringt einen guten Uberblick über den Kunstbesitz der Landeshauptstadt.

Vielleicht wäre es zweckmäßiger gewesen, die Zahl der Beiträge zu verringern und dafür den einzelnen Autoren mehr Raum zur Verfügung zu stellen: freilich muß eine Publikation, wie che vorliegende, mit den verschiedensten Leserinteressen rechnen und demgemäß war es naheliegend, dem Grund-stz „jedem etwas“ zu huldigen.

Univ.-Dozent Dr. Erich Zöllner

Homerisches Recht. Von Dr. Rudolf K ö s t-1 e r. österreichischer Bundesverlag, Wien. 79 Seiten, S 15.90.

Unter den homerischen Realien hat seit Ende des 16. Jahrhunderts, wo zum erstenmal der Holländer Feith das homerische Recht darstellte, das Rechtswesen immer wieder seine Berücksichtigung gefunden. Auch die vergleichende Betrachtung fand bereits 1758 in dem Franzosen A. Goguet einen hervorragenden Vertreter. Köstler hat also nicht so sehr materiell, wohl aber formal in seiner Methode und Betrachtungsweise Neues zu bieten. Vertraut mit der philologischen und juristischen Literatur unterzieht der Wiener Rechtshistoriker die homerische Rechts- und Staatsordnung einer sorgfältigen Analyse, geht dann zu dem für die rechtliche Grundlage beider Epen wichtigen Problem der Raub- und Kaufehe bei den Hellenen und der Hedna ein. Den Abschluß der fünf Aufsätze bildet „Die Gerichtsszene auf dem Achilleusschild“, in der er die Einrichtung staatlicher Schlichtungsstellen für private Rechtsstreitigkeiten erkennt.

Der methodische Grundsatz, Homer zuerst aus dem Epos selbst zu erklären, wobei das allzu bequeme Mittel der Analytiker, unbequeme Stellen auszuschalten, abgelehnt wird, verdient vollste Anerkennung. Die Schrift bietet sdion durch ihre Entstehungsweise ein Beispiel sorgfältigster Induktion: trotzdem sie eigentlich nur eine Sammlung von Aufsätzen darstellt, die in verschiedenen, leider nicht genannten Zeitschriften 1944—1947 veröffentlicht worden waren, so bietet sie doch ein Ganzes. Der Philolog, der in der neuen österreichischen Iliasausgabe für die Schule (Hölder-Pichler-Tempsky und österreichischer Bundesverlag 1949) einen Abschnitt über Staat und Gesellschaft bei Homer findet, hat durch Köst-lers Schrift ein bequemes Hilfsmittel, sich in die schwierige Materie einzuarbeiten. Aber auch der Jurist selbst, der Völkerkundler und Kulturhistoriker werden aus ihr reichen Gewinn ziehen. Dr. Wilhelm Krause

Wolfgang Amadeus Mozart: Messe C-dur für gemischten Chor und Orgelcontinuo, K. V, 115, ergänzt und bearbeitet von Bernhard Paumgartner. Erste Veröffentlichung für den praktischen Gebrauch. Verlag Haydn-Mozart-Presse, Salzburg.

In gediegenster Ausstattung legt der Verlag seine erste Publikation vor und wählt dazu eine kleine Kostbarkeit: das Fragment einer Mozart-Messe, der einzigen ohne Instru-menlalsatz, die somit den Ktrchenchören, auch den kleinen, ohne große Ausgaben als einfache Sonntagsmesse zugänglich ist; denn das Fragment, das bei den ersten Takten des „Sancfus“ abbricht, hat Bernhard Paumgartner, der Mozart-Kenner, mit großer Sorgfalt und ebensolchem Geschick aus zeitlich dem Original möglichst nahestehenden kirchenmusikalischen Stücken Mozarts ergänzt und zu einem Ganzen abgerundet. Der Glanz, die geniale Unmittelbarkeit, und Tiefe des Ausdrucks späterer Mozart-Messen sind hier allerdings noch nicht — oder doch nur in Ansätzen — vorhanden. Im wesentlichen scheint es sich um eine kontrapunktische Stilübung des Achtzehnjährigen in Form einer Messe zu handeln, daran er eines Tages, etwa da sie ihm unzulänglich schien, die Lust verlor. Angesichts der kirchenmusikalischen Meisterwerke Mozarts mag daher vielleicht die Ergänzung und Herausgabe'dieser Jugendarbeit als entbehrlich erscheinen. Am Ende aber ist doch jedes Notenblatt und jede Skizze auch des werdenden Mozart liebevollster Betreuung wert, gar, wenn es sich zu einem Werk ergänzt, das auf den Kirchenchören bald Heimatrecht haben dürfte.

Salzburg, Gestalt und Antlitz. Von Alois Schmiedbauer, Salzburger Verlag für Wirtschaft und Kultur. 287 Seiten, zumeist Lichtbilder.

Dieser Bildband, in dem die bekannten und die halbversteckten Schönheiten Salzburgs in ausgezeichneten und zum Teil wirklich unübertrefflichen Lichtbildern festgehalten sind — nur die Friedhöfe kommen unseres Erachtens ein wenig zu kur,z —, verdient durchaus, in der immer größer werdenden Reihe von Salzburg-Monographien an der Spitze zu stehen. Die Liebe, die in diesen Lichtbildern steckt, ist ebenso deutlich wie das ungewöhnliche Verständnis des Verfassers für das in einem Bilde Wichtige und Nebensächliche. Die geschichtlichen und historischen Anmerkungen zu den Photographien sind ausführlich und, soweit wir dies in Kürze feststellen konnten, fehlerlos. Ausstattung des Bandes: ausgezeichnet. Der Umschlag ist, vielleicht, ein wenig zu konventionell.

Dr. J. Mau the

Uberbewußtsein. Von Hubert J. Urban. Verlag Tyrolia, Innsbruck-Wien, 1950. 29 Seiten.

Die kleine Schrift legt in ausgezeichneter Weise dar, daß es nötig ist, dem Unbewußten beziehungsweise Unterbewußten als Gegenstück ein Uberbewußtsein an die Seite zu stellen. Es handelt sich hier um ein Teilproblem der großen, zweifellos fälligen Auseinandersetzung zwischen Phänomenologie und Tiefenpsychologie. Denn das Unbewußte kann letztlich überbewußte Erscheinungen Im Seelenleben erzeugen. Es ist sicher äußerst verdienstvoll, dieses Problem einmal anzuschneiden. Wir dürfen uns aber keinen Illusionen über die Lösung hingeben, denn von der sind wir noch weit entfernt. Wir hoffen, daß das Büchlein sein Ziel, die Diskussion über das Uberbewußtsein in Gang zu bringen, erreicht Dr. Wilfried D a i m

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung