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Ein Rendez-vous für Hunderttausende

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dieFurche: Ist die Feier mit der,Jugend am 18. Jänner im Wiener Dom der Startschuß für Österreichs Forbereitung des Weltjugendtreffens in Paris?

Renato Boccardo: Nach dem, was ich gesehen habe, sind da schon seit einiger Zeit Vorbereitungen im Gange. Die Anwesenheit des Weltjugend-Kreuzes, das auf der ganzen Welt unterwegs ist, stellt bei dieser Feier einen gewissen Höhepunkt in diesen Vorbereitungen dar.

dieFurche: Sie sprechen von einem besonderen Kreuz Worum geht es dabei?

Boccardo: 1983/84 fand das Heilige Jahr der Erlösung statt. Bei dieser Gelegenheit gab es Wallfahrten aus der ganzen Welt nach Rom. Auch die Jugendlichen wurden zum Palmsonntag für drei Tage des Austausches, des Fei-erns und Betens eingeladen. Am Ostersonntag bei den Abschlußfeierlichkeiten für das Heilige Jahr übergab der Papst den Jugendlichen ein großes Holzkreuz mit den Worten: „Ich vertraue euch dieses Zeichen der Erlösung an. Tragt es in dieWelt. Sagt allen, daß nur in Christus das Heil und die Erlösung sind.“ Ohne besondere Planung wurde das Kreuz von da an in der Welt weitergegeben und so zum Zeichen für die Gemeinschaft der Ju gend der Welt mit dem Papst. 1987 kam es nach Buenos Aires. Dort fand das erste internationale Weltjugendtreffen statt. Seitdem nahm das Kreuz bei allen Treffen einen Ehrenplatz ein.

dieFurche: Wo fanden diese Treffen bisher statt?

Boccardo: 1984 hatten die Organisatoren das Kommen von 60.000 Jugendlichen erwartet. Es kamen aber 300.000. Das Jahr darauf hatte die UNO zum Jahr der Jugend erklärt. Da wurde ein weiteres Treffen in Rom veranstaltet. Wieder kamen 300.000 junge Menschen. Daraus schloß der Papst, daß solche Zusammenkünfte, einer Erwartungshaltung der Jugend entsprechen dürften. So lancierte er die Weltjugendtage: Jedes Jahr als Diözesantreffen mit dem Bischof und alle zwei Jahre ein internationales Treffen mit dem Papst. So begann eine Art Wallfahrt rund um die Welt: 1987 Buenos Aires, 1989 Santiago de Com-postela, 1991 Tschenstochau, 1993 Denver, 1995 Manila, 1997 Paris.

dieFurche: Gibt es bei Weltjugendtreffen ein bestimmtes Programm?

Boccardo: Im Zuge der Entwicklung hat sich ein umfassendes Programm herauskristallisiert: Vor dem Treffen selbst, findet das Internationale Forum der Jugend, eine Begegnung junger Delegierter der Bischofskonferenzen und der großen Bewegungen, statt. Fünf Tage hindurch wird gemeinsam über das Thema nachgedacht und Erfahrungen ausgetauscht. In Manila gab es Delegierte von 107 Bischofskonferenzen und von 39 internationalen Bewegungen, rund 300 Personen.

dieFurche: Entsteht da eine Gemeinschaft unter so vielen?

Boccardo: Ja. Das ist eines der schönsten Merkmale des Forums. Jugendliche öffnen sich ja leicht für die Gemeinschaft. Da werden Arbeitsgruppen gebildet, in denen Jugendliche aus Ost und West, Nord und Süd, aus ver schiedenen Kontinenten gemischt werden. Nach dem Forum findet das eigentliche Weltjugendtreffen statt: Am Dienstag eine Eröffnungsmesse. Dann drei läge Katechese: Jedes Treffen steht unter einem Generalthema, das der Papst festlegt und zu dem er eine Botschaft verfaßt. Vormittags sprechen dazu die aus der ganzen Welt angereisten Bischöfe in ihrer Landessprache. Nachmittags gibt es eine Fülle von Programmen: Anbetung, Gespräche mit Priestern, Beichte, kulturelle Veranstaltungen ... Manche Bewegungen (die Pfadfinder, die Focco-lare) organisieren eigene Treffen.

dieFurche: Stoßen Fernstehende dazu?

Boccardo: Der Papst möchte die Jugend einladen. Punktum. Sicher fühlt sich die in der Kirche engagierte eher angesprochen. Gott sei Dank stoßen aber auch andere dazu, sei es, weil sie davon gehört haben, weil sie ein Freund eingeladen hat, sei es, weil sie auf der Suche sind ...

dieFurche: In den deutschsprachigen Ländern scheint dieses Anliegen nicht besonders gut anzukommen

Boccardo: Meinem Eindruck nach haben die Menschen dort gewisse Reserven gegenüber Großveranstaltungen. Ich würde ihnen aber gerne -dem Thema der Veranstaltung entsprechend sagen: „ Kommt, und seht!“

dieFurche: Fiele meinen, bei so einem Treffen herrsche zwar Euphorie, man schare sich um einen Star, den Papst, bade in der Masse - und dabei bleibe es...

Boccardo: Für manche mag das so sein. Ich betone: Die Früchte hängen vor allem von der Vor- und Nacharbeit ab - mehr als vom Treffen selbst. Der Weltjugendtag - obwohl er fünf Tage dauert - kann durchaus nur zu einem großem Fest, einem Jahrmarkt der katholischen Jugend werden. Das ist klarerweise nicht das Anliegen. Es ist wichtig, daß die Jugendlichen zu Hause entsprechend in den Pfarren aufgenommen und begleitet werden.

dieFurche: Welche Erfahrungen gab es bisher?

Boccardo: Eines ist klar: Weltjugendtreffen sind nicht die Lösung schlechthin, sie sind ein Ansatz der Verkündigung unter vielen. Nun aber zu den Erfahrungen. Zunächst: Was sich im Herzen des Menschen abspielt - da ist kein Außenstehender dabei. Aber was sieht man? Ich treffe in den Seminaren und Ordenshäusern überall in der Welt Junge, die sagen: Es war bei einem Weltjugendtreffen, daß ich mich entschieden habe. Vorher hatte ich gezögert - und dort ja gesagt. Oder: Mir ist beim Weltjugendtreffen erstmals ernsthaft die Idee gekommen, diesen Weg zu wählen. Oder: Es gibt Paare, die entschließen sich bei dieser Gelegenheit zu heiraten. Ich habe einige solche Paare getraut. Dann gibt es Früchte, die in einem stärkeren Engagement in der Kirche ihren Ausdruck finden. Ich kenne Jugendliche, die gesagt haben: Ich gebe ein Jahr meines Lebens im Dienste der Ärmsten. Bin diesen Treffen gibt es immer einen Appell zur Solidarität. Es wird den Jungen ein Projekt vorgeschlagen. In Denver etwa war es die Unterstützung eines Spitals für aids-kranke Jugendliche in Uganda, in Manila eine Initiative für Jugendliche in Buanda ...

dieFurche: Sie sagten, daß man die Jugendlichen zur Beichte einlädt Wird dieses Angebot angenommen?

Boccardo: Zweifellos. Vor allem am Samstag abend. Da ist ein Nachtgebet und am darauffolgenden Morgen die Messe mit dem Papst. Da schlafen die Jugendlichen im Freien. Ich kann Ihnen versichern: Priester, die den Mut haben, an diesem Abend bei ihnen zu bleiben, verbringen die Nacht damit, Beichte zu hören. Wo Jugendliche begreifen, daß man beim Beichten die Erfahrung der Liebe Gottes macht, sind sie sehr empfänglich für das Angebot. Ein Beispiel: Ein Priester hat uns nach dem letzten Weltjugendtag geschrieben, er wolle den Jugendlichen danken, die seine geistige Vaterschaft angenommen, seinen priesterlichen Dienst gesucht haben: um eine Frage zu stellen, ihre Hoffnungen und Sorgen mit ihm zu teilen, die Vergebung Gottes zu erbitten.

dieFurche: Ist der Weltjugendtag also auch für Priester, die die Jugend begleiten, eine wichtige Erfahrung?

Boccardo: Wir haben das Zeugnis von Bischöfen, die uns sagen: Als ich die Jugend begleitete, faßte ich Zuversicht. Ich sah, daß ich mit den Jungen reden kann, daß der Dialog möglich ist. Ich hatte immer gedacht, ich sei zu weit von ihnen entfernt. Da habe ich ihr Leben geteilt und gesehen, daß ein Gespräch möglich ist. Und die Jungen sagen: Zum ersten Mal habe ich mit einem Bischof gegessen, drei Tage mit ihm zusammengelebt, mit ihm gesprochen. Es entsteht Nähe.

dieFurche: Nun kommt also Paris: Wieviele Teilnehmer erwarten Sie?

Boccardo: Zahlen würde ich lieber nach dem Treffen nennen. Erste Schätzungen gehen von 300.000 Teilnehmern während der ganzen Woche aus. Am Wochenende könnten es doppelt so viele werden oder mehr.

dieFurche: Entspricht das den Zahlen der bisherigen Treffen?

Boccardo: In Santiago waren es rund 500.000, in Tschenstochau mehr als 1,5 Millionen, in Denver 650.000 und in Manila fünf Millionen.

Das Gespräch führte

Christof Gaspari

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