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Ein Ordensregen

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Eine sowjetische Armeedelegation brachte mehrere Koffer voll Orden nach Warschau, darunter mehr als ein Dutzend Lenin-Orden für die polnischen Kameraden, was in Sowjeteuropa nicht an jedem Tag geschieht. Dem Staatschef Marschall Marian Spychalski heftete Marschall Andrej Gretschko selbst den Lenin- Orden an die Brust — am 25. Jahrestag der polnischen Volksarmee. Am selben Tag wurden in der Warschauer Sowjetbotschaft der Verteidigungsminister Wovcziech Jaruzel ski und 12 andere polnische Generäle, die für die „Aktion CSSR“ verantwortlich zeichneten, ebenfalls mit Lenins Medaille dekoriert.- Eine Unmenge von Offizieren in den verschiedensten Rängen erhielten Auszeichnungen.

Eine Überraschung war nur, daß Moczar bei allen Feiern und Besprechungen war, was damit erklärt wurde, daß er seit Frühjahr 1968 als Sekretär des Zentralkomitees in der höchsten Parteiführung für alle militärischen Angelegenheiten die Ver antwortung trägt. Was, wenn eines schönen Tages Moczar alle polnischen bewaffneten Kräfte mit Hilfe seiner russischen Gönner in die Hand bekommt?...

Vorläufig sind wir nur bei der gegenseitigen feierlichen Beweihräucherung. Auch in der Sowjetunion wurde der „Tag der polnischen Armee“ diesmal feierlich begangen. Unter der Leitung des Vize-Verteidigungsministers, General Boleslaw Chocha, traf eine große polnische Militärdelegation in Moskau ein. Selbst Marschall Iwan S. Konjew und General Sergej Sokolow begrüß ten das Treffen. Der Abendempfang des polnischen Botschafters, Jan Ptasinski, erinnerte an glänzende, prunkvolle, zaristische Tradition.

Und wieder: Moczar

Einige Tage später fand in Weißrußland in Lenino eine wichtige gemeinsame Militärzeremonie statt, zur Erinnerung der Schlacht am 12. Oktober 1943. Am 15. Oktober 1968 wurde dort ein Mausoleum ein- geweiht zu Ehren der polnischsowjetischen Waffenbrüderschaft. Wen überrascht es, daß die große polnische Militärabordnung vom „Chefpartisan“ Moczar angeführt war? Er lobte die Kohäsion des polnisch-russischen Militärbündnisses und die Stärke der Warschauer Mili- tärkoalition, die vor „Bonner Militaristen und Revanchisten“, vor „Konterrevolution“ ä la CSSR für ewig und garantiert schützen soll... Aber wo waren Gomulka und Gierek? Vor den Rampen agierte bei allen wichtigen Anlässen ihr großer Rivale Mieczyslaw Moczar!

Ein Mann namens Mikolaj Demko

Höchste Zeit, daß wir das Porträt des „starken Mannes“ aus Lodz skizzieren. Er ist im Jahre 1913 geboren und in seinem Taufschein steht der Name: Mikolaj Demko. Ein Mieczyslaw Moczar wurde niemals geboren. Sein Vater war ein weißrussischer, zaristischer Polizist, der dienstlich nach Lodz versetzt wurde. Alle diese Kleinigkeiten mußten in seiner Biographie bis heute unterschlagen werden. Die Umdichter der Familiengeschichte machten aus dem Vater einen Arbeiter und glühenden polnischen Kommunisten. Moczar-Demko nennt sich ebenfalls Arbeiter und behauptet, seit 1937 KP-Mitglied gewesen zu sein. Dies dürfte stimmen, weil die polnische Polizei ihn 1938 wegen zersetzender Aktivität ins Gefängnis steckte, von wo er nur nach dem Ausbruch des Krieges im Herbst 1939 entlassen wurde. Er ging in den Untergrund und bildete 1941 eine kommunistische Zelle in Lodz, wo er ein Jahr später eine kommunistischen Partisaneneinheit aufstellte.

1943 wurde Moczar Partisanenkommandeur im Distrikt Lublin, dann im Jahre 1944 in der Umgebung von Kieice. Unter dem Titel: „Barwy walki“ (Schlachtgéschrei) gab er seine Kriegserinnerungen später, 1962, heraus. Zwischen 1945 und 1948 war er in Lodz Chef des öffentlichen Sicherheitsbüros, danach nur für zwei Monate stellvertretender Minister für innere Sicherheit und wurde im Juli 1948 nach Ostpreußen, nach Olsztyn, versetzt, als Vorsitzender des Woiwodschaft- Volksrates. Dies war ein Beweis des Vertrauensmangels seitens der Stalinisten, wegen seiner Partisanenvergangenheit und früherer Verbindungen zu Gomulka hat Moczar 1952 denselben Posten in der Woiwodschaft zu Bialystok, 1954 in der Woiwodschaft Warschau erhalten.

Endlich war er „nahe zum Feuer“, wo man den Braten seines Lebens grillieren kann. Im April 1956 war er zum Minister für Staatsgüter ernannt, nach den Unruhen im Jahre 1956 war er schon am Ziel: Er zog als Stellvertretender Innenminister ein. 1964 wurde Moczar Innenminister. Schon im Jahre 1963 zog er die Aufmerksamkeit damit auf sich, daß er innerhalb der Partei die später so gefürchtete „Partisanengruppe“ ins Leben rief. Im September 1964 wurde er Leiter der Organisation der Kriegsveteranen, ein Sprungbrett mehr in Richtung höchster Massenführung. Die ZBoWiD war die beste Propagandaplattform für ihn, dessen Parteikarriere hinter der im Staatsapparat nachhinkte. Er war zwar seit dem I. Parteikongreß 1945 ZK-Mitglied, wurde aber wiederholt wegen „Rechtsextremität“ kritisiert. Roman Zambrowski war es zu verdanken, daß Moczar-Demko im September 1948 seine ZK-Mitgliedschaft verlor. Nur im Juli 1956 konnte er als Vollmitglied in das Zentralkomitee zurückkehren.

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