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Eiskästen aus Slowenien

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Es ist ein eigenartiges Land, dieses Kärnten, das in diesen Tagen vor allem deutsche Urlauber bevölkern. Nichts vermag die Gemüter der biederen Bürger so sehr zu erhitzen wie Fragen, die, mit „slowenischer Problematik“ gewürzt, Gelegenheit geben, die Mottenkiste einer vergangenen Ära zu öffnen.

Der gelernte Kärntner erinnert sich noch mit Schrecken der Viktringer Schloßgeister, die vor den letzten Nationalrats- und Landtagswahlen Grenzpfähle wanken ließen, und schon platzt eine neue staatsgefährdende Bombe. Während Außenminister Kirchschläger in einem Interview für das Laibacher Fernsehen erklärt, „stärkere Wirtschaftskooperation und wissenschaftlich technischer Austausch“ zwischen Österreich und Jugoslawien täten not, während sich Landeshauptmann Sima auf Reisen nach der Bundesrepublik Deutschland begibt, um dort Industrielle für Betriebsgründungen im Südkärntner Raum zu gewinnen, während man sich übe: wirtschafliche Rückständigkeit Süd-kärntens nahezu totjammert (was gab es doch für ein Lamento, als die Petrochemie sich für die Steiermark entschloß und nicht für Kärnten), werden Pläne bekannt, die die Haushaltsfabrik Gorenje aus Velenje in Slowenien mit einem Zweigunternehmen des florierenden Werkes im Raum Bleiburg an der österreichisch-jugoslawischen Grenze ansiedeln sollen — und schon ist das Feuer im Haus. Gleichzeitig bekommt Viktring — selbstverständlich unwidersprochen — eine deutsche Fabriksniederlassung, werden Pläne für eine Schweizer Betriebsgründung in Unterkämten bekannt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier unter dem Deckmantel wirtschaftlicher Argumente Ressentiments geschürt werden. Vor allem war man darüber empört, daß die Laibacher Handelskammer eine eigene Abteilung für Wirtschaftsbeziehungen mit Nachbarländern geschaffen hat, als ob es solche Sektionen oder Außenstellen nicht auch anderswo und in anderen Bereichen gäbe.

Die angeheizte Diskussion provozierte natürlich auch offizielle slowenische und Kärntner Stellen zu Stellungnahmen. So stellte der Präsident der Laibacher Handelskammer, Krese, fest, daß für Slowenien bei Betriebsgründungen lediglich wirtschaftliche Beweggründe maßgebend seien, während der geschäftsführende Landeshauptmann von Kärnten, Landeshauptmannstellvertreter Erich Suchanek, in einem Artikel in seiner Parteizeitung erklärte, man solle in wirtschaftlichen Fragen doch nicht immer wieder nationale Argumente bemühen und man solle endlich einen Schlußstrich ziehen.

Suchanek wurde allerdings in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß er selbst in der Frage eines österreichisch-jugoslawischen Grenzbahnhofes (also einer ebenfalls ausschließlich wirtschaftlichen Frage) sich gegen Jesenice (den ersten Bahnhof nach der österreichischen Grenze in Slowenien) ausgesprochen habe, weil eine solche Entscheidung, wie er sagte, einem Geschenk an Jugoslawien gleichkäme und gerade heuer, im 50. Gedenkjahr der Kärntner Volksabstimmung, in der gesamten Bevölkerung auf Unverständnis und allgemeine Ablehnung stoßen würde.

Es scheint zur immanenten Tragik diese Landes zu gehören, daß man sich von Utensilien aus der Gespensterkammer der Vergangenheit nicht trennen kann. Wenn man nach der slowenischen Betriebsgründung in Bleiburg fragt, die zweifellos einem wirtschaftlich zurückgebliebenen Gebiet gut bezahlte Dauerarbeitsplätze schaffen würde, hört man Antworten wie „Ich bin dagegen, daß sich die Slowenen bei uns immer breiter machen.“

Aber natürlich gibt es auch Erfreuliches zu berichten: am vergangenen Freitag eröffnete Bautenminister Moser das erste Kärntner Autobahnteilstück zwischen Wernberg und Töschling auf der Strecke Klagenfurt—Villach. Eine zweite Autobahn durch das Rosental, die den Fernverkehr aufnehmen soll, bleibt, dies deutete der Minister an, Kärntens frommer Wunsch. Das Staatsbudget könnte eine solche Belastung nicht verkraften. Die Klagenfurter Bevölkerung aber möchte es nicht so ohne weiteres hinnehmen, daß die Südautobahn mitten durch das Stadtgebiet geführt wird; man verweist nicht zu Unrecht auf die Tatsache, daß auch Linz und Salzburg umfahren wurden und daß die errechneten Prozentzahlen über Ziel-und Fernverkehr nicht stimmen. Das Gutachten von Prof. Dorfwirth aus dem Jahre 1962 gibt der Stadttrasse den Voraug. Die Durchführung des Projektes würde der Stadtverwaltung einen Gutteil der Stadtverkehrsplanung abnehmen, muß aber, so stellt man nun erneut eindringlich fest, im Namen der Stadtbevölkerung abgelehnt werden. Auch sonst ist Kärntens Sommer heuer keineswegs eine Sauregurken-zeit. In dieser Woche wird die Kärntner Messe und die österreichische Holzmesse in Klagenfurt eröffnet, die ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor in Österreichs sonnigem Süden ist. Im übrigen brachten die heißen Juli- und Augusttage Urlaubsstimmung auch für die Politiker. Selbst die Aufregung über die von den Sozialisten durchgepeitschte Fremdenverkehrsabgabe hat sich gelegt. Ob es nur die Ruhe vor dem herbstlichen Sturm ist? Die Aufstellung des Voranschlages verspricht jedenfalls einige harte Akzente abzugeben. Das Barometer steht nicht auf Sahönwetter.

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