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Eiserner Vorhang um unsere Seele

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Empfinden wir Minderheiten in Osterreich eigentlich als Bereicherung? Der Rechtsterror hat uns diese Frage auf tragische Weise erneut gestellt.

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Empfinden wir Minderheiten in Osterreich eigentlich als Bereicherung? Der Rechtsterror hat uns diese Frage auf tragische Weise erneut gestellt.

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Vierzig Jahre Staatsvertrag, vierzig Jahre Verpflichtung, Minderheiten nicht nur zu tolerieren, sondern ihnen besondere Förderung zur Erhaltung ihrer Eigenart, Sprache und Kultur zu ermöglichen. Die Paneuropabewegung stellte unlängst in prominenter Besetzung die Toleranzfrage an die Österreicher. Wie gehen wir um mit unseren jüdischen Mitbürgern, mit Borna und Sinti, was sagen uns Kroaten und Slowenen, Ungarn und Tschechen?

Michael Sika, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, einer der Beferenten beim Paneuropa-Forum, ging grundsätzlich von einem problemlosen Verhältnis Österreichs zu seinen Minderheiten aus. Auch nach den Terroranschlägen von Oberwart und Stinatz ist seine optimistische Sicht ungebrochen. Dieser Bechts-terror habe ihn daher wie aus heiterem Himmel getroffen. Für diese Aussage unmittelbar nach den Attentaten ist Sika medial geprügelt worden. Seiner Grundüberzeugung konnte das dennoch keinen Abbruch tun.

Trotzdem muß in Österreich in den letzten Jahren „sehr viel schiefgelaufen” sein, wie Franjo Schruiff, Minderheiten- und Migrationsreferent des Grünen Clubs und persönlicher Mitarbeiter von Terezija Stoi-sits, konstatiert: Er ist überzeugt, daß angefangen von der Diskussion um den Präsidentschaftswahlkampf von Kurt Waldheim, über das Ausländervolksbegehren der ehemaligen FPÖ und den Aufstieg der F-Partei bis hin zu schikanösen Ausländergesetzen die Politik in eine falsche Bich-tung laufe. „Gepaart mit einer stän-

digen Verharmlosung des Rechtsextremismus, der Unterwanderung der Polizei mit rechten und fremden-feindlichen Ideologien und den zunehmenden rassistischen Tendenzen im Vollzug der Fremdengesetze wurde ein Klima geschaffen, das den Bombenterror ermöglicht hat - und das ihn wahrscheinlich noch weiter fördern wird”, so Schruiff.

Für den Grünen Minderheitenreferenten sind Solidaritätsbekundun-

gen gegenüber Minderheiten, Toleranzappelle und Bekenntnisse zur Vielfalt der Kulturen sehr wichtig. „Nach Oberwart werden sie aber nicht mehr ausreichen. Das Klima, in dem die Täter Aufwind spüren, muß an seinen Wurzeln rückgängig gemacht werden. Denn genausowenig wie die Täter aus dem Nichts kommen, kommt auch das Klima, das die Täter erst ermöglicht, aus dem Nichts.”

Schaden für uns selbst

Als geeignete Plattform, um seine Meinung einmal nicht nur Menschen darzulegen, die ohnehin seine Ansicht teilen, hat der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde in Österreich, Paul Grosz, gegenüber der furche die „doch eher sehr rechts stehende” Paneuropabewegung bezeichnet. Grosz bezog in seine Gedanken die Ideen von Bichard N. Coudenhove-Kalergi, des Gründers der Paneuropabewegung, ein. Wien stellt sich für Paul Grosz als „Einheit aus heterogenen Teilen” dar, als Hauptstadt Österreichs und kulturelle Stätte Europas, in der viele Überlegungen und Ideologien aus Ungarn, Norditalien, Tschechien und Mähren zusammenliefen. Nach Wien, „dem wohl bewegtesten Transmigrationspunkt in Europa”, kamen von überallher Volksgruppen, die ihre Kultur mitbrachten, sich hier niederließen, Wurzeln ge-

schlagen haben, ohne ihre Identität aufzugeben. Das, so Grosz, sei auch die Grundidee Coudenhove-Kalergis. „Das muß auch die Botschaft im Zeitalter der EU sein, die aufgenommen werden sollte.” Für Grosz ist das, anders als es die Schmelztiegel-Theorie besagt, nach der Kulturen sich vermischen und ineinander aufgehen, die eigentlich europäsche Idee, die sich durchsetzen müßte, „sonst geht die Demokratie zugrunde”.

Das Judentum habe drei weltbewegende Ideen eingebracht: Mit dem Eingottglauben und der Überzeugung, der Mensch sei Ebenbild Gottes, ist dem Menschen aufgetragen, sich asymptotisch den Ideen Gottes zu nähern. In den Zehn Geboten werde nicht nur festgehalten, was richtig und falsch, sondern was gut und böse ist. Die Volk-Gottes-Idee, „für die wir unerhört oft ge-

Srügelt wurden” (Grosz), zeigt dem lenschen (auch Christen und Moslems nehmen diese Idee für sich in Anspruch) seine Auserwähltheit. Grosz: „Alles, was der Mensch hervorgebracht hat, alle weiteren weltbewegenden Vorstellungen — beispielsweise von der Französischen Bevolution über den Marxismus bis hin zu Sigmund Freud - stammt eigentlich aus diesen göttlichen Ideen.”

Zurück zu Österreich und seiner gegenwärtigen Situation der Aversion gegen Minderheiten und Auslän-

der. Paul Grosz erinnert an das Jahr 1956, der ersten Bewährung des freien Österreich: Ungarnkrise, 200.000 Flüchtlinge.

„Der Umgang Österreichs mit den Ungarnflüchtlingen hat diesem Land für Jahrzehnte in aller Welt ein positives Image eingebracht”, so Paul Grosz. „Dann ist etwas passiert”, sagt der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde in Parallelität zu Franjo Schruiff, „was nicht hätte passieren dürfen. Der Eiserne Vorhang wurde aufgezogen, wir erstarrten vor Schreck und errichteten einen Eisernen Vorhang in unseren Seelen.” Grosz konstatiert derzeit „so viel Haß und sinnlose Abneigung gegen Fremde und ein Fehlverhalten, daß ein echter Schaden für uns selbst entstanden ist”.

Wurzeln schlagen

Grosz hat diese Stimmung seinerzeit am eigenen Leib erlebt, als einer, der in Ottakring aufgewachsen ist. „Ich weiß, was los ist in Bandbezirken von Großstädten, ich bin mit dem Spruch ,Jud, Jud, spuck in' Hut' groß geworden. Aber ganz Wien lebt heute noch davon, was damals von den Einwanderern eingebracht wurde. Natürlich, wenn man ,Tschuschen' nicht erlaubt, ihre eigenen Wurzeln hier zu schlagen, dann assimilieren sie sich auf dem niedrigsten sozialen und kulturellen Niveau.”

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