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Ein Wort zum Thema: Emigrantenpresse

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Es ist nur selbstverständlich und es liegt auch in der Natur der Sache, daß Emigranten, aus welcher Ursache immer sie Heimat und Vaterland verlassen haben mögen, sich auch eine eigene Pflesse aufbauen. Von den vorhandenen Mitteln und der Stärke der Gruppen, deren Sprachrohr sie ist oder sein soll, wird ihre Tiefenwirkung abhängen, wird das Interesse sein, das vom jeweiligen Asylland den Emigranten und den Beweggründen ihrer Auswanderung entgegengebracht wird. Der durch den Hitlerterror bedingten Auswanderung, ob sie nun politische oder rassische Hintergründe hatte, war — wenigstens von einem bestimmten allgemein bedeutsamen Zeitpunkt an, etwa ' seit der Zeit der Unterjochung Österreichs an — das Interesse der Weltöffentlichkeit in immer steigendem Maße sicher, und es ist nur folgerichtig, daß von da ab eine Blütezeit der Emigrantenpresse einsetzte. Vollends großzügig entwickelte sich diese aber erst mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges, besonders in den Gebieten der Westmächte, die nicht zuletzt in dieser Presse einen willkommenen propagandistischen Helfer im Kampfe gegen Hitler, Mussolini und ihre Trabanten erblickten. Im allgemeinen Rahmen dieser Zeitungen nahmen die deutschsprachigen natürlich einen besonders beachteten Platz ein und auch die für Österreicher im Ausland geschriebenen Blätter waren sehr wertvolle Kampforgane gegen Hitlerterror und Mussolinifaschismus.

Waren anfänglich alle diese Blätter samt und sonders auf ein gemeinsames Ziel, auf Kampf und Sieg eingestellt, ohne das Parteimäßige ihrer innerpolitischen Richtung allzu sehr in den Vordergrund zu rücken, so ging die Entwicklung bald einen anderen Weg. Die grundsätzliche Erkennt-“ nis in dieser deutschsprachigen Emigrantenpresse, daß nämlich Österreich weder Deutschland, noch Deutschland Österreich sei, ihr Kampf also verschiedenen Voraussetzungen entspringe, wenn auch den gleichen Gegner habe, wurde von den reichsdeutschen Exilblättern ebenso heftig geleugnet als von den österreichischen Ze itungen bejaht und tapfer verfochten.

Das war eine Erscheinung, mit der gerechnet werden mußte In ihrer überwiegenden Mehrheit huldigten die deutschen Exilzeitungen dem großdeutschen Gedanken (wenn auch in antihitlerischer Einstellung) und standen damit in scharfem Gegensatz zu den österreichischen Blättern. Mögen auch einige der letzteren von jener falsch verstandenen 1848er-Idee einer demokratischen deutschen Republik mit Einschluß zumindest der deutschsprachigen Teile Österreichs, trotz des Schiffbruches dieses Gedankens nicht gern abgerückt sein, so lehnten sie doch aus realpolitischen Erwägungen heraus eine Gemeinsamkeit mit Deutschland ob mit, ob ohne Hitler ab und marschierten dementsprechend in einer Front mit der Mehrzahl der Österreich als selbständigen Staat unter allen Umständen fordernden (Zeitungen.

So erfreulich diese Erscheinung an sich war und so prächtige Perspektiven sie bot, so enttäuschend benahmen sich bald manche diese gemeinsame gut-österreichische Front sprengende Exilblätter. Diese zogen es vor, der Welt das Schauspiel politischen Haders der österreichischen Emigration manchmal in, tragischer, manchmal in komischer Weise zu bieten und den Anschein zu erwecken, sie seien Österreich und sie allein seien österreichische, wahre Freiheitskämpfer, die das Vorrecht erworben hätten, im Namen Österreichs zu sprechen. Für sie gab es im späteren Verlauf der Dinge keine österreichische Gemeinsamkeit ohne parteipolitischen Unterschied, für sie gab es nur gute, das heißt linksstehende und schlechte, das heißt nicht links stehende Österreicher. Bald erfanden sie für die letzteren auch die Bezeichnung „Austrofaschisten“ und von da Zur Behauptung, Österreich wimmle von diesen und sei eine Zufluchtsstätte reaktionärer, ja faschistischer Elemente, war ' nur ein Schritt; allerdings ein für Österreich verhängnisvoller Schritt. Denn es ist nicht zu viel gesagt, wenn man von dieser Kampagne einiger Exilblätter österreichischer Herkunft sagt, daß in ihr die Wurzel für so manche Fehlmeinung über Österreich zu suchen und zu finden sei.

Als im November 1945 das österreichische Volk seiner politischen WiHens-

meinüng Ausdruck gab, erscholl es aus Jenem Lager: Die Reaktion marschierte in Österreich! Der Austrofaschismus erhebt sein Haupt! Die “Hitler sind in Österreich noch nicht tot! Was ein anders eingestelltes Exilblatt zur ironischen Frage veranlaßte, ob mit Reaktion jene Aktion gemeint sei, als deren erstes Opfer Dollfuß fiel oder ob unter den Hitlers jene zu verstehen seien, die den „Anschluß“ 1938 als eine historische Konsequen? der Revolution von ,1848 ansahen, i

Wie immer aber: Was diese Art österreichischer Emigrantenpresse dem Ausland bietet, ist alles eher als.eine Empfehlung für dieses Land, das als Würger der politischen Freiheit hingestellt wird. Für sie gibt es nur einen Tag des Jahres 1934; jenen unglückseligen 12. Februar, der die tiefe Kluft aufriß, die ein 25 Juli des gleichen Jahres, richtig ausgewertet, hätte schließen können. Was wunder, daß die reichsdeutsche Emigrantenpresse diesem Treiben durch ejgene Veröffentlichungen Vorschub leistet, indem sie den vielfach in sich unwahren Argumentationen mit durchsichtiger Tendenz und großem Wortschwall zu Hilfe kommt und daraus beweisen will, daß Österreich 1938 ein Staat wider eigenen Willen gewesen, der nur von seinen damaligen Machtbabern wider jedes Recht gezwungen wurde, ein

eigenftaatfich'es Da*em m führen. Das wW

immer aufs neue wiederholt. Nun ist es leider so. daß böse Nachrede viel eher Glauben findet als gute. Dazu kommt, daß österreichische Stimmen aus Österreich selbst in Form von Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Büchern das Ausland vorläufig nicht erreichen können.

Dieser Sachverhalt hat e i ne für Österreich nicht wenig schädliche Situation geschaffen. Er erklärt manche heute noch im Auslahde bestehenden Fehlurteile. Viel von dem, was von jener Gattung Emigrantenpresse an Unwahrheiten verbreitet ist, wird von der bodenständigen Presse nachgeschrieben und von der Öffentlichkeit geglaubt. Auch das offizielle österrich wird sich früher oder später mit diesem unerfreulichen Tatbestand befassen müssen.

Die gutgerichtete Emigrantenpresse, ganz gleich welcher Farbe — wir betonen diese Unterschiedslosigkeit —, wird dabei wertvolle Dienste leisten können, denn — und darin liegt, das Versöhnende — sie ist da, sie ist aktiv und bejaht das freie demokratische unabhängige Österreich der drei Parteien. Ihre Kritik ist konstruktiv und sie sieht es durchaus nicht als ihre alleinige Aufgabe an, alles vorbehaltlos zu loben. Aber sie sieht auch das Gute an und in Österreich. Und darin liegt ihr Wert. Daß von ihr weniger gesprochen wird und auch in diesem Aufsatz weniger gesprochen wurde, beweist ihre österreichische Eigenart: still und unauffällig für Österreich zu wirken und ohne Gehässigkeit und ohne Lobhudelei Österreichs treuer Wegbegleiter zu sein.

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