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Eine verpaßte Chance

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Der Maler Karaman Kutateladse aus Georgien war zwei Monate lang in Wien. Was ihm spontan dazu einfällt: Daß er hier alle Malfarben kaufen konnte, die er brauchte; Farben, die man in Geogien nicht bekommt. So konnte er endlich die vielen Bilder malen, die in seinem Kopf schon jahrelang existierten.

Immer wieder kommen Künstler aus dem ehemaligen Ostblock und den Balkanländern für ein paar Monate nach Österreich. Sie arbeiten in Gastateliers, besuchen Sommerakademien. Organisiert wird alles vom Verein „KulturKontakt”. Und Vater Staat zahlt, sogar in Sparpaket-Zeiten.

Was uns das bringt? Karaman Kutateladse und andere, die hier waren, schwärmen jetzt zu Hause von Österreich. Das ist besser als jede Werbekampagne, auch wenn es sich nicht sofort auf die Nächtigungsziffern in österreichischen Fremdenverkehrsorten niederschlägt.

Ein anderer Schauplatz: Bratislava. Das 1995 gegründete Österreichische Kulturzentrum - formell noch immer nicht selbständig, sondern eine Abteilung der Botschaft - ist verwaist. Die bisherige Chefin kehrte nach Hause zurück, der Nachfolger kommt erst im September. Dazwischen sommerliche Leere. Österreichs Kultur ist auf Urlaub.

„Wir haben im internationalen Vergleich kleine Botschaften”, erklärt Gertrude Kothanek, Abteilungsleiterin im Außenministerium, „daher auch kleine, unterbesetzte Kulturinstitute.” In vielen osteuropäischen Ländern nicht einmal das: Selbständige Institute gibt es in Prag, Budapest, Warschau und Zagreb, überall sonst muß die Botschaft das Kulturelle mitbetreuen.

Wer immer im Ausland für österreichische Kultur zuständig ist, hat einen anstrengenden Job. Was fehlt, sind genug Leute, die sich vor Ort um die Kontakte mit der Kulturszene kümmern. „Wir könnten das Zehnfache tun. Aber wir haben dafür weder die Mittel noch die Infrastruktur”, sagt Elisabeth Mach, Kulturinstituts-Leiterin in Budapest.

„Krank werden durfte bei uns niemand”, bestätigt Stella Avallone, die jahrelang das Kulturinstitut in Bratislava geleitet hat. Ihr Arbeitspensum im Millenniumsjahr: 150 Konzerte, Ausstellungen, Lesungen und Vorträge zu organisieren - mit jungen Künstlern ebenso wie mit zugkräftigen Stars. Ob Österreich dadurch für das Nachbarland interessanter wurde? Vielleicht. Die meisten, die zu den

Veranstaltungen kommen, sind aber Auslandsösterreicher oder Botschaftsangehörige mit ihren Familien. Eben das „eingeschworene Kulturinistituts-Publikum” (Avallone); Leute, die Österreich nicht erst kennenlernen müssen. Ein breiteres Publikum zu erreichen, ist erklärtes Ziel - also hinaus aus dem Institutsgebäude, dorthin, „wo die Menschen sind”. Beliebte Veranstaltungsorte kosten aber viel Geld, und öffentliches Interesse ist deshalb noch lange nicht garantiert -höchstens dann, wenn ein einheimischer Publikumsmagnet mitmacht.

Weitere Ansätze, um mehr Zugang zur Bevölkerung zu finden: „In jeder Institutsbibliothek muß mindestens ein Regal mit österreichischen Rüchern stehen, die in die Landessprache übersetzt sind”, sagt Gertrude Kothanek. Und: „50 Prozent unserer Aktivitäten sollten auf die Rereiche

Erziehung, Bildung und Wissenschaft entfallen.”

Die Realität sieht anders aus: 22 österreichische Lektoren gab es an slowakischen Universitäten, jetzt, dank Sparpaket, nur mehr acht. Kothanek: „Wir hören oft Klagen, daß wir uns zu wenig um die Nachbarn kümmern.” Mit schuld daran seien zu hohe Erwartungen der jungen Demokratien: „Viele haben geglaubt, daß mit dem Austausch des politischen Systems sofort alles besser werden muß.” Auf die Euphorie folgte Verbitterung.

Hans Knoll, Galeriebesitzer in Wien und Budapest, bestätigt das. Er begann schon vor dem Fall des Eisernen Vorhanges mit dem Kultur-Austausch zwischen Ost und West. „Probleme gibt es auf beiden Seiten.” Die Ost-Künstler müssen sich erstmals dem internationalen Wettbewerb stellen *- für manche, die früher Volkshelden im Untergrund waren, eine herbe Enttäuschung.' Für Maler aus dem Westen ist der Kunstmarkt im Osten noch zu wenig attraktiv. „Viele, gerade Österreicher, sagen: Was soll ich dort?” Eine Überheblichkeit, die Zukunftschancen versperrt.

„Österreich hat nach der Ostöffnung eine historische Chance verpaßt”, kritisiert Hans Knoll. Nämlich die, sich als Drehscheibe für kulturelle Ostkontakte zu etablieren. „Vieles läuft jetzt schon an uns vorbei in andere westliche Länder. Das ist kaum mehr korrigierbar.”

Kothanek sieht durchaus Chancen - trotz leerer Staatskasse. „Auch mit knappen Mitteln läßt sich einiges erreichen, wenn man sie gezielt einsetzt.” Aber: „Für Kontakte braucht man Menschen.” Und Menschen -Mitarbeiter - kosten Geld. Der Kreis schließt sich.

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