7106095-1995_32_05.jpg
Digital In Arbeit

Eine Straße für reiche Leute aus dem Ausland

19451960198020002020

Heute beschäftigen Pyhrnauto-bahn und Semmeringtunnel die Politik - in den Dreißigerjahren stritt die Bundesregierung ebenso intensiv über den Bau der Großglockner-Straße, nur daß es damals um Millionen ging, heute aber Milliarden fehlen.

19451960198020002020

Heute beschäftigen Pyhrnauto-bahn und Semmeringtunnel die Politik - in den Dreißigerjahren stritt die Bundesregierung ebenso intensiv über den Bau der Großglockner-Straße, nur daß es damals um Millionen ging, heute aber Milliarden fehlen.

Werbung
Werbung
Werbung

Maßgebend für den Rau einer Kunststraße über das Hochtor ist der leistungsfähige internationale Fremdenverkehr jener reichen Leute aus dem weiteren Ausland, welche imstande sind, in Osterreich viel Geld auszugeben”, hieß es 1924 in einem Memorandum einer Gruppe österreichischer Politiker und Reamter, die eine Straße von Fusch in Salzburg über das Hochtor nach Heiligenblut bauen wollten - drei Meter breit, mit Ausweichen auf Sichtweite, elf Prozent Höchststeigung und Schotterfahrbahn.

Eine Glocknerstraße, „die technisch

alle berühmten Alpenstraßen in den Schatten stellt”, hieß es weiter, „wäre eine Sensation, die den wohlhabenden und vornehmen Reisenden und selbst verwöhnte Weltreisende anzuziehen vermöchte, die ihre Reisen zur Gänze mit dem Kraftwagen zurücklegen.”

Motor der Aktion war der junge Kärntner Ingenieur Franz Wallack, der anfing, Saumpfade zu trassieren, auf denen Händler und Soldaten seit Jahrhunderten die Alpen überquert hatten. Auf dem Weg über das Hochtor gingen im Mittelalter etwa zehn Prozent des Handelsvolumens zwischen Deutschland und Italien, Salz nach Süden, Wein, Südfrüchte, Gewürze nach Norden, berichtet der Chronist der Glocknerstraße Clemens M. Hutter.

1928 gedachte Salzburgs Landeshauptmann Franz Rehrl, bei Kaprun ein Großkraftwerk zu errichten - die notwendige Baustraße zum Hochtor könnte später zur Glocjmerstraße ausgebaut werden. Rehrl wurde nun zum politischen Motor des Raus und vertrat mit Vehemenz das Anliegen bei der Bundesregierung.

Denn diese war skeptisch. In den Zwanzigerjahren war das Geld knapp, und der Fremdenverkehr steckte noch in seinen Anfängen. Endlich, 1930, beschloß die Regierung, den Bau zu finanzieren - unter der Bedingung, daß die Großglockner-Hochalpenstraße AG, die vom Bund und den Ländern

Salzburg und Kärnten, gebildete Bau-und Betriebsgesellschaft, die Bau- und Erhaltungskosten aus den Mauteinnahmen abzahlen würde. Nun sah die Planung schon sechs Meter Breite vor. Inzwischen war die Weltwirtschaftskrise ausgebrochen. Arbeitsbeschaffung wurde dringend - 1933 gab es in Österreich 557.000 Arbeitslose - und hier am Glockner konnten sechs Sommer lang bis zu 3.200 Arbeiter eingesetzt werden, die sich mit Hacke und Schaufel, ohne schwere Baumaschinen, bis in Gletscherhöhe vorarbeiteten.

Auch in den anderen Bundesländern sollten *Straßen gebaut werden. Dort sah man mit Mißgunst auf die Bevorzugung der Glocknerstraße. Im Sommer 1933 mußte sich der Ministerrat mehrfach mit dem Bau beschäftigen. Sechs Millionen Schilling sollten für die Abrechnung der bisherigen Arbeiten und den Bau der Scheitelstrecke freigegeben werden, ebensoviel im nächsten Jahr, 1934. Dann aber sollte sich Rehrl um private Finanzierung, möglichst aus dem Ausland, umsehen. Finanzminister Karl Buresch war bereit, dafür auf das Pfandrecht des Bundes an der neuen Straße zu verzichten.

Aber wo sollte die Scheitelstrecke verlaufen? Der Plan eines Tunnels unter der Pfandelscharte wurde „wegen der hohen Kosten und der Ungewißheit über die technischen Schwierigkeiten von vornherein außer acht gelassen,” referierte Buresch. Andere Varianten wären über das Hochtor am Osthang oder über die obere Pfandl-scharte am Westhang. Buresch plädierte für die Hochtortrasse, weil sie mit zwölf Millionen um 50 Prozent billiger käme als die Straße am Westhang. Auf jeden Fall sollte erst nach

der Klärung der Finanzierungsfrage mit dem Bau begonnen werden.

Minister Vinzenz Schumy, im Bundeskanzleramt verantwortlich für die wirtschaftlichen Angelegenheiten, bremste: So viel wie für die Glocknerstraße vorgesehen sei, müßte für alle anderen Straßenbauten reichen. Der Bund könnte viel wichtigere Strecken nicht finanzieren - auch die Packstraße war damals gerade im Bau. Außerdem, meinte Schumy, könnte er als Kärntner nicht zustimmen, da der Überwiegende Teil des Aufwandes Salzburg zugute käme und nur ein bescheidener Rest Kärnten.

Vizekanzler Franz Winkler stieß nach: Hitler hatte gerade erst die „Tausendmark-Sperre” gegen Osterreich verhängt. Infolgedessen „komme der Fortsetzung des Baus der Glocknerstraße in dieser Saison ohnehin keine Bedeutung zu”, hält das Protokoll der Ministerratssitzung fest.

Eine Woche später erschien Rehrl selbst im Ministerrat, um die Interessen der Glocknerstraße zu vertreten. Er berichtete zunächst, daß die Baufirmen Nachtragsforderungen von vier Millionen gestellt - und auf 500.000 Schilling zurechtgestutzt worden seien. Aber dafür müßte der Bau weitergeführt werden.

Schumy sah den „Unwillen der Bevölkerung” wachsen, wenn „wichtige Straßenzüge des internationalen und lokalen Verkehrs im halbfertigen Zustand liegen bleiben müßten”, weil das vorhandene Geld für die Glocknerstraße verwendet würde. Die Investitionsmittel sollten im ganzen Bundesgebiet möglichst gleichmäßig Arbeit schaffen, statt „von überall her ortsfremde Arbeiter in großen Scharen an einer Stelle” zusammenzuziehen.

Ein Jahr später, im Juli 1934, berichtete Buresch, daß die 1933 auf der Basis von f930 zugestandenen Preise um zehn Prozent zu hoch angesetzt - und angewiesen - worden seien. Damit habe sich für den Bund bei einem Gesamtaufwand von zehn Millionen eine Mehrausgabe von 900.000 Schilling ergeben. Er habe daher die Absicht, „bei den Verhandlungen über das letzte Straßenstück entsprechende Kürzungen der Verdienstbeträge vorzunehmen”, heißt es im Ministerratsprotokoll. Sektionsleiter Franz Gruber, im Finanzministerium für die Geldvergabe zuständig, ergänzte, im Vorjahr seien Überschreitungen der Budgetansätze für den Rampenbau in Höhe von vier Millionen Schilling angefordert, jedoch abgelehnt worden.

Das „deute daraufhin, daß die Firmen jede Gelegenheit benützten, um ihren Vorteil zu finden. Dem sei nunmehr ein Riegel vorgeschoben worden.” Rundeskanzler Engelbert Dollfuß schloß die Debatte mit der Be-merkung, die beim Rau verwendeten Baracken sollten später vom Rundesheer übernommen werden.

Wallack hatte 1925 mit 120.000 Resuchern der Glocknerstraße gerechnet. Gutachter im Streit um die Trassenführung glaubten noch 1932, dies sei um 30 Prozent zu hoch gegriffen. Am 3. August 1935, vor 60 Jahren, wurde die Straße feierlich eröffnet, und schon tags darauf verfolgten zehntausende Zuschauer das „Erste Internationale Großglockner-Autorennen”. Es siegte der Italiener Tardini auf Alfa Romeo vor dem Österreicher Schneeweiß auf Austro-Omega.

Im ersten Jahr voller Benützung -1936 - fuhren bereits 146.000 Besueher über den Glockner. 1938 - nach dem „Anschluß” - passierten 374.000 Menschen die Mautstellen.

Der Bau war mit 26 Millionen Schilling angesetzt worden - das entsprach damals fünf Prozent des gesamten Investitionsvolumens von 1935. Als dann abgerechnet wurde war um 1,5 Millionen weniger verbraucht worden, als berechnet. Aber schon 1936 überstiegen die Mautein-nahnien die Millionengrenze.

Als 1985 das Fünfzig-Jahre-Jubiläum begangen wurde, hatten

schon 35 Millionen Menschen die Fahrt über die Glocknerstraße genossen. Im Mai 1994 konnte der 45-millionste Besucher begrüßt werden. 1962 erlebte die Glocknerstraße mit einer Durchfahrt von 360.000 Kraftfahrzeugen den Höchststand. Nach dem Bau der Tauern- und der Felber-tauern-Straße ging die Frequenz zurück, weil der Durchzugsverkehr zurückging. Bis 1990 hatten mehr als zehn Millionen Fahrzeuge Mauteinnahmen von eineinhalb Milliarden Schilling erbracht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung