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Eine bedeutende Dokumentation

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Seit Jahren verfolgt die Weltöffentlichkeit mit Aufmerksamkeit und Anteilnahme die schweren Verfolgungen, denen die katholische Kirche in Jugoslawien ausgesetzt ist. Den Tatsachen — dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Belgrad und dem Vatikan, der andauernden Verfolgung des Kardinals Stepinac und der fortgesetzten Pressekampagne gegen die Kirche — wird von Seiten der jugoslawischen Regierung hartnäckig die Behauptung entgegengesetzt, daß die Religionsfreiheit im Staate unangetastet sei. In diesem Zusammenhang gewinnt ein Memorandum der katholischen Bischöfe Jugoslawiens besondere Bedeutung, das die „Salzburger Nachrichten“ vom 17.,'18. Jänner 1953 zum ersten Male veröffentlichen. Wir geben das ergreifende Dokument im folgenden auszugsweise wieder. „Die Oesterreichische Furche“

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Seit Jahren verfolgt die Weltöffentlichkeit mit Aufmerksamkeit und Anteilnahme die schweren Verfolgungen, denen die katholische Kirche in Jugoslawien ausgesetzt ist. Den Tatsachen — dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Belgrad und dem Vatikan, der andauernden Verfolgung des Kardinals Stepinac und der fortgesetzten Pressekampagne gegen die Kirche — wird von Seiten der jugoslawischen Regierung hartnäckig die Behauptung entgegengesetzt, daß die Religionsfreiheit im Staate unangetastet sei. In diesem Zusammenhang gewinnt ein Memorandum der katholischen Bischöfe Jugoslawiens besondere Bedeutung, das die „Salzburger Nachrichten“ vom 17.,'18. Jänner 1953 zum ersten Male veröffentlichen. Wir geben das ergreifende Dokument im folgenden auszugsweise wieder. „Die Oesterreichische Furche“

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Herr Marschall!

Die unterzeichneten Bischöfe und apostolischen Vikare der katholischen Kirche auf dem Gebiete der Bundesvolksrepublik Jugoslawien haben anläßlich ihrer Plenarkonferenz in Zagreb vom 23. bis 26. September 1952 unter anderen Problemen der Seelsorge auch den Zustand erörtert, in dem sich die katholische Kirche in Jugoslawien befindet, und erachten es als ihre Pflicht, Ihnen, als dem Bundeschef dieses Staates das folgende Memorandum über einige wichtige Fragen des religiösen Lebens ihrer Gläubigen zu unterbreiten:

Die katholischen Bischöfe der Bundesvolksrepublik stellen vor allem fest, daß es in Jugoslawien keine uneingeschränkte Glaubensfreiheit gibt. Die Gewissens- und Religionsfreiheit, wie sie im Artikel der Bundesverfassung festgesetzt ist, ist in der Praxis auf eine teilweise Freiheit des Kultus — wie unsere Gesetze besagen — auf eine Freiheit der religiösen Riten eingeschränkt.

Wir sagen teilweise, weil die Freiheit der kirchlichen Riten selbst in gewisser Hinsicht so eingeschränkt ist, daß das einer Negierung des Rechtes auf Religionsfreiheit gleichkommt. Die Kirchen sind zwar noch offen; obwohl manche unter ihnen — manchmal auch von großem kunsthistorischem Wert, wie z. B. die Trappistenkirche von Banjaluka — einige Zeit in Getreidemagazine und Garagen für landwirtschaftliche Maschinen umgewandelt worden waren. Die Monumentalkirche des Heiligen Josef in Laibach dient als Filmstudio, während die altehrwürdige Kirche des Kreuzritterordens in Laibach, ein Juwel der Kirchenkunst, den Katholiken einfach genommen und ohne irgendwelches Rechtsverfahren der altkatholischen Sekte übergeben wurde, die — nebenbei gesagt — in Laibach fast keine Gläubigen besitzt. Eine Menge Kreuze und Heiligenbilder auf den Kreuzwegen wurden zerstört, ohne daß die Urheber jemals gefunden werden konnten. Dasselbe ist mit mehreren kleinen Kapellen in Slowenien und in den anderen Gegenden unseres Landes geschehen. Im November 1949 wurde die schöne und große Erlöserkirche in Fiume über Nacht unterminiert und in die Luft gesprengt, obwohl sie sich im Zentrum der Stadt befand. Ebenso wurde die Kirche der Karmeliterinnen bei Laibach und die schöne Kapelle auf der Salita al Calvario in Fiume zerstört. . .

Die Standcsmatrikeln der Geburten, der Todesfälle und der Eheschließungen wurden nach 1946 der Kirche entwendet. Nichtsdestoweniger be-in^nruchen die Staatsorgane dns Recht, nnch Belieben in die neuen M'atrikclbücher einsehen zu können, die von der Kirche seit dem 9. Mai 1946 für ihren internen Gebrauch geführt werden. Die alten wurden der Kirche noch immer nicht zurückgegeben, obwohl der vorgesehene Termin schon längst vorbei ist (Ende 1951).

Die Prozessionen werden in den meisten Provinzen verboten, größere religiöse Feste, an denen Gläubige aus mehreren Pfarren teilnehmen, werden auf verschiedene Arten verhindert. Besonderen Schwierigkeiten sind Primizen ausgesetzt. Die Feindseligkeit der Staatsorgane geht so weit, daß den jungen Priestern, die zum ersten Male die heilige Messe lesen, die bescheidenen Naturalgeschenke beschlagnahmt werden, die ihnen die Gläubigen nach einem tausendjährigen Volksbmuch bringen.

Auch die Freiheit der Predigt ist bedroht. Die Priester werden manchmal wegen bloßer Zitate aus der Heiligen Schrift zur Verantwortung gezogen, die positive Auslegung der Glaubenswahrheiten wird als Aktion gegen den Staat und die bestehende Gesellschaftsordnung behandelt...

Religionsunterricht ist den Priestern nicht nur in den Schulen, den Pfarrhäusern und anderen Räumlichkeiten verboten; in vielen Fällen ist das Unterrichten der Jugend auch in den Kirchen, ja sogar die Vorbereitung zur ersten Kommunion oder zur Firmung verboten. Wegen der Verletzung solcher Verbote werden die Priester zur Verantwortung gezogen und mit Geld- oder Gefängnisstrafen belegt...

In' zahlreichen Kirchen ist das Sammeln von Kirchenalmoscn verboten. Die Kathedralkirche von Laibach wurde zu einer Geldstrafe von 10.000 Dinar verurteilt, weil der Mesner von einem Altar einen Zehndinarschein aufgehoben hat, den ein Kirchenbesucher als Geschenk dort hinterlassen hatte. In Slowenien und in den anderen Provinzen wird den kirchlichen Institutionen auch das Empfangen von Geschenken aus dem Ausland verboten ...

Die Verhaftungen der Priester werden fortgesetzt und die über sie verhängten Strafen übertreffen in ihrer Strenge die auch ansonsten sehr strengen Maßstäbe, die in unserer Gerichtspraxis angewendet werden. So wurde z. B. der 75jährige, allgemein geachtete Pfarrer und Dekan von Zuzemberk, Karlo Gni-dovec, vor einigen Tagen wegen angeblicher Delikte aus der Zeit des Krieges zum Tode durch Erschießen verurteilt.

Immer noch befinden sich in den jugoslawischen Staatsgefängnissen über 200 Priester. Man kann sagen, daß in den letzten acht Jahren die Mehrheit der katholischen Priester in Jugoslawien durch kürzere oder längere Zeit die Schande und die Schwere der Gefängnisstrafen erleiden mußte. Unter den eingesperrten Priestern befindet sich auch der Bischof von Mostar, Dr. Petar Cule, während Erzbischof Dr. Aloisius Stepinac immer noch nicht volle Freiheit gewährt wurde.

Es ist wahrhaft verwunderlich, daß der Priesterstand, der in allen Kulturländern am wenigsten mit dem Kriminalkodex in Konflikt kommt, in unserem Lande unverbesserlich kriminell geworden sein soll.

Physische Ueberfälle auf Priester sind keine Seltenheit. In den letzten sieben Jahren wurden aus dem Hinterhalt dreißig Priester getötet, ohne daß die Mörder ermittelt oder bestraft worden wären ...

Die Staatsorgane ignorieren die Kirche und ihre Einrichtungen, wo sie nur können. Von 1945 bis heute hat der katholische Episkopat von seinen Sitzungen an die Bundesregierung wenigstens sechs dokumentierte Memoranden gerichtet, ohne ein einziges Mal eine' Antwort zu erhalten. Nur am 19. Mai 1950 antwortete die Kultuskommission des Regierungspräsidiums in einer lakonischen Mitteilung an den stellvertretenden Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof von Belgrad, daß das Memorandum des Episkopats vom 26. April 1950 „in einem so unmöglichen Geiste redigiert sei, daß es nicht als Grundlage für Gespräche über die Regulierung der Beziehungen zwischen der Bundesregierung und dem stellvertretenden Präsidenten der Bischofskonferenz sowie den anderen Unterzeichneten genommen werden könne.“ Das war alles...

Da ist schließlich die sehr schmerzhafte Frage der amtlichen atheistischen Linie in den Schulen und im gesamten öffentlichen Leben des Staates. Der Atheismus ist die Religion des Regimes. Er wird in den Schulen gelehrt, auf den Versammlungen gepredigt, in der Presse propagiert, mit Gewalt den Beamten und den Angehörigen der Armee aufgezwungen. Den Professoren und den Lehrern wird der Kirchenbesuch formell verboten. Das Lehrpersonal, das dieses Verbot nicht befolgt, wird aus dem Staatsdienst entlassen. Die Religiosität wird bei der Beförderung der Staatsbeamten als Hindernis angesehen. Die Offiziere der jugoslawischen Armee dürfen nicht einmal daran denken, ihre Kinder taufen zu lassen.

Auch arme Schulkinder werden zur Verantwortung gezogen, wenn sie am Sonntag die Kirche besuchen oder auf irgendwelche Art und Weise ihre religiösen Gefühle äußern....

Diesen Ausführungen über den Mangel an religiöser Freiheit in Jugoslawien müssen auch die früheren, aus den anderen Memoranden des Episkopats in den vergangenen Jahren, hinzugefügt werden.

(Das Memorandum erwähnt hier die Liquidierung der katholischen Schulen und Druckschriften, der Orden und Klöster sowie „die brutalen und verbissenen Angriffe gegen die Person des Heiligen Vaters“ und fährt sodann fort:)

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