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Ein neues Kirchenvolk

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In diesem Jahr, in dem das Bundesland Burgenland das Gedenken seines 40jährigen Bestehens feiert, sind es zugleich 39 Jahre, daß das Gebiet des heutigen Burgenlandes zu einer neuen kirchlichen Einheit zusammengefügt wurde und der provisorische Kirchensprengel den Namen „Apostolische Administratur Burgenland“ erhielt. Vom Anfang an mußten also beide Gemeinschaften, das Bundesland und die Apostolische Administratur, das gleiche Los teilen und hatten mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es galt, möglichst rasch funktionierende politische und kirchliche Verwaltungskörper aufzubauen, damit die Übergangszeit alsbald gemeistert werden konnte.

Damals wurde auf politischer und kirchlicher Seite — das darf man nach 40 Jahren fest stellen — zäh und entschlossen ein Aufbauwerk in Angriff genommen, auf das die Burgenländer stolz sein können.

Der neue staatspolitische Status des Kirchengebiete stellte die kirchliche Führung, die ebenso neu war, über die administrativen Agenden hinaus vor eine historische und schöpferische Aufgabe. Aus dem Klerus und den Gläubigen, die aus zwei verschiedenen Mutterdiözesen und aus drei Volksgruppen kamen, mußte ein neues Kirchenvolk geformt werden, das sich innerlich zusammengehörig fühlte und sich zu einer neuen Aufgabe verbunden und berufen wußte. Um diesen Zusammenschmelzungsund Neuformungsprozeß zu beschleunigen, wurden noch vor 193 8 verschiedene Institute geschaffen, darunter ein eigenes Knabenseminar, ein eigenes Priesterseminar, eine eigene katholische Lehrerbildungsanstalt und viele andere Einrichtungen. Sie sollten mithelfen, Priester und Laien in der neuen kirchlichen Gemeinschaft zu verwurzeln und zu beheimaten.

In relativ kurzer Zeit erkannten die Katholiken des Burgenlandes in dem vom Heiligen Stuhl gewiesenen Weg ihre Sendung für die Zukunft. Schrittweise wuchsen sie in den Geist und in das Profil des österreichischen Katholizismus hinein und wurden dadurch ein fester Bestandteil der Kirche in Österreich. Wie auf der politischen, entwickelte sich so alsbald auch auf der kirchlichen Ebene ein neues Selbstbewußtsein der Gläubigen, eine Eigenständigkeit des kirchlichen Wollens und ein eigener Stil des religiösen Lebens.

Mitten im stürmischen Aufbau wurde das hoffnungsvolle kirchliche Leben im Burgenland von einem fremden System und später vom Krieg überrascht. Das junge Werk, das man 16 Jahre hindurch mühevoll auf gebaut hatte, wurde über Nacht auf eine harte Probe gestellt. Wenngleich über die Jahre zwischen 1938 und 1945 für das kirchliche Leben unserer Heimat eine Zeit schwerer Prüfungen war, so war sie doch nicht minder eine Zeit der Läuterung, der Neubesinnung und Verinnerlichung, in der sich erwies, daß die Glaubenssubstanz unseres Volkes noch so stark war, daß äußerer Druck und Verfolgung sie nicht auslöschen konnte.

Als dann 1945 die Stunde der Freiheit schlug, wurde sofort mit dem Wiederaufbau begonnen. In vielem mußte man wieder von vorne anfangen, wollte man das Aufbauwerk der Vollendung entgegenführen. 15 Jahre dauerte diese Arbtit am Wiederaufbau, dann fand das Werk seine Krönung in der Erhebung der Apostolischen Administratur Burgenland zur Diözese Eisenstadt, die wir vor nunmehr einem Jahr erleben durften.

Viele Menschen waren es, die an diesem Aufbauwerk mitgearbeitet und ihm ihre bester Kräfte geschenkt haben. Wenn an dieser Stelle auch nicht alle aufgezählt werden können, sc seien doch die Namen der Kardinale Piffl und Inmitzer, von Brschof Schoiswohl und nicht zu letzt der Name des unvergeßlichen Apostolischen Nuntius, Erzbischof Dellepiane, die alle mit der Errichtung der Diözese Eisenstadt für immer verbunden bleiben, in Ehrfurcht und Dankbarkeit genannt.

Bei all der vielfältigen Aufbauarbeit am kirchlichen Leben des Burgenlandes ging es doch stets in erster Linie um das Leben des Glaubens und um eine neue Wirksamkeit für ihn. Einerseits sollte er unter den veränderten Verhältnissen erhalten bleiben und anderseits eine neue Aktivität gewinnen. Kirchenrechtlich ist die Entwicklung seit 1922 durch die Diözesan- errichtung im Jahre 1960 zum Abschluß gelangt; das Glaubensleben aber kennt keinen Abschluß, es muß weitergetragen, vertieft und weiterentwickelt werden, selbst dann, wenn sich die Verhältnisse wieder radikal ändern sollten. Kaum ist unser Kirchengebiet eine Diözese geworden, stehen im Jahre 1961 die burgenländischen Katholiken vor ähnlichen Problemen wie im Jahre 1922. Mußten de damals in ein neues

Staatsgefüge, in eine andersgeartete Kultur, Bildung und Lebensweise hineinwachsen, so erwartet sie heute eine nicht weniger schwierige und historische Aufgabe. Bischof, Klerus und Laien, die die Zeichen der Zeit verstehen, sind angesichts des Einbruches der Industrie und der Industriekultur ins Burgenland aufgerufen, die Strukturen des kirchlichen Lebens aus vier Jahrzehnten völlig umzubauen, anzupassen oder gar neu zu formen. Aus einer Kirche der vorherrschenden Bauernkultur muß eine Kirche des technischen Zeitalters werden, die sich großzügig der Industriekultur öffnet, damit in dieser der Glaube leben und wirken kann.

Diesen Anruf der Geschichte sollen die Katholiken des Burgenlandes klar ufid deutlich erkennen und darauf dort, wo sie in Diözese, Dekanat und Pfarre stehen, die entsprechende Antwort durch ihren Einsatz geben. Die erste Diözesansynode zeigt Priestern und Laien den Ort ihres Einsatzes, aber auch den Geist und die Methoden, die erforderlich sind, damit wir unserem historischen Auftrag gerecht werden können, der da heißt: das kirchliche Leben von den Quellen her erneuern und dem gesamten Leben unserer Heimat wieder ein christliches Antlitz zu geben.

längst Selbstverständlichkeit geworden waren. Die Kammern gab es nicht, das Land war mit Wien oder Niederösterreich gekoppelt, kein Landesgericht, keine Post- und Telegraphendirektion, keine Landeshypothekenanstalt und dergleichen mehr.

Das Schulwesen unentwickelt, bestand doch in Ungarn die Schulpflicht bis zum zwölften, in Österreich bereits bis zum vierzehnten Lebensjahr. Die Umstellung ging nicht ohne Schwierigkeiten vor sich. An Fachschulen mangelte es überhaupt. Es gab keine Bauernschulen, keine gewerblichen Fortbildungsschulen. Eine einzige Mittelschule und eine Lehrerbildungsanstalt hatte das Land in Oberschützen, Trägerin war die evangelische Kirchengemeinde. Daneben gab es eine geringe Anzahl von Bürgerschulen, wie unsere heutigen Hauptschulen damals genannt wurden.

Eine große Anzahl von Arbeitslosen, im Verhältnis größer als in allen anderen Bundesländern mit Ausnahme Wiens, trug nicht zur Konsolidierung bei. Der Lebensstandard unseres Volkes war der niedrigste in ganz Österreich. Die Preise der landwirtschaftlichen Produkte lagen oft weit unter den Gestehungskosten und nahmen die Lust an der landwirtschaftlichen Arbeit. i-SOj,

Als nach den Saftierungėn der österreichischen Währung Licht am Horizont auf strahlte, das eine bessere Zeit erahnen ließ, begannen die Umtriebe jener, die im Nationalsozialismus die Rettung sahen. Das Jahr 1938 machte viele günstige Ansätze zunichte, löschte Österreich von der Landkarte und teilte das Burgenland in zwei Teile; der Norden kam zu Niederdonau, der Süden zur Steiermark. Das Land war geteilt, riicht aber der gemeinsame Lebenswille eines Volkes, das in nicht ganz zwei Jahrzehnten ein gemeinsames geworden war.

Das Jahr 1945 bedeutete einen neuen Beginn. Die Wiedererrichtung des Burgenlandes stieß vorerst auf Widerstand, der aber dank des Einsatzes bewußter Burgenländer, an erster Stelle des nachmaligen Landeshauptmannes Dr. Karall, bald überwunden werden konnte.

Das Burgenland war in seiner Gesamtheit Kriegsgebiet gewesen. Zerstörung auf allen Gebieten in einem Ausmaß wie in keinem anderen Bundesland.

Die Aufbauarbeit begann trotz der Besatzungsmacht, die es den Behörden oft sehr schwer machte. Es konnte bei 1934 beziehungsweise 193 8 angeknüpft werden. Ein demokratisches Leben entwickelte sich in einer Form, wie es in der Ersten Republik nicht oft möglich war. Man hatte aus der Vergangenheit gelernt. Auch die Anwesenheit der Besatzungsmacht trug dazu bei, daß die beiden großen Parteien zueinander fanden und gemeinsame Wege beschritten, um die Fülle der Probleme einer Lösung zuzuführen.

Das Volk ging an die Arbeit, mit zusammengebissenen Zähnen. Zuerst mußte das tägliche Brot herbeigeschafft werden. Eine große Hilfe waren die Sendungen der Verwandten aus Amerika. Sie kamen in einer derartigen Menge, so daß viele Menschen unseres Landes Jahre hindurch mit amerikanischen Erzeugnissen bekleidet waren.

Landtag und Regierung arbeiteten sehr zielbewußt. Die Budgetmittel wurden auf die dringendsten Fälle verteilt, um diese rasch aus der Welt zu schaffen. Straßen und Brücken waren zerstört und mußten raschest instandgesetzt werden, um den notwendigen Verkehr zu ermöglichen. Der Bund stellte Beträge für die Bundesstraßen zur Verfügung. Heute ist die bereits erwähnte Nord-Süd-Verbindung zum Großteil fertiggestellt, andere Straßenstücke ebenfalls, und man rühmt dem Lande nach, daß es gute Straßen habe. Brücken wurden gebaut, Güterwege neu ausgeführt. Sie waren für die Zubringung der Waren an das Hauptstraßennetz dringend notwendig. Die Elektrifizierung wurde in Angriff genommen und ist heute praktisch

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