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Ein Pfingstbuschen Edelwei

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Am Pfingstsonntag finden in Italien die Wahlen für die römische Kammer und den römischen Senat statt.

Während in ganz Italien der Wahlkampf ausschließlich zwischen ungefähr zehn Parteien tobt, von denen die Christlichen Demokraten und die Kommunisten die größten Fraktionen bilden, ist der Wahlkampf für Südtirol mehr oder weniger ein Rechenschaftsbericht darüber, ob sich die deutschsprachige Bevölkerung noch in der Mehrzahl befindet.

Die letzten Landtagswahlen im Jahre 1956 waren hiermit für die Italiener eine große Enttäuschung, da die Edelweißliste um 12.000 Stimmen mehr erzielte als bei den Kammerwahlen im Jahre 1952 und die Südtiroler Volkspartei mit 124.114 Stimmen um 96.496 Stimmen mehr erzielte als die stärkste italienische Partei, die Christlichen Demokraten. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Zahl der italienischen Wahlberechtigten sich von 1948 bis 1956 um über 30 Prozent erhöhte; trotzdem konnten die Italiener keinen Fortschritt erzielen.

Wenn man nun am Vorabend der neuen Wahlen die politische Situation in Südtirol betrachtet, so läßt sich kurz folgendes sagen:

Die Italiener behaupten, der Südtiroler Vertrag vom 5. September 1946 sei in allen seinen Teilen erfüllt und im übrigen eine rein innenpolitische Angelegenheit, die keinen anderen Staat etwas angehe.

Die Tatsachen sprechen anders. Die Art der Prozeßführung gegen die sieben Bauernburschen von Pfunders war juristisch bedenklich. Selbst die italienischen Rechtsanwälte, nicht nur der Verteidiger Prof. Perego, sondern auch der Vertreter der Zivilpartei, mußten feststellen, daß dieser Prozeß ein „Indizienprozeß ohne Mordbeweis“ gewesen ist.

Da sind ferner die „Anklagen“ gegen dreizehn Mitglieder der Südtiroler Volkspartei wegen Verunglimpfung Italiens und wegen desselben angeblichen Deliktes gegen den derzeitigen Generalsekretär der Südtiroler Volkspartei, Dr. Hans S t a n e k.

Wirtschaftliche Betrachtungen ergeben kein besseres Bild. Durch die Arbeitsweise der italienischen Arbeitsämter sind jährlich dreitausend Südtiroler gezwungen, in die Fremde zu gehen, weil sie in der eigenen Heimat durch die Ueberflutung italienischer Arbeiter keine Arbeit mehr finden können. Auch die Erhaltung der italienischen Industriezone in Bozen kann nur mit ungeheuren Opfern aufrechterhalten werden. Nichtsdestoweniger wurde nun auch ein neues Feuerwehrhaus in Bozen errichtet, für das wieder deutsches Weinland verwendet wurde.

Lichtpunkte dagegen gibt es wenige. So wurde endlich das Gesetz über “Pension und Renten der Kriegsbeschädigten, Kriegswitwen und -waisen erledigt, die bis dahin, also ganze zwölf Jahre, keinerlei Unterstützung seitens der italienischen Regierung erhalten hatten. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Regionalrat hat sich gebessert, wenn auch immer wieder die italienische Industrie gegenüber den deutschen Bedürfnissen bevorzugt wird.

Die wichtigste Aufgabe, die die Vertreter Südtirols in der neuen Kammer erwarten wird, ist wohl die noch von den bisherigen Abgeordneten eingebrachte Gesetzesvorlage zur Schaffung der eigenen Provinzialautonomie für die Provinz Bozen und die Lostrennung Südtirols von der Region „Südtirol-Trentino“.

Dieser Gesetzesentwurf muß von der neuen Kammer behandelt werden. W i e er behandelt werden wird, ist eine Frage der Zusammensetzung der neuen italienischen Kammer, aber auch in erster Linie eine Frage der Haltung der Südtiroler Bevölkerung bei den Wahlen, denn eine Aussicht auf Erfolg können die neuen Südtiroler Abgeordneten nur dann haben, wenn hinter ihnen die ganze deutschsprachige Bevölkerung geschlossen steht.

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