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Ein prophetisches Dokument

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„Wir sind treue Glieder der römisch-katholischen Kirche und werden es immer bleiben. Wir anerkennen den Heiligen Vater als das sichtbare Oberhaupt der Kirche und unterwerfen uns ihm in allen Fragen des Glaubens, der Sitten, der kirchlichen Disziplin und allen Angelegenheiten, die mit dem Seelenheil der Gläubigen Zusammenhängen … Stets wollen wir treue Glieder der römisch-katholischen Kirche bleiben als überzeugte Vertreter der Lehre Christi, die Richtlinie für das Leben des einzelnen wie der Völker ist ..

Als Einleitung eines Aufrufes einer „Katholischen Aktion“ klingen diese Worte nicht außergewöhnlich — sie jedoch in größter Aufmachung im Zentralorgan der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, dem „Rudž Pravo“, zu lesen, läßt aufhorchen.

In seiner Enzyklika „Divini Redemptoris“, die 1937 erschien, befaßte sich Papst Pius XI. mit dem atheistischen Kommunismus; zu einer Zeit, da der Angriff des Kommunismus auf die christliche Welt noch nicht die kulturelle Ordnung weiter Gebiete Europas aus den Fugen geschleudert hatte, sagte er darin bis in die kleinsten Einzelheiten eine Entwicklung voraus, deren Wirklichkeit wir heute in unmittelbarer naher Sicht erleben.

„So beobachten die Häupter des Kommunismus“ — sagte die Enzyklika „etwa das allgemeine Verlangen nach Frieden und geben sich daher, als wären sie die eifrigsten Förderer und Propagandisten der Weltfriedensbewegung.“ Und jetzt lesen wir in dem Prager Aufruf jener pseudokatholischen Aktion wörtlich:

„Wir, die wir die schrecklichen Leiden des letzten Krieges erlebt haben, der unserem Volk so Grauenvolles gebracht hat, sind im Geiste der Lehre Christi überzeugte Verfechter des Friedens innerhalb des Volkes und unter den Völkern … Wir schließen uns den Stimmen der Friedenskongresse in Paris und Prag an und rufen alle Mitbrüder im Glauben auf der ganzen Welt zur Mitarbeit auf, für den Frieden nicht nur zu beten, sondern für ihn einzutreten und ihn mit allen Mitteln zu verteidigen.“

Das feierliche päpstliche Rundschreiben von 1937 sagte:

„So laden sie (die Häupter der Kommunisten) die Katholiken ein, mit ihnen auf dem sogenannten humanitären und oaritativen Gebiet zusammenzuarbeiten und machen gelegentlich Vorschläge, die in allem dem christlichen Geist und der Lehre der Kirche entsprechen.“ Der Aufruf der Prager pseudbkatholischen Aktion zählt die Errungenschaften der volksdemokratischen Republik auf — Bodenreform, Verstaatlichung, Kinderbeihilfen, Volksversicherung — und folgert daraus: „Wir, Priester und gläubigen Katholiken, freuen uns aufrichtig darüber, denn wir erblicken darin die praktische Verwirklichung der Lehre Christi von der Nächstenliebe.“

Die Enzyklika:

„Unter dem Vorgeben, man wolle nur das Los der arbeitenden Klasse verbessern, die wirklichen Mißbräuche der liberalen Wirtschaftsführung beseitigen und zu einem besseren Ausgleich der Besitzverhältnisse auf Erden gelangen — Ziele, die zweifellos ihre volle Berechtigung haben — … gelingt es, auch solche Kreise der Bevölkerung in die Einflußsphäre des Kommunismus zu ziehen, die grundsätzlich jeden Materialismus und jeden Terror ablehnen.“

Zu dieser Stelle der Enzyklika von 1937 lautet das Gegenstück aus dem Prager Aufruf von 1949:

„Wir verurteilein den Kapitalismus als die Verkörperung des Egoismus im Wtrtschafts- und Privatleben. Es unterliegt keinem Zweifel daß der Kapitalismus als wirtschaftliches und soziales System durchaus antidiristlich und sündhaft ist … Die durchgreifenden sozialen Änderungen, die in unserer volksdemokratischen Republik gesetzlich verankert und bereits durchgeführt wurden, überzeugen auch unsere gläubigen Katholiken, daß der von uns betretene Weg zum Sozialismus der Weg zu einer höheren und vollendeteren Menschheit ist “

Die Prager Kundgebung spricht von der „neuen Sozialordnung“ im Geiste der großen Ideale von Gleichheit, sozialer Gerechtigkeit und dauerndem Frieden und rühmt:

„Das Volk der tschechoslowakischen Republik steht in den ersten Reihen der Schöpfer einer besseren Welt, in der die Klassengegensätze beseitigt werden, die Ausbeutung der Menschen durch ihre Mitmenschen aufhört und in der alle Menschen das Recht haben werden, in Frieden und Ruhe die Geschenke Gottes zu genießen.“

Diesem Trug waren die Worte der Enzyklika vorausgceilt: „Ein falsches Ideal von Gerechtigkeit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der Arbeit durchglüht seine gesamte Lehre und Tätigkeit mit einem gewissen Mystizismus, der die mit trügerischen Versprechungen gewonnenen Massen in den suggestiv um sich greifenden Enthusiasmus eener mitreißenden Bewegung versetzt… So gründen sie unter Benennungen, die auf den Kommunismus nicht einmal anspielen, Vereinigungen und Zeitschriften, die dann einzig dazu dienen, ihre Ideen in Kreise zu bringen, die ihnen sonst nicht leicht zugänglich sind, ja, sie suchen sogar durch Trug und List in katholische und religiöse Vereinigungen einzudringe n.“ Ausgerechnet als „Katholische Aktion“ — als Caritas, im Gewände eines Mitteilungsblattes für den katholischen Klerus und einer angeblich katholischen Zeitschrift, „Christliche Frau“, tritt heute der Kommunismus in der Tschechoslowakei auf, und die täuschende Hülle, von der das päpstliche Rundschreiben spricht, unter der sich der Kommunismus oft verbirgt, fehlt auch nicht in dem Prager Aufruf mit der Forderung nach Verstärkung des religiösen Lebens, nach enger Zusammenarbeit zwischen Laien und Priestern, Garantie einer religiösen Kindererziehung, Verbreitung der katholischen Presse, Finanzierung der Kirchenerhaltung und der Kultusausgaben durch den Staat, „Wenn manche Getäuschte zum Siege des Kommunismus in ihrem Lande beitragen würden, gerade sie werden als erste Opfer Ihres Irrtums fallen“, warnt die Enz y- klika — der Februar des vorigen Jahres hat es deutlich genug bestätigt und Männer aller weltanschaulichen Richtungen — nicht allein Katholiken — haben diese von Pius XI. warnend ausgesprochene Wahrheit am eigenen Leibe erfahren.

Man wird die Unterschrift jener Mitglieder des „Ausschusses der Katholischen Aktion“, die kürzlich in Prag zu einer Manifestationsversammlung der Priester und Gläubigen in das Repräsentationshaus der Stadt Prag zusammengeholt worden waren, und die Zustimmungserklärungen „tausender Gläubiger und tausender Priester“ zu ihrem Aufruf — für die Kreise Ostrau und Gottwaldstadt wird ihre Zahl im „Rudö Pravo“ zum Beispiel mit 18.000 angegeben und die Liste ihrer Namen fortlaufend abdruckt — nicht durchaus als Opfer unmittelbaren Zwanges und Terrors oder einfach als Fälschung bezeichnen dürfen. Zu groß war die Verwirrung und die durch die Unterbindung aller Nachrichtenwege hervorgerufene Ahnungslosigkeit, die durch unglaubliche Verstellung auf der einen, aber auch durch Leichtgläubigkeit auf der anderen Seite anigeriditet worden war. Und abermals hatte jene prophetische Enzyklika recht, wenn sie von einer „wahrhaft dämonischen Propaganda“ spricht, „wie sie die Welt vielleicht bisher noch nicht gesehen hat, die, von einem einzigen Zentrum geleitet, äußerst geschickt den Lebensbedingungen der verschiedenen Länder angepaßt ist“.

Es wäre nicht so weit gekommen, wenn jeder tschechische Katholik diese aus tiefster Sorge des päpstlichen Völkerhirten entsprungene Enzyklika gelesen und ihre Weisheit sich zu eigen gemacht hätte. Diese Worte sind nicht als Vorwurf an andere gemeint, vielmehr nur als eine Mahnung .in uns selbst; die Enzyklika „Divini redemptoris“ hat nämlich zwei Untertitel: „Gegen den atheistischen Kommunismus“ lautet der eine, der andere aber „Für soziale Gerechtigkeit und Liebe“ — und beide Teile gilt es zu kennen und danach zu handeln.

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