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Ein Weltkongreß der katholischen Kirchenmusik

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Die Katholiken aller Völker der Erde erwarten mit freudiger Erregung das größte Ereignis des Marianischen Jahres: die Heiligsprechung des seligen Papstes Pius X. Sie wird am 29. Mai am Petersplatz in Rom in Gegenwart von vielen Hunderttausenden Pilgern aus aller Welt erfolgen. Für uns Kirchenmusiker hat dieser Tag noch eine ganz besondere Bedeutung: Pius war ja einer der Unsrigen, er war selbst ausübender Kirchenmusiker noch bis in seine bischöfliche Wirksamkeit hinein und hat sich auch in seinen höchsten Stellungen als Patriarch von Venedig und schließlich auf dem Stuhle Petri jederzeit als Organisator und Mäzen der Kirchenmusik tatkräftig angenommen. Sein erster großer Erlaß als Papst, das Motu proprijo vom 22. November 1903, galt der Erneuerung der Kirchenmusik in zweifacher Richtung: als wahre Kunst und als besonderes Mittel der Seelsorge. Seit Gregor dem Großen (t 604) hat kein Papst das Gesamtgebiet der Kirchenmusik in so umfassender, grundlegender Darstellung behandelt und so ein Fundament gelegt, auf dem die Kirchenmusik ruhig und sicher in die neue Zeit schreiten kann. Der Heilige Vater sichert ihr darin das Wichtigste, das sie auf ihrem Wege in die Zukunft braucht: Das Recht auf eine natürliche Entwicklung.

Zur Feier des 50jährigen Bestandes dieses wahren Gesetzbuches der Kirchenmusik haben die zu Ostern 1953 in Rom versammelten Ländervertreter beschlossen, im Oktober 1954 einen internationalen Kongreß für katholische Kirchenmusik in Wien abzuhalten. Der Abteilung für Kirchenmusik an der Staatsakademie in Wien wurde der ehrenvolle Auftrag, ein Proponentenkomitee zu bilden und einen ersten Plan zu entwerfen: mit dem Erfolg, daß am 50. Jahrestag des Motu proprio in Rom und Wien zugleich der Kongreß durch Seine Eminenz Kardinal I n n i t z e r feierlich angekündigt werden konnte. Inzwischen hat sich ein Konstitutivkomitee aus hohen Vertretern der Kirche, der Regierung, der ausländischen Kulturinstitute, der Gemeinde Wien, von Kunst und Wissenschaft, der Wirtschaft, sowie von Presse und Rundfunk gebildet und ein Exekutivkomitee • ernannt.

Das Thema des Kongresses, „Die Kirchenmusik 50 Jahre nach dem Motu proprio Pius’ X. im Aufbruch einer neuen Zeit“, soll in fünf Arbeitstagen die wissenschaftliche, künstlerische, soziologische, volksliturgische, pädagogische, organisatorische und wirtschaftliche Bedeutung der Kirchenmusik aufzeigen. Der Kongreßarbeit wird ein feierlicher Eröffnungsakt vorausgehen, bei dem die anwesenden Vertreter der Nationen dem Heiligen Papst Pius X. als Erneuerer der Kirchenmusik huldigen werden. Besondere

Höhepunkte des Programmes bilden das Treffen der Knaben- und Kirchenchöre mit dem Volkschoralamt im Stephansdom, sowie das „Konzert der Nationen“, bei dem die ausländischen Chöre sich mit Werken ihrer Nationen vorstellen werden. Täglich wird ein feierliches Hochamt und ein Studiokohzert mit einschlägiger Musik stattfinden. Ein Rahmenprogramm mit verschiedenen Veranstaltungen künstlerischer und gesellschaftlicher Art wird das eigentliche Kongreßprogramm ergänzen. Hier ist die Aufführung zweier neuer Oratorien geplant: „Das große Mysterium“ von Raimund Weißensteiner nach Texten der Heiligen Schrift, und „Der siebenfache Strom“ von Friedrich Reidinger nach Worten von Propst Leopold Hager (Sankt Florian).

Reg.-Rat Prof. Dr. Franz K o s c h

Aus dem bisher Geleisteten und dem in der Gegenwart Geblichen werden durch den Kongreß die Aufgaben für die Zukunft erörtert werden können. Da dies auf internationaler Grundlage geschieht, werden sich die verschiedensten Ansichten ergeben, weil auch die Bedürfnisse je nach Nation und Volk verschieden sind. Daher wird dieser Kongreß in seinen auf fünf Tage verteilten zehn „Gesprächsthemen“ nicht eine Tagung für rein historische Belange sein, sondern durchaus praktische Bedeutung haben; und dies so, daß zwar alle historisch bedingten Voraussetzungen vorhanden sind, daß auch die wissenschaftlichen Grundlagen nicht fehlen, über sie aber hinausgeschritten wird in die lebendige Arbeit der Gegenwart. Die Folgen ergeben sich von selbst: Erkenntnisse aus Vergangenheit und Gegenwart lassen Schlüsse auf das zu, was in der Zukunft zu leisten sein wird. Da haben nicht nur Gedanken rückschauender Prägung, sondern vor allem solche mit „neuem Profil“ das Wort.

Die Arbeitsweise des Kongresses ist so geordnet, daß jedes Thema einem anerkannten Vertreter seines Faches anvertraut ist. Jeder Teilnehmer hat das Recht, zu dem ihn besonders interessierenden Thema, dessen vom Referenten erstellte Disposition ihm auf Wunsch bekanntgegeben wird, Ergänzungen, eigene Erfahrungen und Meinungen einzusenden. (In dreifacher Ausfertigung schriftlich an das Kongreßbüro, Wien I, Singerstraße 26, bis Ende April.) Diese Einsendun gen werden dem Referenten zugemiv .:1t damit er in seinem Vortrag darauf Bezug nehmen kann; und erst diese, schon so durchgearbeitete Darstellung ist beim Kongreß Gegenstand der Diskussion. So ist die Gewähr gegeben, daß wirklich ersprießliche wissenschaftliche wie praktische Arbeit geleistet wird. Studioaufführungen mit besonderen, zum betreffenden Thema passenden Programmen werden einzelne Referate praktisch ergänzen. Zwei Ausstellungen bieten Gelegenheit, die „Kirchenmusikschätze aus Wiener Bibliotheken“ und die „Technik im Dienste der Kirchenmusik“ zu zeigen. Ueber den Verlauf des Kongresses und die Beratungen wird ein gedruckter Bericht mit allen Vorträgen und Diskussionen erscheinen.

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