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Eine Weltleistung österreichischer .Wissenschaft

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„Damit ein Ereignis Größe habe, muß zweierlei zusammenkommen: der große Sinn derer, die es vollbringen, und der große Sinn derer, die es erleben.”

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„Damit ein Ereignis Größe habe, muß zweierlei zusammenkommen: der große Sinn derer, die es vollbringen, und der große Sinn derer, die es erleben.”

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Wie alles, was Dauer verbürgt, lange wird, bevor es ist, so war auch das vom k. u. k. Unterrichtsministerium am 30. Dezember 1897 zunächst provisorisch genehmigte Statut des österreichischen archäologischen Instituts die formelle Sanktion einer vieljährigen pragmatischen Entwicklung. Denn vorausgegangen war ihm dss am 1. Oktober 1876 von den Professoren Alexander Conze und Otto Hirschfeld eröffnete archäologisch-epigraphische Seminar der Wiener Universität, dessen Aufgabe darin bestehen sollte, den „Unterricht und die Übung im Studium der archäologischen und epigraphischen Quellen der klassischen Philologie an der Universität zu fördern”. Schon ein Jahr nach der Gründung des Seminars war an Stelle des nach Berlin berufenen Professor Conze als Vertreter der klassischen Archäologie der spätere erste Direktor des Instituts, Hofrat Otto Benndorf, seinem Kollegen Professor Hirschfeld, dem später Professor Eugen Bormann folgte, zur Seite getreten. Die großartige, von neu zuströmenden Funden stetig genährte Entfaltung der philologisch-historischen Studien hatte für die Erschließung und wissenschaftliche Behandlung der monumentalen Quellen eine neue Epoche heraufgeführt; die reiche Fülle antiker Denkmäler, welche seit Jahrhunderten im Bereiche der österreichisch-ungarischen Monarchie zutage getreten waren und die Rolle der Don.iu- länder in der römischen Kaiserzeit lebendig Veranschaulichten, sollte unter Mitberück- sichtigung der benachbarten Balkanstaaten und Kleinasiens das Material für die Studien des Seminars abgeben. Es galt nun, für die Veröffentlichung diese/ Denkmäler ein Organ zu schaffen und damit zugleich den Seminarmitgliedern Gelegenheit zu publi- katorischer Tätigkeit zu geben. Dies leisteten die archäologisch-epigraphischen Mitteilungen aus Österreich (später aus Österreich- Ungarn), erschienen von 1877 an in zwanzig Jahrgängen zu je zwei Heften, in denen ältere und jüngere Gelehrte mit Originalabhandlungen, wie mit Berichten über Reisen und Grabungen und mit Veröffentlichungen von Denkmälern der österreichisch-ungarischen Monarchie und der angrenzenden Gebiete, der griechischen Inseln und Kleinasiens hervortraten. Zu den „Mitteilungen” gesellten sich die „Abhandlungen des archäologisch-epigraphischen Seminars an der Universität Wien”, welche den begabteren Seminarmitgliedern Gelegenheit boten, größere systematische Arbeiten vorzulegen. Als Lehrmittel dienten die „Wiener Vorlegeblätter”, die archäologische Sammlung mit ihren Gipsabgüssen und Originalen und eine umfangreiche Fachbibliothek. Diese leihende, lernende und publika- torische Tätigkeit fand ihre natürliche Ergänzung in Studien und Forschungsreisen .von Lehrern und Schülern; hervorgehoben Seien Conzes Freilegung des berühmten Mysterienheiligtums auf der Insel Samo- thrake (1873-75) und Benndorfs Entdeckung des gewaltigen Grabdenkmals eines lykischen Fürsten auf dem Berge von Gjölbaschi (1881). Auf solchen Expeditionen hatte sich Benndorf zugleich einen Stab von jüngeren Gelehrten herangebildet, den er später zweckmäßig für die Aufgaben des Instituts verwenden konnte.

So empfindet man die Gründung des In- situts als den natürlichen Abschluß dieser Entwicklung und als Konzentration einer Reihe von Aufgaben, welche nach dem Muster ähnlicher Anstalten im Auslande nunmehr unter einheitlicher Lenkung Erfüllung finden sollten. Der übernommenen Pflichten waren nicht wenige: als aus Staatsmitteln dotierte und erhaltene Anstalt hatte das Institut archäologische Reisen, Expeditionen und Grabungen durchzuführen, wissenschaftliche Publikationen herauszugeben, die staatlichen Antikensammlungen zu überwachen, die archäologischen Studien österreichischer Stipendiaten im Auslande zu fördern und mit der Zentralkommission für die Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmäler zusammenzuwirken. Zur Erfüllung seiner Aufgaben im Auslande entsandte das Institut ständige archäologische Korrespondenten nach Athen, Konstantinopel und Smyrna. Als Organ und zugleich als Fortsetzung der aufgelassenen Mitteilungen begründete Benndorf die „Jahreshefte des österreichischen archäologischen Instituts in Wien”, deren erster, prächtig ausgestatteter Band 1898 erschien.

Unter den Aufgaben des Instituts ragen als wichtigste hervor: eigene archäologische Unternehmungen und wissenschaftliche Veröffentlichungen. Das Institut darf sich nun in aller Bescheidenheit das Zeugnis ausstellen, daß es diesen Aufgaben bis zum heutigen Tage gerecht geworden ist. Was die Arbeiten im Felde betrifft, so war es für die künftige archäologische Tätigkeit im Auslande bestimmend, daß Benndorf mit glücklichem Griff als Grabungsstätte des Instituts in Kleinasien das antike Ephesos wählte, wo eine Voruntersuchung erfolgt war und nunmehr bis 1913 unter der Leitung von Professor Rudolf Heberde y, seit 1926 unter der von Hof rat Professor Josef Keil mit größtem Erfolge gegraben wurde. Über die hier bisher geleistete Arbeit sei zusammenfassenid nur soviel gesagt, daß dem Ziele der Erschließung der griechisch-römischen und der christlichen Stadt weitgehend gedient werden konnte: ein großer Teil des antiken Großstadtbildes mit seinem Markte, seinen Straßen, Säulenhallen und Kaufläden wurde geklärt, eine ganze Reihe von Monumentalbauten, darunter eine großartige Bibliothek, ein für 24.000 Zuschauer bestimmtes Theater, mehrere Thermenanlagen, der Riesenbau eines Mausoleums, das mit dem berühmten von Hali- karnaß wetteifern kann, und vieles andere wurde freigelegt. Ein bedeutsamer Ertrag von wertvollen Skulpturen, welche zum Teil nach Wien verbracht werden konnten, war die. Nebenfrucht dieser Arbeiten, ebenso eine Unzahl von Inschriften. Bedeutsam sind auch die bisher freigelegten und untersuchten christlichen Denkmäler: die Marienkirche, der mächtige Dom des hl. Johannes und die Kirchen- und Friedhofsanlage bei der Siebenschläfergrotte, eine heilige Stätte der Christenheit bi ins 15. Jahrhundert. Neben dieser großangelegten Grabungstätigkeit wurden von verschiedenen Gelehrten — es seien nur die Namen Josef Keil, Anton von Premerstein und Adolf Wilhelm genannt — zahlreiche Expeditionsreisen in Kleinasien unternommen, welche der Sammlung der griechischen und römischen Inschriften dieses Landes dienten, die von der kleinasiatischen Kommission der Akademie der Wissenschaften in Wien im Zusammenwirken mit dem Institut herausgegeben werden. Eine Vorstellung von der Fülle des heimgebrachten Materials möge die Zahl von etwa 40.0000 Inschriften geben.

Aber auch in Griechenland konnte sich das Institut mit namhaften Arbeiten in die internationale archäologische Forschung einschalten. Besondere Erwähnung verdienen die Freilegung eines Heiligtums der Göttin Artemis in Nordarkadien bei L u s o i, die Klärung der Topographie von Elis, wobei auch ein Theater ausgegraben wurde, eine Grabung in der am korinthischen Golfe gelegenen Stadt A i g i r a und die Mitwirkung bei der Erforschung der Akropolis von Athen, deren Frucht die „Parthenonstudien” des einstigen Sekretärs und jetzigen Direktors des Instituts, Professor Camillo Praschniker, darbieten. Von großer Bedeutung für die Institutstätigkeit hier und in Kleinasien nach dein ersten Weltkriege war die Wiedereinrichung des athenischen Sekretariats unter der Leitung Hofrat Professor Otto Walters.

Neben dieser archäologischen Forschung erfreute sich der Süden der ehemaligen Donaumonarchie, das Adriagebiet, besonders eifriger Betreuung. In Aquileia, Pola, Zara, Split-Salon a, ja während des ersten Weltkrieges sogar in Albanien und am Limes Italicus hinter der Isonzolinie, wurden zahlreiche archäologische Untersuchungen durchgeführt, der Pflege und Ausgestaltung der Antikensammlungen ein besonderes Augenmerk zugewendet. So wurde das Museum in Aquileia ausgestaltet, ein Staatsmuseum in Split erbaut und daselbst auch eine architektonische Neuaufnahme des Diokletianpalastes vorgenommen. Unter den archäologischen Unternehmungen ragen neben den baugeschichtlichen Forschungen Professor Rudolf Eggers über die konstantinischen und späteren Kirchen in Aquileia und Grado (1926), seine Untersuchung der Kirche und des Coemeteriums von Merusi- nac sowie des Coemeteriums von Crikvine bei Vranjic in der Nähe von Salona hervor. Als Teilnehmer an der jugoslawischen Ausgrabung in Stobi (1925) legte er die dortige städtische Kirche, eine dreischiffige Basilika aus der Zeit um 500, frei.

Hatte der Tod 1907 den ersten Direktor dem Institute entrissen, so hat nach dessen bald darauf verstorbenen Nachfolger Rudolf von Schneider, von 1908 bis 1933 Hofrat Professor Emil Reisch die Geschicke des Instituts geleitet, der die traditionellen archäologischen Arbeiten weiterführte und nach der Schmälerung des Geltungsbereiches des Instituts, 1918, vor allem die Erforschung der österreichischen Alpenländer intensivierte. Als Hauptziele kamen dabei in Betracht: die Fortsetzung der seit Jahrhundertbeginn im Zusammenwirken mit der Limeskommission der Akademie der Wissenschaften betriebene Erforschung des römischen Donaulimes, die Erschließung keltischer Sakralstätten aus frührömischer . Zeit, der römischen Alpenstädte und der Kulturepoche des späten und des werdenden Mittelalters. Es seien nur einige der wichtigsten und unterdessen allgemein bekanntgewordenen Forschungsstätten genannt: am römischen Donaulimes das alte Carnuntum vor den Toren Wiens, wo sich die jahrzehntelangen Untersuchungen um drei Angelpunkte, das Militärlager, die Nekropolen und die Zivilstadt gruppieren; dann L a u r i a c u m-Enns mit gleichartigen Aufgaben und das Kastell M au er-Oeh ling; in Ufernoricum vor allem das alte O v i- lava-Wels, im Westen Salzburg-1 u v a- vum und Bregenz-B r i g a n t i u m; im Innern der Alpenländer V i r u n u m, die römische Hauptstadt der Provinz Noricum auf dem Zollfelde bei Klagenfurt mit seinem auf österreichischem Boden einzigen Bühnentheater, Paternion-Feistritz mit dem nahen Hügel Duel, auf dem eine spätantike Fliehburg entdeckt wurde, Teurnia bei Spital a. d. Drau mit seiner als Schauobjekt offengehaltenen frühchristlichen Kirche, St. Paul i. L. mit einem Tempel des Mars Latobius; andere bekannte Forschungsstätten sind Juverrna bei Bleiburg, Ca11atio-Altenmarkt bei Win- dischgratz, Flavia - So1va bei Leibnitz, Poetovio-Pettau sowie die Römerstadt A g u n t u m-Lienz in Qsttirol. Nach dem zweiten Weltkriege kamen als ergebnisreiche Grabungsplätze Ruprechtshofen bei St. Leonhard a. F. in Niederösterreich und |n Kärnten seit 1948 wiederum der Magdalensberg, über den demnächst in der „Furche” berichtet wird, schließlich in Osttirol der Kirchberg von Lavant. Hand in Hand damit ging die siedlungs- und wirtschaftsgeschichtliche Erforschung der Länder sowie der Nekropolen. Im Hinblick auf die Erforschung der vor- und frührömischen Zeit und des späten Altertums und werdenden Mittelalters gaben die richtung- und beispielgebenden Arbeiten Professor Eggers der Tätigkeit des Instituts die fruchtbarsten Impulse.

Die Arbeit im Felde ist aber nur dann voll ausgewertet, wenn ihre Ergebnisse wissenschaftlich verarbeitet in gediegenen Veröffentlichungen der Fachwelt zugänglich gemacht werden. Auch hier darf das Institut auf eine schöne, von Hofrat Benndorf über Hofrat Z i n g e r 1 e bis zur Gegenwart reichende Tradition und auf eine große Leistung zurückblicken; seine periodische Fachzeitschrift, die „Jahreshefte”, sind vor kurzem bis zum 37. Jubiläumsbande gediehen; in zwangloser Folge erscheinende, schon 14 Bände zählende Sonderschriften stellen jede für sich eine systematische Arbeit über ein geschlossenes Gebiet der Archäologie oder Epigraphik dar; die repräsentativen Monumentalpublikationen der Forschungen in Ephesos und der Forschungen in Salona bieten die Veröffentlichung der Grabungen in erschöpfender Form dar: die ersteren liegen bis jetzt bereits in sechs stattlichen Bänden vor, ein weiterer, der die oben erwähnte Johannes- kirche behandelt, ist im Druck; daneben gibt das Institut von Anfang an fallweise große Einzelpublikationen heraus, welche unterdessen eine ansehnliche Zahl erreicht haben: zuletzt, im Jahre 1947, erschien das prächtig ausgestattete Werk von Prasch- niker-Kenner, „Der Bäderbezirk von Vira- num”; nicht vergessen sei die redaktionelle Bearbeitung der von der Akademie der Wissenschaften herausgegebenen Serien „Der Römische Limes in Österreich”, „Schriften der Balkankommission - Antiquarische Abteilung” und „Tituli Asiae Minoris”. In der richtigen Erkenntnis, daß die Forschungsergebnisse des Instituts auch einem größeren Publikum dargeboten werden sollen, hat die Direktion seit Jahren eine Reihe von archäologischen Führern erscheinen lassen-, welche wohlfeil und in der Darstellung einfach gehalten, jedem Interessierten eine ausreichende Kenntnis der alten Geschichte seiner Heimat ermöglichen: so wurde in diesem Jahre der Führer von T e u r n i a zum drittenmal aufgelegt, ein neuer für die Reliefs von S e g g a u ist im Druck. Daß diese größtenteils im Selbstverläge erscheinenden Führer fast durchwegs vergriffen sind und zum Teil mehrere Auflagen erlebten, beweist das lebhafte Interesse weiter Kreise für die Heimatforschung. Kein Zweifel also, daß jegliche Dotation von selten der Unterrichtsverwaltung aufs beste angelegt ist und vielfache Zinsen trägt. Noch bedeutsamer ist der ideelle Wert, der die archäologische Leistung des armen kleinen Österreich in unmittelbare Parallele zu den besten internationalen Leistungen der Institute von Großmächten stellt.

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