6763866-1968_26_07.jpg
Digital In Arbeit

Ein zweites Vietnam?

Werbung
Werbung
Werbung

Asiatische Gewährsmänner berichten, daß der prochinesische Flügel des nordvietnamesischen Politbüros die Verhandlungen mit den USA schärfstens mißbilligt. Nach anfänglichem Stillschweigen verkündet Peking die gleiche Haltung.

Ein in Rotchina akkreditierter asiatischer Diplomat glaubt, daß Peking den Vietnamkrieg nur als Teil der Auseinandersetzung in Asien betrachtet. Sollten die Pariser Gespräche trotz allem zu einer Einigung führen, so werde Rotchina die USA in einen anderen unerbittlichen Abnützungskrieg in Asien verwik- keln, für den bereits Vorbereitungen getroffen werden.

Ein effektiver Grenzschutz der bedrohten Gebiete, wie etwa in Thailand, ist auch mit dem Einsatz der modernsten technischen Hilfsmittel unmöglich. Viele der Pekinger Agenten sind als fahrende Händler und Flußschiffer getarnt, und zahlreiche Einwohner der thailändischen Nordostgebiete gehören selbst laotischen Stämmen an, so daß sie von den Laoten jenseits der Grenze nicht zu unterscheiden sind. Rotchina bedient sich in diesen Grenzzonen der gleichen Methoden, mit denen vor Jahren der Guerillakrieg in Vietnam begonnen wurde: Einer Mischung von raffinierter Propaganda und Einschüchterung. Zur Abwehr der Infiltration wird unter anderem die Verbesserung der Verkehrswege zur Erleichterung des Einsatzes von Truppen und Polizeieinheiten herangezogen, ebenso wie der Kampf gegen die Armut in den unweit der Grenzen gelegenen Notstandsgebieten. Dabei wird zum Schaden thailändischer und westlicher Interessen oft vergessen, daß die rotchinesische Infiltration großteils mit pseudogeistigen Beeinflussungen arbeitet, denen mit materiell orientierten Planungen nicht beizukommen ist.

Im Rahmen eines technisch großartigen Programms wurde in diesen Tagen in Sattahip ein neuer Hafen seiner Bestimmung übergeben, dessen Anlage 40 Millionen Dollar gekostet hat. Er wird den Nachschub zum bedeutenden Luftstützpunkt Utapao erleichtern, der zum Einsatz vieler amerikanischer Kampfflugzeuge dient. Die zunehmende technische Erschließung der für ein „zweites Vietnam“ in Betracht kommenden Gebiete scheint Peking wenig Sorgen zu bereiten, denn man scheint sich auch hier auf eine „Einkreisung der Städte und Stützpunkte vom umliegenden Lande her“ vorzubereiten.

Primitiv gebliebene Minderheiten bewohnen ein Fünftel der Bodenfläche Thailands. Sie leben in ausgedehnten Territorien, die zum Teil noch nicht einmal kartographisch vermessen sind, in Gebieten, in denen manchmal keiner weiß, wie überhaupt der Staat heißt, in dem er lebt! Praktisch unabhängige Stämme haben Sprachen, die bis heute noch unerforscht geblieben sind. Pekinger Agenten sind einigen Stämmen bei der Einführung einer eigenen Schriftsprache behilflich und verteilen Empfangsgeräte zum Abhören von Propagandatexten rotchinesischer Sender in der Sprache dieser Stämme. Ein Sprecher der thailändischen Regierung, General Charutsatien, erklärte in diesen Tagen, daß kürzlich tausend Angehörige von BeEgs npmep, Helfershelfer Rotchinas verhaftet wurden, und daß die Bewaffnung und Ausrüstung aufständischer Kräfte durch ständige Lieferungen aus Nordvietnam über Laos immer besser werde.

Viele haben den Eindruck, daß nunmehr in Thailand die Angst vor einem großangelegten Guerillakrieg nach vietnamesischem Muster zunimmt. Man fürchtet sich insbesondere im Fall einer Beendigung des Vietnamkrieges durch die Pariser Gespräche zu einem „zweiten Vietnam“ zu werden.

Guerillataktik im Grenzgebiet

Die für militärische und wirtschaftliche Zwecke vorgenommene Erschließung der Puffergebilde zwischen Rotchina und den angrenzenden Machtbereichen geht auch außerhalb Thailands, in raschem Tempo vorwärts. So flog zum Beispiel Frau Indira Gandhi im Mai 1968 vom indischen Flugplatz Hashiwara in einer einzigen Stunde in das Himalajakönigreich Bhutan. Vor zehn Jahren hatte die Hinfahrt im Umweg über das Tschumbi-Tal noch volle drei Wochen gedauert!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung