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Eine neue Begriffsordnung

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Die Gewinnung von Informationen im Büro von Betrieben und Verwaltungen ist Im wesentlichen beschränkt auf das Gebiet des Rechnungswesens, wobei es ah sich gleichgültig 1st, ob nach kaufmännischen oder kamera- listlschen Methoden gearbeitet wird. Im Rahmen der allgemeinen Diskusalon über das Eindringen neuer Technologien ln das Gebiet Büromaschinen und ihre Anwendung im Rechnungswesen ist es mitunter schwer, die Tendenzen, die sich für die Mehrzahl der Betriebe abzeichnen, deutlich zu erkennen. Geht man von der Struktur der Wirtschaft der westlichen Welt aus, dann wird doch erkennbar, daß kleine und mittlere Betriebe die Masse der Unternehmen darstellen und eine größere Bedeutung haben, als es die Optik mitunter erscheinen läßt. Das bedeutet, daß die Lösung der Probleme des Rechnungswesens, das heißt die Gestehung, Erfassung und Verarbeitung von Daten, die ln der Gewinnung von Informationen mündet, auf die Größenordnung und auf die Möglichkeiten gerade dieser Betriebe Rücksicht nehmen muß.

Bei einer Untersuchung darüber, ob diese Probleme mit konventionellen Maschinen oder nur mit Hilfe neuer Technologien gelöst werden können, muß man sich zunächst einmal mit dem Begriff Datenverarbeitung auseinandersetzen, Ihm kommt zentrale Bedeutung Zu. Nach einem Vorschlag Von Professor Dr. K. Steinbruch und Dipl.-Ing. S. W. Wagner vom Institut für Nachrichten Verarbeitung und Nachrichtenübertragung der technischen Hochschule Karlsruhe ist Datenverarbeitung eine „Sonderform der Nachrichtenverarbeitung, bei der von eindeutig beschriebenen Daten ausgegangen wird und bei Welcher die Anzahl der logischen Verknüpfungen relativ klein gegenüber der Menge der aufgenommenen Daten ist”. Ergänzend sagt dazu Dlpl.-Irtg. H. w. Ulbricht, Herausgeber und Chefredakteur der bekannten Fachzeitschrift „bit”; „Unter Daten sind im kommerziellen Bereich alle Zahlen, Worte und Zeichen zu verstehen, die bestimmte Zustände und Abläufe des wirtschaftlichen Geschehen kennzeichnen. Es besteht also grundsätzlich keinerlei Junktim zwischen der Datenverarbeitung und irgendwelchen elektronischen Einrichtungen.”

Damit sind wir dort angelangt, wo die Hauptmißverständnisse im Komplex Datenverarbeitung und Elektronik liegen. Geboren aus der Tatsache, daß am Anfang der elektronischen Entwicklung Grefldatenverarbel- tungsanlagen für wissenschaftliche, verwiegend militärische Zwecke entwickelt wurden, ist der moderne Begriff der Datenverarbeitung mit dem Begriff der Elektronik kombiniert werden. Genau betrachtet ist Datenverarbeitung aber schon jede einfache Handdureh- sehreibebuehhaitung. Da am Anfang die Lösung wissenschaftlicher Arbeiten im Vordergrund der Aufgabengebiete elektronischer Reehenantagen stand, wurden den Maschinen ganz bestimmte Arbeiten zugewiesen. Dabei war es nötig, relativ wenige Däteh einzugeben, die dann von der Maschine vielfältigen und komplizierten Rechnungen unterworfen wurden, Im Gegensatz dazu ist im kommerziellen Bereich ein ausgesprochener Massendatenan- fail zu bewältigen, der aber nur geringen Rechenoperationen unterworfen Wird, Die Definition Steiöbrueh/Wagtter deutet dies an.

Es drängt sieh nun die Frage auf, wie das Vordringen der Computer und das Interesse, welches Ihr Einsatz in der Öffentlichkeit findet, mit der Struktur der Wirtschaft in sinnvolle Verbindung gebracht werden kann. Auf einer Tagung der Fachgemeinschaft Büro- maschinen uhd Datentechnik im Verein deutscher Maschinenbauanstalten, die in Berlin tattfartd, wurde eine Proghose der Umsatzentwicklung für die nächsten fünf Jahre gegeben. Danach rechnet man auf dem Gebiet Addier-, Schreib- und Rechenmaschinen mit internationalen Zuwachsraten von lö bis 12 Prozent, für Buchungs- und Fakturiermaschinen mit 8 Prozent und für die Datentechnik mit 20 bis 25 Prozent. Daraus könnte man schließen, daß in absehbarer Zeit die Maschinen der neuen Technologie, vor allem die heute bekannten Großanlagen, die sogenannten konventionellen Maschinen völlig verdrängt haben werden. Dabei ist aber nicht berücksichtigt, daß sich auch bei den Maschinen die Begriffe verändern. So werden Maschinen, die heute noch in die Rubrik Buchungs- und Fakturiermaschinen eingeordnet werden, schon in Kürze der Datentechnik zugeordrtet werden.

Noch sind wir es gewohnt, die Maschinen der mittleren Datentechnik in Begriffe wie „Buchungsmaschinen” oder „Fakturiermaschinen” einzuzwängen. Diese Begriffe haben sich aber bereits in den letzten Jahren verwischt. Es war deutlich erkennbar, daß alle neu auf den Markt kommenden Maschinen aus diesem Bereich nicht mehr streng der einen oder anderen konventionellen Begriffsgruppe zugeordnet werden konnten, sondern daß es sich insgesamt um kleine programmierbare, elektronische Rechner handelt, die mit einer Volltextschreibeinheit gekoppelt wurden. Gemessen an früheren Begriffen hätte man diese Maschinen wahrscheinlich als Fakturiermaschinen bezeichnet. Die Elektronik, die längst auch in die kleinen Maschinen Eingang gefunden hat, hat die Anlagen jedoch derart umfangreich und variabel programmierbar gemacht, daß ohne Schwierigkeiten praktisch alle Aufgaben des betrieblichen Rechnungswesens mit solchen Anlagen bewältigt werden können. Durch eine solche Wandlung müssen sich natürlich auch die Begriffe wandeln. So sind Begriffe aufgetaucht, wie Organlsatlons- nmschlnen, Büroautomaten, Abrechnungsautomaten, Mehrzweckmaschinen oder auch — was dem Wesen der Maschinen vielleicht am nächsten kommt — Anlagen für die Direkte Daten-Verarbeitung (DDV).

So, wie es heute technisch möglich ist, mit einem Auto 500 Stundenkilometer zu fahren, was aber wirtschaftlich ln keiner Welse erforderlich und praktisch auch nicht realisierbar 1st, so 1st es Im Rahmen der elektronischen Datenverarbeitung auch möglich, extrem schnell zu rechnen. Nun 1st es für den Benutzer einer Maschine aber stets unmaßgeblich, ob die Maschine mit Nanosekunden oder nur mit Millisekunden arbeitet. Wesentlich ist für ihn, daß die Anlage immer so schnell 1st, wie sie für seine Zwecke gebraucht wird. Diese benötigte Kapazität einer Maschine wird aber bestimmt durch die Masse der Daten, die zu verarbeiten 1st, variiert natürlich durch die Kompliziertheit der Verreehnungsvorgänge. Als folge dieser Erkenntnis sind kleinere Datenverarbeitungsanlagen entstanden, mit denen die Hersteller solcher Maschinensysteme Ihren Markt nach unten vergrößern wellten. Die gleichzeitigen Bemühungen der Hersteller von Maschinen, die seit jeher ln der unteren Größenordnung lagen, ihren Markt nach eben zu erweitern, haben Im Endeffekt zum gleichen Ergebnis geführt. So kennte man ln der Diebeld-itatlstlk über die Installierten und bestellten Rechenanlagen ln Deutschland zum 1. Juli 1888 felgenden Vermerk Anden; „Neu aufgenemmen wurden aus Buchungsmaschinen entwickelte Abreehnungsanlagen, die hinsichtlich ihrer Ausbaufähigkeit und Einsatz- Möglichkeiten Eigenschaften von Rechenautomaten aufweisen,’ Dieser Vermerk 1st gewissermaßen der offizielle Niederschlag jener von uns zitierten Entwicklung von unten nach eiben.

Der technische Aufbau dieser neuen Maschinen bringt es mit sich, daß sie recht leicht systemfähig gemacht werden können, das heißt, daß der Anschluß anderer Maschinen, die Einordnung der einzelnen Anlagen ln komplexe Systeme ohne weiteres möglich 1st. So geht der Begriff DDV davon aus, daß bei der ersten maschinellen Verarbeitung der Daten nicht nur ein reiner Erfassungtvorgang vorgenommen wird, sondern daß gleichzeitig erste Auswertungen und Verdichtungen erfolgen. Reine Erfassungsvorgänge kennen wir aus der konventionellen Lochkartentechnik und in größerem Umfang auch aus der Arbeit elektronischer Großanlagen. Solche Erfassungsvorgänge sind das Lochen und Prüfen von Lochkarten, die der späteren rein maschinellen und mehr oder weniger automatisierten Auswertung der Daten dienen. Man hat sich nun mit Recht gesagt, daß ein soldier Erfassungsvorgang ja ohne Schwierigkeiten bereits irgendwie im weiteren Sinne nutzbar gemacht werden kann und daß man auf diese Weise diejenigen ersten Auswertungen bekommen könne, die für die Leitung eines Unternehmens von aktueller Bedeutung sind.

Eines der Hauptprobleme der ganzen Datenverarbeitung 1st die Frage, wie lange Wartezeiten dadurch entstehen, daß eine beitimmte Menge von Daten gesammelt werden muß. Denken wir zum Beispiel an die Bruttolohnabrechnung. Will man diese mittels Lochkarten in konventioneller Welse erstellen, so muß man im Grunde genommen warten, bis auch der letzte Beleg abgelocht und geprüft worden ist. Dann erst kann die Auswertung beginnen, die dann allerdings außerordentlich schnell abläuft. Bedient man sich statt dessen kleinerer Anlagen der mittleren Datentechnik, dann 1st die Arbeitsgeschwindigkeit zwar an sich geringer, aber es besteht die Möglichkeit einer täglichen Auswertung der Lohnibelege, so daß die insgesamt aufgelaufene Lohnsumme, ihre Verteilung auf Kostenstellen und Kostenträger und natürlich auch die Bruttolöhne je Arbeiter stets abgelesen werden können.

Nicht die Datenverarbeitung, sondern die Datenerfassung ist das eigentliche Problem lm modernen Rechnungswesen. Jede Steigerung der Arbeitsgeschwindigkeit der datenverarbeitenden Maschine muß fraglich bleiben, solange es nicht gelingt, die Methoden der Datenerfassung revolutionär neu zu gestalten. Vorschläge zu Lösungsmöglichkeiten ln dieser Hinsicht (vor allem optische und magnetische Schriftlesung) hat es schon viele gegeben. Eine wirklich befriedigende Lösung ist aber noch in keiner Weise gefunden worden.

Auf der bereits oben genannten Jahrestagung der Fachgemeinschaft Büromaschinen und Datentechnik wurde ganz klar ausgesprochen, daß nicht die verwendete Technologie, sondern die Gebrauchsfähigkeit der Maschinen für den Kunden das Entscheidende sei. Leider sei es heute oft noch so, daß viele Kunden eine Maschine kauften, weil sie — durch ihre moderne Technologie — ein Statussymbol darstelle.

Die Fehler bei der Beurteilung der Einsatzmöglichkeiten moderner Maschinen der mittleren Datentechnik liegt in der Hauptsache darin, daß ihre Möglichkeiten nicht richtig erkannt und daher Ihre Verwendungsfähigkeit und ihre Rentablität falsch beurteilt werden. Die Ursache dafür 1st wiederum, daß diese neuen, modernen Maschinen noch in alte Begriffe eingeordnet werden und daß von diesen nicht mehr zutreffenden Begriffen aus auch die Beurteilung erfolgt.

Wenn die neue technologische Elektronik der großen Masse der Betriebe nutzbar gemacht werden oll, dann wird es darauf ankommen, daß man erkennt, daß viele kleine Anlagen, die man heute noch mit konventionellen Begriffen bezeichnet, ln Wirklichkeit kleine moderne Datenverarbeitungsanlagen sind und daß es auch für sie bal ihrem Einsatz im Unternehmen eines Umdenkens und einer Neuorganisation bedarf.

Fassen wir den Inhalt der vorstehenden Überlegungen also wie folgt zusammen:

1. Das eigentliche Problem 1st ln der gegenwärtigen Situation nicht so sehr die Datenverarbeitung lm engeren Sinne als vielmehr die Datenerfassung.

2. Es ist falsch, den Begriff Datenverarbeitung unlösbar mit dem Begriff Elektronik zu koppeln.

8. Konventionelle Maschinen wird es noch lange Zelt geben, jedoch vieles, was heute als konventionelle Maschinen bezeichnet wird, wird lediglich zu Unrecht in konventionelle Begriffe eingeordnet,

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