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Eine „bahnbrechende“ Resolution

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Georg Eisler, Sohn des Komponisten vieler revolutionärer Lieder Hans Eisler, Neffe der Mitgründerin der KPÖ, Ruth Fischer, und Gerbard Eislers, des Leiters des ostdeutschen Informationswesens, gehört auch zu der Gruppe von Intellektuellen, die, vielleicht ermutigt durch eine öffentliche Erklärung Sartres, Aragons und anderer Linker in Frankreich, ihrerseits in wenigen Stunden 22 Unterzeichner zu einer Resolution zusammenriefen, die sie unter dem Titel „Für das Recht Israels auf staatliche Existenz“ bereits am 30. Mai veröffentlichten. Diese Erklärung war in mancher Hinsicht zaghaft und trug gewissen kommunistischen Sprachregelungen noch Rechnung. So wurde darin zwar die isrealische, jedoch keine der arabischen Regierungen angegriffen und nur von den arabischen Terroristen als Schuldtragenden an der Krise gesprochen. Dennoch wirkte die Erklärung bahnbrechend im österreichischen kommunistischen Lager, weil sie die Forderung nach der bislang dort verpönten Anerkennung der nationalen Existenz Israels erhob.

Vor einem robusteren und keineswegs in dieser Sache einheitlich denkendem Forum, auf der Tagung des kommunistischen KZ-Verbandes, hielt dessen Präsident, Doktor Soswinski, am Wochenende vor dem Montag des Kriegsausbruchs eine Rede, die in ihrer mutigen und brutalen Offenheit in einem solchen Kreis wie eine Bombe wirken mußte. Wenn sie hier verhältnismäßig ausführlich zitiert wird, so weil sie es wegen ihres Gehaltes verdient und weil sie zum eigentlichen Grundproblem der sowjetischen und noch mehr der europäischen kommunistischen Haltung im Nahost-Konflikt hinführt. Vermerkt sei auch noch, daß der unmittelbare Anlaß zu dieser Rede ein Hilferuf in Form eines Rundschreibens war, das der Präsident der „Union antinazistischer Kämpfer“ in Israel, Dr. Berman, an alle ähnlichen Organisationen auf der ganzen Welt geschickt hatte. Dr. Berman ist der Mann, der unter weit tragischeren Umständen einen anderen Hilferuf an die Welt gesandt hatte: aus dem brennenden und zerschossenen Warschauer Ghetto, dessen Kampf er als einer von wenigen überlebt hat. So sagte denn auch Dr. Soswinski gleich am Anfang seiner Rede:

„Wenn wir zur Kriegsgefahr im Nahen Osten hier Stellung nehmen, so hallte ich es zuerst für notwendig, zu sagen: Wir sind mit unserem Verstand und unserem Herzen bei den Kameraden und deren Kindern, bei den Opfern des Nazismus, bei unseren jüdischen Mitkämpfern, und wir sind nicht bei denen, die eine Heimstatt für Kriegsverbrecher geworden sind. Wir sind keine eiskalten Diplomaten, die 100.000 Tote schon einkalkulieren.“ Dr. Soswinski rief dann der Tagung in Erinnerung, daß in Ägypten „eine mehr oder weniger bekannte Anzahl“ von Kriegsverbrechern, auch aus Österreich, lebt. Und er wies bei dieser Gelegenheit auch auf die Figur eines der größten Feinde der Judenheit, des Großmuftis von Jerusalem, Mohammed Ahmin el Husseini, hin, des Inspirators dutzender Massaker gegen jüdische Siedler im Palästina der zwanziger und dreißiger Jahre, des engen Verbündeten Hitlers und Berater Eichmanns während des zweiten Weltkrieges. „In allen Monographien aus Ost und West über die Nazis und ihre Beziehungen fehlen eigentümlicherweise alle die Quislinge und Verbrecher aus und im arabischen Raum“ sagte Soswinski.

Zu den Antezedenzien der heutigen Lage: „... Am 14. Mai 1948 wurde der Judenstaat proklamiert ... Moskaus Delegierter beim Sicherheitsrat, Gromyko (sagte damals): ,Wenn man die Leiden des jüdischen Volkes während des Krieges bedenkt, wäre es ungerecht, ihm das Recht auf Bildung eines eigenen Staates vorzuenthalten ...' Doch im Morgengrauen nach der Staatsgründung stießen ägyptische, syrische, irakische und jordanische Truppen von allen Seiten in das neue Staatsgebilde. Arabische Bomben fielen auf Tel Aviv.“

Die Zeitung „Unitä“ schrieb am 29. Mai 1967 über die Pressekonferenz Nassers. Er sagte unter anderem: .Wir werden niemals die Koexistenz mit Israel akzeptieren ..' Nasser fügte hinzu, daß schon die Geburt Israels ein Aggressionsakt gegen die Araber gewesen sei.

Es gibt noch dutzende Aussprüche arabischer Diktatoren, Herrscher und Dreitageministerpräsidenten (in Syrien gab es in den letzten fünf Jahren 17 verschiedene Regimes) in dem Sinn, daß man die Juden ins Meer werfen müsse.

Am 24., 25. und 26. Mai hat der syrische Außenminister alle diplomatischen Missionen in der Hauptstadt Syriens zu sich geladen und sie unter anderem aufgefordert, sie sollten die Existenz des Staates Israel neu überprüfen. Ich überlasse es euch, sich die Liste dieser Staaten, die dort vertreten waren, vorzustellen. Ich habe nicht gehört, daß sich einer dieser Staaten in dem Sinne geäußert hat, daß der israelische Staat erhalten bleiben muß. Ich habe nur eine Äußerung gelesen, die im gleichen Sinne wie die Aufforderung des Außenministers liegt: Im Zentralorgan der SED, „Neues Deutschland“, vom 24. Mai steht, daß Israel der Militärstützpunkt des Imperialismus ist. In der üblichen Terminologie müssen solche Stützpunkte liquidiert werden...“

Über den Unterschied zwischen Vietnam und dem Nahen Osten sagte Soswinski unter anderem: „Der Hitler-Anbeter Ky in Saigon ist eine lächerliche Figur, die durch ein Augenzwinkern der Amerikaner von seiner Stelle entfernt werden kann. Seine Soldaten spielen überhaupt keine Rolle... Anders sehe ich die Dinge im Nahen Osten. Nasser, Syrien sind im Gegensatz zu Ky mit einer Militärmaschinerie ausgerüstet, die nur ihnen und weder den Amerikanern noch den Russen untersteht. Diese gesamte Militärmaschinerie hat ein klares Konzept: Israel muß vernichtet werden. Nicht gerade ein Konzept der Koexistenz. Die Gefahr, daß diese Militärapparate ähnliche Lebensäußerungen wie in Afrika, in Südamerika, in Indonesien von sich geben, ist naheliegend, und je näher der Kriegsschauplatz an Europa heranrücken würde, desto größer ist die Weltkriegsgefahr..,“

Und weiter sagte Soswinski: „Aber wir müssen klar sagen, daß eine Lösung durchgesetzt werden muß, mit Hilfe der Weltmächte, ohne Ausnahme, die die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel und seiner Bewohner für die Dauer und nicht auf 14 Tage sichert. Wir müssen aus der historischen Erfahrung der Verhandlungen mit Diktatoren lernen, daß eine Salami-Taktik unweigerlich in einem ungünstigeren Zeitpunkt für die Menschen doch zum Krieg führt.“

Was diese grimmigen Feststellungen des Kommunisten Soswinski seinen Genossen, doch auch manchen Nichtkommunisten, sichtbar macht, ist der schon seit Chruschtschows Zeit schwelende Wiederspruch im Konzept des Weltkommunismus: Derjenige zwischen der Bemühung um Koexistenz und Frieden einerseits und der Unterstützung, Förderung und Initiierung „nationaler Freiheitsbewegungen und -kriege“ in den unterentwickelten Ländern anderseits. Der von Soswinski und Eisler festgestellte odiose und zweifelhafte Charakter der Bundesgenossen: mag besonders symptomatisch für die gesamte heutige Entwicklung und in dieser geradezu unvermeidlich sein. Zerfällt doch beispielsweise das kommunistische China, seitdem es sich zur Koexistenz und dem friedlichen Verhältnis zu anderen Systemen feindlich eingestellt hat, immer mehr in regionale Militärherrschaften.

Worin besteht also eigentlich jener Widerspruch? Der von einigermaßen stabilisierten kommunistischen Regimen und den europäischen kommunistischen Parteien getragene Wunsch nach Koexistenz und Frieden entspringt eben sowohl der Möglichkeit zur Lösung von Problemen unter friedlicher Voraussetzungen sowie der Unmöglichkeit eines Atomkrieges.

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