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Elternprotest gegen SJM-Beichtväter

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Die Diözese St. Pölten kommt nicht zur Ruhe. Immer mehr Randgruppen finden eine neue Heimat bei Bischof Kurt Krenn.

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Die Diözese St. Pölten kommt nicht zur Ruhe. Immer mehr Randgruppen finden eine neue Heimat bei Bischof Kurt Krenn.

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Demnächst wird der Hauptsitz des Ordens „Servi Jesu et Ma-riae” (SJM) von Deutschland nach Niederösterreich verlegt werden. Der Umzug der über zwanzig Ordensmitglieder ist notwendig, denn der Augsburger Bischof Viktor Josef Dammertz hat sie im Sommer „wegen mangelnder Integrationsbereitschaft” zum Verlassen seiner Diözese aufgefordert. Der SJM-Obere Pater Andreas Hönisch hofft zwar gegenüber der furche, „in Augsburg bleiben zu können”, er will in den nächsten Wochen darüber noch Gespräche mit den Verantwortlichen führen, doch im bischöflichen Ordinariat von Augsburg heißt es, daß an der Entscheidung nicht gerüttelt wird.

Bischof Krenn nimmt die umstrittene Gemeinschaft dagegen gerne auf. Wo die Ordensmänner wohnen werden, steht jedoch noch nicht fest. Ursprünglich sollten sie nach Blin-denmarkt bei Amstetten übersiedeln, wo die Bewegung ein altes Schloß kaufte. Da das erworbene Gebäude erst renoviert werden muß, käme auch Kleinhain bei Herzogenburg als Niederlassung in Frage.

Denn wie aus dem Stift Herzogenburg exklusiv zu erfahren war, soll demnächst der Priester Werner Schmid der SJM beitreten. Der bisherige Ordensmann der „Missionare vom Kostbaren Blut” gründete die „Gemeinschaft vom heiligen Josef” (davor ein „Werk Mariens”), einen „Verein zur Förderung von Priesterberufen”. Auf der Suche nach einer „geistigen Heimat für konservative Priesterstudenten, denen die modernistische Ausbildung an herkömmlichen theologischen Hochschulen nicht entspricht”, gelangte Schmid von Mayerling bei Heiligenkreuz nach St. Pölten. Er erwarb das ehemalige Dorfgasthaus in Kleinhain, angeblich um acht Millionen Schilling. Die Renovierung des Gebäudes ist in Kürze abgeschlossen.

Rereits 25 junge Männer wohnen in dem Haus. 15 von ihnen gehen auf die theologische Hochschule in St. Pölten. Die anderen sind entweder Laienbrüder oder haben das Theologiestudium beendet und erteilen in den umliegenden Gemeinden Religionsunterricht. Am 19. März 1995 erfolgte die Anerkennung der Gemeinschaft durch Bischof Krenn. Seitens der Diözese ist Bischofsvikar Alois Hörmer für sie zuständig, welcher der Furche keine Auskunft geben wollte. Der Pfarradministrator von Kleinhain, Ambrosius Straka, steht den Vorgängen in seiner Pfarre distanziert gegenüber. „Wenn Schmid zur SJM geht, dann werden ihm gewiß alle seine Studenten folgen. Aus dem von ihm gekauften Haus dürfte eine Filiale dieses Ordens werden. Unklar ist mir, woher die SJM die 40 Millionen Schilling für die Renovierung des Gebäudes bekommen haben.”

Damit wäre Kleinhain bereits der dritte Ort in der Diözese, wo sich die „Servi Jesu et Mariae” niederlassen. Die umstrittene Gemeinschaft mit Kontakten zum „Engelwerk” war im Juli 1994 vom Vatikan anerkannt worden. Ihre Priester haben die Erlaubnis, die Eucharistiefeier im vor-konziliaren tridentinischen Ritus zu feiern. Auftrag des Ordens ist nach dem Gründungsdekret die Jugendarbeit und besonders die Betreuung von Pfadfindern. Diese Tätigkeit üben die beiden SJM-Priester Karl Barton und Anton Bentlage bereits in Zwettl aus. Bentlage hatte zuerst versucht, in der bayerischen Gemeinde Alsmoos-Pe-tersdorf ein Haus der „Katholischen Pfadfinderschaft Europas” zu errichten. Der zuständige Augsburger Bischoferteilte jedoch schon damals keine Anerkennung.

Daraufhin übertrug Bischof Krenn dem Orden die Führung des Knaben-Seminars in Zwettl. Bei der Hausübergabe erklärte Krenn, er wünsche der neuen Leitung, daß sie das Haus „mit vielen heiligen Lausbuben füllen” könne. Die Buben sollen nicht nur in Niederösterreich, sondern in Deutschland rekrutiert werden. Ausgerechnet in der rechtsgerichteten Zeitung „Junge Freiheit” wurde vergangenen Sommer für das Wald-viertler Internat regelrecht geworben, ebenso im rechtskatholischen Medium „Der schwarze Brief”. Vor dem Blatt „Junge Freiheit” warnte 1994 der Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen. Der dortige Innenminister Herbert Schnoor nannte die Publikation ein Beispiel für die Gefährlichkeit der „Neuen Rechten”. In vielen Artikeln werde national motivierte Fremdenfeindliphkeit, Rassismus und Antisemitisimus propagiert. Der Nationalsozialismus und seine Verbrechen würden verharmlost.

Darüber, wieviele Buben in Zwettl seit Schulbeginn von den SJM betreut werden, wollten sich Internatsleitung, das bischöfliche Ordinariat in St.Pölten und auch der zuständige De-chant gegenüber der furche nicht äußern. Nur der Direktor des staatlichen Gymnasiums, das die Heimbewohner besuchen, gab die Zahl bekannt: 15 Buben, zehn von ihnen, also vor allem die Neuankömmlinge, stammen aus Deutschland.

Wenig auskunftsfreudig zeigen sich auch die zuständigen kirchlichen Stellen in Blindenmarkt. Seit März 1994 leitet der aus Deutschland stammende Pfarrmoderator Gerald Goesche die 2100-Seelen-Gemeinde. In seiner Heimatdiözese Aachen ist der 35jährige Weltpriester kein Unbekannter. So wird aus der Pfarre St. Mariae Himmelfahrt in Geilenkirchen, wo Goesche früher als Seelsorger tätig war, von erheblichen Spannungen mit ihm berichtet. Ähnliche Erfahrungen machen nun auch Gläubige in Blindenmarkt. Die FuRCHE-Lese-rin Veronika Ebner schreibt in einem besorgten Brief: „Er änderte die Sitzordnung im Presbyterium und auch die Steh- und Sitzzeiten während der Messe. Lateinische Gesänge und Beweihräucherung aller Art stellten sich als seine Spezialität heraus. Auf die Bolle der Frau in der Kirche angesprochen, konnte er keinen Kommentar abgeben. Aus seinen Aussagen geht klar hervor, daß diese Bolle beschränkt ist auf drei Dinge: Kochen, Putzen, Kindererziehung.” Und weiter: „Die Pfarre ist heute völlig gespalten. Zahlreiche Christen fahren am Sonntag in die Nachbargemeinde zur Heiligen Messe.”

Für Ärger sorgt auch, daß sich Goesche nicht an die diözesane Bechts-ordnung hält. Im Juni enthob er den Präsidenten der Katholischen Aktion von St. Pölten, Karl Hochgatterer, aller pfarrlichen Ämter, weil dieser auf öffentlichem Grund für das Kirchen-volks-Begehren geworben hatte. Vor drei Wochen fuhr der umstrittene Pfarrmoderator ins Ausland, ohne das bischöfliche Ordinariat in St. Pölten zu informieren. Während seiner Abwesenheit vertrat ihn ein SJM-Priester. Die Gläubigen protestierten bei Weihbischof Heinrich Fasching. Von Goesche wird Rechenschaft über sein rechtswidriges Verhalten verlangt.

Mit den „Servi Jesu et Mariae” scheint der Pfarrmoderator Gleichgesinnte gefunden zu haben. Am Rande von Blindenmarkt liegt der Auhof, den der junge Orden eine Woche vor der Zwangsversteigerung um kolportierte sechs Millionen Schilling erwarb. Im dem stark renovierungsbedürftigen Gebäude halten sich derzeit die SJM-Priester Johannes Ziegler und Peter Eichenhüller auf. Über beide regen sich Befürchtungen in der Bevölkerung. So sollen die Mädchen bei der Beichte gefragt worden sein, ob sie schon Schamhaare haben. Oder in welche Geschäftsauslagen in Amstetten man auf keinen Fall schauen dürfe. Die Direktorin der Volksschule ist über solche Fragen entsetzt. Und der Obmann des Elternvereins in Blindenmarkt verfaßte ein ganzes Dossier mit Stellungnahmen betroffener Eltern und forderte Bischof Krenn auf, endlich einzuschreiten.

Eichenhüller sorgte schon als Kaplan in Ybbs für Aufruhr, wie Pfarrer Alois Angelmayer der Furche bestätigte. Die Gottesdienstteilnehmer mußten nicht nur Teile der Eucharistiefeier in lateinischer Sprache vernehmen, sondern auch einen äußerst deftigen Predigtstil kennenlernen. Seine Kritiker - Eichenhüller nannte im Gottesdienst sogar Namen - hätten „genug eigenen Dreck am Stecken”. Man kenne „den Schweinestall, in dem gewisse Leute leben”. Statt ihn „anzukratzen”, sollten jene, deren „Hirn und Verstand” durch Sünde, Dummheit und „Unmäßigkeit im Lügen” schon ganz „vernebelt” seien, „ihr eigenes Leben überprüfen, bevor sie hier mit einem solchen Schmarrn kommen”. Nach der Messe eskalierten die Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern Ei-chenhüllers zu heftigen Schreiduellen. Obwohl Pfarrer Ängelmayer den Kaplan ständig maßregelte, zeigte dieser kein Einsehen und mußte schließlich Ybbs verlassen.

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