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Eine Charta der Menschenrechte

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Cleveland, Ohio In ihrer Weihnachtsnummer veröffentlichte „Die Furche“ unter dem Titel: „N a t u r r e c h t und Staat“ die bedeutsame Kundgebung für die Mensdien-rechte, die im Namen des amerikanischen Episkopats der Administrative Board der National Catholic Weifare Conference in Washington an die amerikanische Öffentlichkeit gerichtet hatte. Dieser feierlichen Manifestation, die unter anderem sich gegen die Zurückbehaltung der Kriegsgefangenen, die Vertreibung von Millionen Deutschen aus ihren Heimstätten, die Verzögerung der Friedensverträge wandte, in nun die Veröffentlichung einer ausgearbeiteten Charta der Menschenrechte und ihrer Auswirkungen auf Staat und Völkerbeziehungen gefolgt.

Dem „Ausschuß für Menschenredite“ der UN (Committee on Human Rights of the United Nations), der unter dem Vorsitz der Witwe des Präsidenten Franklin Delano Roosevelt, Frau Eleanor Roosevelt, steht, wurde diese grundsätzliche Denkschrift soeben überreicht. Dieses Dokument, dem in der amerikanischen Öffentlichkeit größte Aufmerksamkeit geschenkt wird, wurde von einem Komitee ausgearbeitet, das sich aus Bischöfen, Theologen und Laien Amerikas zusammensetzte und das von der National Catholic Weifare Conference mit dieser Aufgabe betraut worden war. Man kann dieses Dokument als die Meinung- der katholischen Kirche Amerikas zu diesen, Menschen aller Nationen bewegenden Fragen betrachten, eine Meinung, die unter der Autorität des amerikanischen Episkopats steht *.

Der Entwurf gliedert sich in vier Gruppen: die Rechte des Einzelwesens, die Redite der Familie, die Rechte des Staates und schließlich die Rechte der Staaten untereinander.

Jeder dieser vier Abschnitte ist mit einer Präambel eingeleitet, an die sich dann die präzisierten Rechtssätze sddießen.

Die Persönlichkeitsrechte

Dem Mensdien ist von Gott eine solche Würde und Stellung als Persönlichkeit gegeben, daß sie — wie die Denkschrift auseinandersetzt — wieder nach den vielen geistigen und tätlichen Angriffen zur Geltung kommen muß. Dazu bedarf es nach dieser Erklärung, Freiheiten, die in dem Dokument folgendermaßen formuliert werden:

1. Das Recht auf Leben und auf die Unverletzbarkeit des Körpers vom Augenblick der Empfängnis an, ungeachtet des körperlichen oder geistigen Zustan-des, ausgenommen im Falle gerechter

, Strafe für Verbrechen.

2. Das Recht, Gott zu dienen und ihn zu ehren, wo immer es einem gefällt.

3. Das Recht auf religiöse Gestaltung durch Erziehung und Zusammenschluß.

4. Das Recht auf persönliche Freiheit unter einem gerediten Gesetz.

5. Das Recht auf gleichen Sdiutz durch das Gesetz, ungeachtet des Geschledites, der Nationalität, Farbe und Glaubensbekenntnis.

6. Das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Information und auf Verbindung mit anderen in Übereinstimmung mit Wahrheit und Recht.

7. Das Recht auf Auswahl und freie Erhaltung eines Lebensstandes, verbunden in einer Ehe oder ledig, als kirchlicher oder weltlicher Bürger.

8. Das Recht auf Wissen, welches die Erhaltung und Entwicklung der Menschenwürde als Einzelwesen gewährleistet.

9. Das Recht, von der Regierung Abhilfe von Mißständen zu verlangen.

10. Das Recht auf eine Staatszugehörigkeit.

11. Das Recht auf Zutritt zu jenen Quellen, aus denen die Menschheit ihren Lebensunterhalt bestreitet.

12. Das Recht auf Organisations- und Versammlungsfreiheit. zu friedlichen Zwek-ken.

13. Das Recht auf Arbeit und auf die Auswahl des Berufes. \

14. Das Recht auf persönliches Eigentum, auf dessen Verwendung und auf das Verfügungsrecht über dieses Eigentum, unter Berücksichtigung der Rechte anderer, oder auf das Interesse der allgemeinen Wohlfahrt.

15. Das Recht auf einen Lohn, der einen angemessenen Lebensunterhalt gewährleistet.

16. Das Recht auf gemeinschaftliches Handeln zum Nutzen der Mitglieder einer Gemeinschaft.

17. Das Recht auf Zusammenschluß in Form gewerblicher oder anderer beruflicher Organisationen, um wirtschaftliche Gerechtigkeit und allgemeine Wohlfahrt zu erlangen.

18. Das Recht auf Hilfeleistung durdi die Gesellschaft oder nötigenfalls durch den Staat im Falle des Notstandes der Person oder d-r Familie.

Die Familie

In folgerichtiger Entwicklung hat auch die Familie, wie die Denkschrift darlegt, als die natürliche Keimzelle der Gesellschaft Ansprüche auf den Schutz der Gemeinschaft und bedarf der Hilfe und Unterstützung sowohl in geistiger wie auch in materieller Hinsicht. „Obwohl die Familie nicht für den Staat besteht, ist sie dennoch nicht unabhängig“, heißt es in der Präambel zum zweiten Abschnitt. Damit wollen diese Forderungen die Bedeutung der Familie als einer sittlichen Gemeinschaft hervorheben, wodurch ihr erst der höchste Sinn verliehen wird. Deshalb wird für diese in der Denkschrift verlangt:

1. Das Recht, sich zu verehelichen, sich ein Heim zu errichten und eine Familie zu gründen.

2. Das Redit auf wirtschaftliche Sicherheit in einem Ausmaße, daß der Erhalt und die Unabhängigkeit der Familie gewährleistet ist.

3. Das Recht auf Schutz der Mutterschaft.

4. Das Recht auf Erziehung der Kind-r.

5. Da* Recht auf Aufrechterhaltung eines ausreichenden Standes der Wohlfahrt für das Kind im Rahmen der Familie, wenn nötig durch öffentlichen Schutz und Unterstützung.

6. Das Recht auf Unterstützung durch Einrichtungen der Gemeinde auf dem Gebiete der Erziehung und der Obsorge für Kinder.

7. Das Recht auf eine Behausung, die den Erfordernissen und Funktionen des Familienlebens entspricht.

8. Das Recht auf Unverletzbarkeit des Heimes vor Durchsuchung und unberechtigtem Betreten.

9. Das Recht auf Schutz vor unmoralischen Zuständen in der Gemeinde.

Der Staat

Die oft sonst übliche Aufzählung aller Aufgaben und Pflichten des Staates erfährt in folgenden Punkten eine aktuelle Formulierung :

1. Das Recht, gerechte Gesetze zu schaffen und sie gewissenhaft zu verwirklichen.

2. Das Recht, Gerichtshöfe zu errichten, um für die Einhaltung der Gesetze mit Hilfe entsprechender Maßnahmen zu sorgen.

3. Das Recht, von den Bürgern Achtung gegenüber Minderheiten in ihrer eigenen Mitte zu fordern.

4. Das Recht, mit Hilfe gerechter Mittel Steuern einzuheben, um die Funktion des Staates möglidi zu machen.

5. Das Recht, Privateigentum in Gebrauch zu nehmen, sofern es das Allgemeinwohl erfordert.

6. Das Recht auf Erziehung des Volkes zu brauchbaren Staatsbürgern.

7. Das Recht, sich gSgcn innere Gewalt zu verteidigen.

8. Das Recht, private Unternehmungen, Einzelpersonen und Gruppen zu überwachen, denselben Anregungen und Anordnungen zu geben und deren Wirken einzuschränken, soweit sich dies im Interesse des Gemeinwohles als notwendig erweist.

9. Das Recht, die Wirksamkeit internationaler Wirtschaftsgruppen innerhalb der eigenen Grenzen zu regulieren.

10. Das Recht, in Fällen allgemeinen Not-, Standes solche Maßnahmen zu ergreifen, die sich im Allgemeininteresse als notwendig erweisen sollten.

Staatsrecht und Völkerrecht

Wie kein geordneter und in sich gefestig- / ter Staat de.r Gemeinschaft der anderen Staaten entbehren kann, so gilt doch „als unentbehrliche Voraussetzung“ aller Beziehungen untereinander „das Vertrauen zueinander und die Achtung vor der verpflichtenden Bedeutung des gegebenen Worte s“. Aus solchem Gedankengang werden nachstehende Forderungen gefolgert:

1. Das Recht auf ein Eigenleben im Rahmen der internationalen Gemeinde, auf Schutz des nationalen Eigenlebens und der staatlichen Unabhängigkeit vor Angriffen seitens eines Staates oder durch Staaten.

2. Das Recht auf freie Bestimmung der eigenen inneren und äußeren Politik in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Moral und mit den Verpflichtungen, die das internationale Recht allen Staaten auferlegt.

3. Das Recht auf Rechtsgleichheit gegenüber anderen Staaten in der Völkergemeinde.

4. Das Recht auf Mitgliedschaft an der internationalen Völkerorganisation und auf Teilnahme an den Vorteilen internationaler Zusammenarbeit.

5. Das Recht auf eine Intervention der Völkerorganisation, um die Durdifüh-rung der Erfüllung der Bedingungen abgeschlossener, gerechter Verträge oder sonstiger Vereinbarungen zu sichern.

6. Das Recht, von der internationalen Gemeinde Abhilfe solcher Übel zu verlangen, die sich aus dem erzwungenen Abschluß ungerechter Verträge ergeben haben.

7. Das Recht auf die Revision von Verträgen, die sich nidit mehr länger in Ubereinstimmung mit den 'Ansichten über den Sinn grundlegender Gerechtigkeit befinden.

8. Das Recht auf ein friedlidies Schieds-geridn, errichtet durch die internationale Gemeinde, um über Meinungsverschiedenheiten, die auf diplomatischem Wege nicht mehr geschichtet werden können, zu entscheiden.

9. Das Recht auf politische, wirtsdiaftliche und sozial Verbindung mit anderen Staaten als gleichberechtigter Partner.

10. Das Recht auf gleichberechtigten Zutritt zu jenen Märkten und Rohstoffquellen der Erde, die für das Leben des eigenen Volkes unerläßlich sind.

11. Das Recht, eigene Natursdiätze und das eigene Wirtschaftsleben vor ungerechter Ausbeutung zu beschützen.

12. Das Recht auf Unterstützung durch die internationale Gemeinde in Zeiten wirtschaftlicher oder sozialer Bedrängnis.

13. Das Recht, Flüchtlingen vor Ungerechtigkeit ein Asyl zu gewähren.

Aus dem Englischen für „Die Furche“ übertragen von Fritz Popp, Cleveland

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