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Ein vorweggenommener Pakt

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Die Frage, ob es einen dritten Weltkrieg geben wird oder nicht, ist für die unmittelbare Zukunft durch das „Gleichgewicht des Schreckens“ beantwortet. Die nicht zu bändigende Gewalt der nuklearen Waffen, vor allem die Unmöglichkeit einer wirksamen Verteidigung gegen einen nuklearen Angriff, hat in der Welt sent 1945 einen allgemeinen Friedenswillen realisieren lassen. Dieser Behauptung widerspricht nicht die Tatsache „kleiner“ Kriege — Korea, Vietnam, Israel —, bei denen es zu keinem Einsatz nuklearer Waffen kommt. Was früher das Wesen der europäischen Gleichgewichtspolitik ausmachte, ein Gleichgewicht, das durch Kriege Staaten, zur Atomrüstung übergingen, weil hier die Summe dieser Rüstungen, je nachdem, zu welcher Seite sie im Ernstfall zugezählt werden müßten, das Gleichgewicht stören könnten.

Die Einladung, den Verzichtsvertrag zu unterschreiben, ergeht natürlich an alle nichtatomaren Staaten, und auch Österreich wird vor diese Frage gestellt — und wird den Vertrag unterzeichnen. Wenn der österreichische Außenminister zusätzlich dazu erklärte, daß Österreich unter den ersten Vertragsunterzeicbnern sein wird, so hat das nur deklamatorischen Wert und entspricht mehr einer emotionalen als einer nüchternen Überlegung. Es gibt nämlich von Atomwaffen halten wird. Ja, man könnte sogar fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, wenn Österreich eine Vertragsverpflichtung zweimal eingeht. Denn bedeutet nicht die zweite Verpflichtung in derselben Sadie, daß die erste nicht ernstgenommen wird? Das ist sicherlich nur eine theoretische Spekulation, sollte aber die Bundesregierung doch veranlassen, anläßlich der Unterzeichnung des Nonproliferatiionsver- trages darauf hinzuweisen, daß sich Österreich in der Frage der Nuklearwaffen selbstverständlich an seine staatsvertragliche Verpflichtung hält, den zweiten Vertrag daher nur als einen Akt des guten Willens und der Zustimmung zu einer weltweiten

Diese Überlegungen führen auch wiederum zu der vor und nach dem Staatsvertrag in Österreich oft diskutierten Frage, ob es überhaupt einen Sinn hat, eine österreichische Wehrmacht aufzustellen. Die Gegner argumentierten etwa so, daß Österreich im Falle eines Krieges infolge seiner geographischen Lage und seiner beschränkten finanziellen Möglichkeiten zum Ausbau einer Landesverteidigung sowieso keine echten Chancen besitze. Diese Überlegung ist aber falsch. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß das Gleichgewicht des Schreckens geeignet ist, einen dritten Weltbrand zu verhindern. Aber ebenso ist es Tatsache, daß es örtlich beschränkte Kriege trotzdem gibt. Die Aufgabe der österreichischen Landesverteidigung ist es daher, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um sich gegen einen solchen kleinen Krieg, so gut es eben geht, zu verteidigen. Daß da noch viel mehr geschehen immer wieder gestört und hergestellt wurde, ist heute im Weltmaßstab die berechtigte Furcht auf allen Seiten, daß die Welt einen dritten Weltkrieg, bei dem es ohne Zweifel zur Verwendung der Nuklearwaffen käme, kaum überleben dürfte beziehungsweise daß ein solcher Krieg auch für einen allfälligen Sieger infolge seiner weltweiten Zerstörungen wirtschaftlich sinnlos geworden wäre. Die Eroberung von Gebieten, die durch den Einsatz von Nuklearwaffen zerstört sind, beziehungsweise die zumindest weitgehende Zerstörung der eigenen Gebiete werfen jede „Rentabilitätsrechnung“ eines Feldzuges über den Haufen. In dieser Überlegung spielt auch das Überraschungsmoment keine Rolle mehr, weil selbst wenn einer der beiden großen Atommächte, USA oder Sowjetunion, plötzlich vom Gegner mit Nuklearwaffen überfallen würde, der Überfallene immer noch über die Möglichkeit verfügen würde, wenigstens einen furchtbaren Gegenschlag zu führen. Das war auch das große strategische Konzept des nun zürückgetretenen amerikanischen Verteidigungsministers Mac- Nantara, der auf dem Standpunkt steht, daß, weil es eine wirksame Abwehr gegen einen Angriff von Atomwaffen sowieso nicht gibt, die Anlage von Verteidigungseinmchtun- gen keinen Sinn hätte und es daher genüge, wenn die Vereinigten Staaten immer so stark blieben, daß sie im Falle eines Nuklearangriffes den Gegenschlag führen können. In der Sowjetunion denkt man anscheinend anders und hat daher auch eine große innerpolitische Propaganda mit der sogenannten Unverwundbarkeit des Sowjetgebietes durch Atomwaffen gestartet. Ob das in Wirklichkeit eben nur eine aus innerpolitischen Gründen notwendige Propaganda ist oder ob die russischen Militärsachverständigen wirklich dieser Auffassung sind, läßt sich im Augenblick noch nicht beurteilen.

Es ist klar, daß die Frage der Ausweitung des Besitzes von Atomwaffen ein Problem darstellt, das für diese Aufrechterhaltung des Schrek- kensgleichgewichtes von Bedeutung ist. Aus dieser Überlegung heraus resultieren die Bemühungen der beiden großen Atommächte, durch den sogenannten Nonproliferationsvertrag die atomaren Staaten zum Verzicht auf den Bau von Atomwaffen zu bewegen. Es spielt dabei keine wesentliche Rolle, daß einige wichtige Staaten, wie zum Beispiel Frankreich, nicht die Absicht haben, einen solchen Vertrag zu unterschreiben. Eine französische Atomrüstung kann schon rein quantitativ nie so umfangreich werden, daß sie das Atomgleichgewicht ernstlich stören könnte. Anders wäre diese Frage zu beurteilen, wenn viele andere, auch kleinere einen Aspekt, aus dem heraus es nicht so ganz klar ist, daß Österreich diesen Vertrag unterzeichnen wird, denn Österreich hat schon einen Vertrag unterzeichnet, mit dem es sich verpflichtet, auf die Erzeugung und den Besitz von Atomwaffen ein für allemal zu verzichten: den Staatsvertrag von 1955. Die Frage ist daher berechtigt, ob eine nochmalige Verzichtserklärung durch Beitritt zum Nonproliferationsvertrag für Österreich überhaupt notwendig ist. Ja, man muß die Überlegung noch etwas weiter ausdehnen. Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten! Das ist ein Grundsatz, den Österreich peinlichst genau vertritt. Österreich wird also den Staatsvertrag mit allen seinen Bestimmungen peinlichst genau eihhal- ten, das heißt, es braucht niemand in der Welt darüber Zweifel haben, daß sich Österreich auch an das Verbot der Erzeugung und des Besitzes Regelung betrachtet, die dem Frieden dient.

Darüber hinaus gibt es aber eine zweite Überlegung, die es sinnvoll erscheinen läßt, daß Österreich diesen Vertrag unterzeichnet. Gegenwärtig ist Österreich auf Grund des Staatsvertrages der einzige Staat, dem Erzeugung und Besitz der Atomwaffen verboten sind. Wenn nun die überwiegende Mehrzahl aller anderen Staaten sich ebenfalls zu einem solchen Nichtbesitz verpflichtet, verschwindet der diskriminierende Charakter des Staatsvertrages. So gesehen ist die österreichische Entscheidung, den Vertrag zu unterzeichnen, sinnvoll, abgesehen davon, daß sich die Bundesregierung gerade bei einem solchen außenpolitischen Akt der Zustimmung der gesamten österreichischen Bevölkerung sicher sein darf. Aber es wäre ein Fehler, dabei auf die schon für Österreich gültige Verpflichtung nicht hinzuweisen.

muß, als bisher geschehen konnte, liegt auf der Hand. Aber die Belassung eines militärischen Vakuums wäre ein Kardinalfehler. Ein militärisches Vakuum ist bekanntlich immer ein fataler Anziehungspunkt für die Stabschefs fremder Mächte. Das lehrt die Geschichte hundertfältig. Die österreichische Verteidigungskraft muß wenigstens so stark sein, um einem Angriff, der über die österreichischen Grenzen in das Land hereingetragen werden sollte, so lange standzuhalten, bis Hilfe von außen kommt. Wenn man weiß, daß Österreich wenigstens zu einer für kurze Zeit wirksamen Verteidigung bereit und imstande ist, wird es entweder zu einem solchen Angriff nicht kommen oder aber es besteht wenigstens eine Chance, durch Hilfe von außen zu überleben. Diese Chance darf Österreich nicht vergeben. Die Schweiz sollte uns auch hier ein Vorbild sein.

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