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Entgiftung der öffentlichen Meinung

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Bei der in Köln-Altenberg vom 1. bis 6. August 1953 veranstalteten internationalen Arbeitstagung der Pax-Christi-Bewegung unter dem Protektorat der Kardinäle Feitin (Paris) und Frings (Köln) und der Leitung von Bischof Dr. Joseph Schroffer (Eichstätt), hielten Hauptreferate M e-noud (Fribourg), Ducatillon (Paris), Veronese (Rom), La Pira (Florenz), Friedrich Heer (Wien). Unser Text bringt einen Teilabdruck aus dem Referat des letzteren vom 4. August. „Die österreichische Furche“

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Bei der in Köln-Altenberg vom 1. bis 6. August 1953 veranstalteten internationalen Arbeitstagung der Pax-Christi-Bewegung unter dem Protektorat der Kardinäle Feitin (Paris) und Frings (Köln) und der Leitung von Bischof Dr. Joseph Schroffer (Eichstätt), hielten Hauptreferate M e-noud (Fribourg), Ducatillon (Paris), Veronese (Rom), La Pira (Florenz), Friedrich Heer (Wien). Unser Text bringt einen Teilabdruck aus dem Referat des letzteren vom 4. August. „Die österreichische Furche“

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Die Ohnmacht des Christen in der heutigen Welt zeigt vielleicht nichts so deutlich wie der geringe Einfluß des Christlichen auf die Bildung der öffentlichen Meinung. Das ist eine lebensgefährliche Sache für uns alle. Wir haben hier zunächst nicht zu fragen: Wie entgiften wir die Welt, die anderen?, sondern wie entgiften wir uns selbst, uns Katholiken?

Welche Hindernisse stellen sich einer Entgiftung der öffentlichen Meinung der Katholiken Europas entgegen? Wir alle leiden unter unserem Unvermögen, ändernd, wandelnd einzugreifen in die Geschichte. Jeder wirtschaftliche Interessenverband, jede politische Partei scheint mehr Recht über die öffentliche Meinung zu besitzen als 200 Millionen Katholiken. Da stimmt vieles nicht. Versuchen wir einige Ursachen unseres Versagens aufzuzeigen.

Die öffentliche Meinung und Meinungsbildung im christlichen Raum stellt zumeist nicht das Zusammenspiel vieler Gegensätze, die sachliche Begegnung vieler verschiedener Standpunkte und Anschauungen dar, sondern, zu oft, einen konformistischen Brei von Schlagwörtern und Slogans. Weithin hat man vergessen, daß es für den Katholiken nur wenige Heilsformeln gibt, die Dogmen. Die Dogmen, diese Schirmer des Göttlichen und Menschlichen, deren Bedeutung nicht zuletzt auch darin besteht, auszuscheiden und anzuzeigen, was alles nicht Heilsformel ist. Da sich heute oft jeder kleine katholische Publizist, von größeren Interessenverbänden ganz zu schweigen, anmaßt, seine politische, gesellschaftliche, künstlerische Meinung als Heilsformel vorzutragen, ist die sogenannte katho-

lische öffentliche Meinung einem Zimmer vergleichbar, das bereits überfüllt ist mit alten Möbeln. Nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Themen ist kein Platz in diesem Raum, in dem alles bereits normiert, etikettiert erscheint. So kommt es, daß wir heute im katholischen Raum eine Masse haben, die hilflos mit den anderen, außerchristlichen Massen den Wellen und Springfluten von Angstpsychosen, Nationalismen, von kollektiven Flaß- und Zwangsvorstellungen erliegt, weil sie selbst nicht zu einer Gesellschaft Mitredender, Mitdenkender, mitverantwortender Personen gewandelt wurde. Und so kommt es, daß wir eine kleine Schar von Kirchenführern, Priestern und Intellektuellen haben, die verwundert und bestürzt sehen, wie wenig die Masse des katholischen Kirchenvolks (und dieser Masse gehören auch Repräsentanten des politischen, geistigen und religiösen Lebens an) bereit ist, für die Kirche in Europa Verantwortung zu übernehmen; wie tief eingefressen nationale Vorurteile und gesellschaftliche Komplexe sind; wie übermächtig heute gerade in katholischen Kreisen der „alte Adam“ ist, der einfach nicht glauben will, daß eine* neue Stunde für Europas Völker geschlagen hat, in der sie berufen sind, in friedlichem Wettstreit, als Gegner und Partner, einander zu helfen und zu lieben.

Die sogenannte öffentliche Meinung gerade auch der Katholiken ist allzuoft eine „monde clos“, eine geschlossene Welt ohne Fenster, in der es an den notwendigen sachlichen Auseinandersetzungen fehlt, an Freiheit und Würde vieler Gegnerschaften. Diese allzusehr

gleichgeschaltete öffentliche Meinungsbildung ist deshalb kaum mehr als ein Ort anzusehen, in dem so ernste und heikle Dinge wie der des Nationalismus des eigenen Volkes heilvoll behandelt werden können. Es bedarf hier sichtlich neuer Wege, neuer Methoden, eines neuen Geistes. Das heißt zunächst konkret, die bisher allzusehr auf Massensuggestion, Massenpropaganda, Massenreklame eingestellte öffentliche Meinungsbildung auch im katholischen Raum, muß, wenn sie ernsthaft an eine Bewältigung unserer Lebensfragen gehen will, sich zu einer Aussprache mit dem Einzelnen umformen, mit der Person des Katholiken, dessen Wissen gebildet, dessen Gewissen über Pflichten und Aufgaben in Europa aufgeklärt werden muß. Das aber erfordert eine Stärkung katholischer Presse und Publizistik, die Heranbildung priesterlicher und laikaler Persönlichkeiten für diese Aufgabe freier Rede — nicht aber die Sammlung von Karrieremachern, Ambitionierten, öffentlichen Herumstehsrn und konformistischen Ja-Sagern.

Die Arbeit an der Entgiftung fordert dreierlei: ein Wissen um das Wesen des heutigen Nationalismus, die Weckung einer neuen Katholizität und einer neuen existentiellen Erfahrung der Kirche in Europa, das Bedenken der konkreten Arbeiten, die in diesem Sinne sofort zu beginnen sind.

Was ist dieser Nationalismus, der, von Europa ausgehend, springflutartig die anderen Kontinente überschwemmt, die Massen in Afrika und Asien anstachelt und uns selb so tief versehrt? Der neueuropäische Nationalismus, der nicht verwechselt werden darf mit alteuropäischem Patriotismus, ist im späten 18. Jahrhundert entstanden, aus zwei Tatsachenreihen von weltgeschichtlicher Bedeutung: aus dem Zerfall der archaischen Gesellschaft und aus dem Verfall des Glaubens an das Uebernatürliche.

Der neueuropäische Nationalismus entsteht heute aus der Angst der unbetreuten Masse, die sich nach Bergung sehnt: in einer neuen Gemeinschaft der Lebenden und Toten, mit ihrer neu zu betreuenden Materie (der sogenannte Materialismus ist ein spirituelles Problem), mit dem neu zu erlösenden unbetreuten seelischen Untergrund. Dieses Untergrundes nehmen sich die Dichter, Publizisten und Historiker an als nationale Propheten, die in der Volkssprache als der Heilssprache der neuen Heilsgemeinschaft, der Nation, das Heil aus dem Volke, aus der Materie, aus dem Untergrund rufen und bergen. Die Nation als Sprachgemeinschaft, als Heilsgemeinschaft der Lebenden und Toten, übernimmt die Betreuung der Materie mittels Technik, Industrie und Krieg, übernimmt die Betreuung des Untergrunds mittels ihrer Dichter, Publizisten, Theater, nationaler Sakramente, Fahnen, Riten, Feste. Die Nation als Volksgemeinschaft übernimmt damit faktisch die Rolle der archaischen Gesellschaft und die Rolle der Kirche: sie setzt sich als höchster Wert und bindet tatsächlich die Gefühle und Gedanken, die Aengste und Hoffnungen ihrer Angehörigen an sich. Nur kurz vermerkt kann es hier werden: die Katholiken haben dieser Konstituierung der * Nationen als Ersatzkirchen in Europa keinen genügenden Widerstand entgegengesetzt — sie haben vielfach entscheidend an ihrer Konstitution mitgewirkt, weil sie stillschweigend selbst diese Nation mit der Kirche identifizierten. Diese schreckliche Konfusion, die heute noch keineswegs überwunden ist, basiert

auf der Schwächung des Glaubens an das Uebernatürliche, das auch von den Normalkatholiken immer mehr in ihre mehr irdischen Sehnsüchte und Geschäfte hereingezogen wurde.

Gleichzeitig und im engsten Zusammenhang mit dem Einsturz der archaischen Gesellschaft und dem Verstoß der industriellen Revolutionen machte sich auch ein Schwund der geistlichen Substanz bemerkbar, der heute das Problem und die Existenzfrage des europäischen Katholizismus darstellt. Wir Katholiken sind nämlich deshalb so unfähig, unseren Nationalismus zu überwinden, weil wir mit allen anderen Nationalisten glauben, alles selbst machen, organisieren, leisten, erarbeiten, erkämpfen zu können. Nationalismus ist ja in diesem Sinne nichts anderes, als die feste Entschlossenheit, die Dinge der Welt selbst in die Hand zu nehmen, mittels Krieg, Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst. Der Nationalist traut nicht dem Vater von oben, der keinen Sperling aus seiner Hand fallen läßt, der die Lilien auf dem Felde kleidet und uns unser tägliches Brot gibt. Wir Normalkatholiken sind praktisch und faktisch genau so: wir wollen es selbst schaffen, selbst leisten. Ein Leben aus dem Glauben, im langmütigen geduldigen Vertrauen auf die Gnade, auf die Kräfte von oben, gilt den meisten Katholiken als pietistisch, spiritualistisch. Als harte Manager, die der Welt unsere Forderungen und Alternativen, unsere Machtpositionen und Organisationen aufzwingen wollen, stehen wir in einem Konkurrenzkampf mit anderen Nationalisten, anderen Parteien.

Dazu kommt nun ein anderes: so lange die Massen, die Materie und der seelische Untergrund unserer Völker so unbetreut bleiben wie sie es seit dem Einsturz der archaischen Gesellschaft sind, werden die Wellen des „linken“ und „rechten“ Nationalismus nicht aufhören, Europa und die ganze Welt zu überfluten und sich als Ersatzkirchen zu konstituieren, die eben mit ihren Mitteln versuchen, die Massen zu bergen in der Allversicherungsgesellschaft des totalen Staates, in der Heils- und Geistgemeinschaft der Nation.

Was hätte demnach zu geschehen, wenn wir Katholiken unserer Aufgabe, die Nationalismen zu bändigen, gewachsen sein sollten?

Wohl ein Dreifaches: Eine autochthon christliche Betreuung der Masse, der Materie und des seelischen Untergrundes; eine Neubildung der geistlichen Substanz; eine sorgfältige Pflege und Erziehung der öffentlichen Meinung, das heißt eine Wissensbildung und Gewissensbildung der 200 Millionen europäischer Katholiken im Sinne unserer Verantwortung für die Kirche in Europa, in unseren Völkern.

Hier ist die Ansicht zurückzuweisen, eine Handvoll von Geschichtsschreibern, Schulbuchverfassern und Publizisten könnte allein die öffentliche Meinung entgiften. Ohne die Mitarbeit der Priester, ohne eine erneuerte weltoffene Katholizität, können wir Publizisten unsere Aufgabe gar nicht sehen, geschweige denn sie lösen, wir würden vielmehr selbst von der öffentlichen Meinung gemacht und geprägt. Hier nur als Illustration ein charakteristisches Beispiel: Der verdiente Pädagoge Willmanns nahm sich vor, wenn er je der Hölle des Nationalsozialismus entranne, ein Buch zu schreiben, das es unmöglich machen sollte, daß das deutsche Volk je wieder solchen Verbrechern blind gehorchen und daß der Geschichtsunterricht je wieder solchen Lügnern Vorschub leisten könne. Dieses Buch erschien 1949: „Methoden des Geschichtsunterrichts.“ In ihm lesen wir wörtlich:

„In der Vielfalt aller Gemeinschaften, denen der Mensch auch angehört und die alle seinem Geschichtsverstehen erst Sinn und Bedeutung geben, ist eine einzige, die uns vor völliger Relativierung rettet und zu Herz und Verstand unmittelbar spricht, weil sie uns die festen Maße für Gut und Böse gibt — und das ist die innere Erfahrung der Heimat, die Vertrautheit mit Herkunft, Muttersprache und ererbter Sitte, die Liebe zum Vaterland, kurz die Lebensverbundenheit der Nation. Dies 'ist das absolute Maß, das allen anderen relativen Maßen erste Farbe und Gewicht und Sinn gibt“

Walter Fritsch bemerkte hierzu:

„Ich finde, ein Nationalsozialist reinster Observanz hätte das nationale Credo auch nicht orthodoxer ausdrücken können.“ Hier liegt ein Musterbeispiel vor, wie auch für gutwillige christliche Historiker d i e eigene Nation eine Ersatzkirche geworden ist, deren Maße für Leben und Tod maßgebend sind. Wir aber haben uns zu bemühen, heiter, gelassen, in katholischer Fides und Ratio, in katholischer Aufklärung, mit erhelltem Geist und erhelltem Gemüt, die Wege unserer Völker in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in Europa forschend zu betrachten, in einer harten, ernsten Liebe,

die sich der historischen Situation von heute bewußt ist. 800 Jahre nach Bernhard von Clairvaux, in einer Zeit, in der die Kriege und Bürgerkriege, die kalten und heißen Kriege ineinanderfließen, sich als Teilbestände eines einzigen Phänomens erweisen, müssen wir die Konsequenzen ziehen: es kann für uns Katholiken heute nur noch um Kreuzzüge nach innen gehen, nicht mehr um Kreuzzüge nach außen. Das heißt: es geht in einem nothaften harten Ringen zunächst um uns selbst, um eine Bergung der unbetreuten Massen, des Volkes und des Niedervolkes, der Materie und des Untergrundes, die allzu lange oberflächlich überherrscht wurden. Für den Publizisten und Historiker heißt das: Wir müssen versuchen, das Leid, die Versuchung, die nationalen Niederlagen und Ent-

täuschungen, die Haßkomplexe und Aggressivitäten, die in diesem Untergrund zu neuen Ausbrüchen bereitstehen, in die Helle des christlichen Bewußtsein, einer katholischen und europäischen Nationalität zu heben. Wobei festzuhalten ist: „Siege und Niederlagen, das heißt, was man eben in der politischen und militärischen Geschichte so nennt, sind gleichermaßen zu betreuen. Hier zeigt sich sehr schnell: Wer es wirklich wagt, die Histoire sincere einer europäischen Nation zu schreiben, wird sehr bald zurückschrecken vor dem Tatbestand ihrer politischen und äußeren Geschichte — wieviel Unglück und Unheil, wieviel Enge, Grausamkeit, ja Verbrechen werden da in Krieg und Bürgerkrieg, in Verfolgung Andersdenkender, in der Austreibung von Minderheiten sichtbar. Es erfordert große Seelenkraft, der Geschichte seines eigenen Volkes ins Gesicht zu sehen. Soll diese Vergangenheit uns nicht als Medusa erscheinen, die uns verhärtet und zur Lüge verführt, so sind zwei Geschäfte zu besorgen,

eines, das in der natürlichen, das andere, das in der übernatürlichen Sphäre beheimatet ist. Im natürlichen Bereich: Viel mehr als bisher ist die innere Geschichte unserer Nationen zu pflegen, nicht einfach nur als Kompensation gewissermaßen für die politische Geschichte und ihre Misere, sondern im engsten Zusammenhang mit ihr. Das dramatische Ringen von Dichtern und Künstlern, Denkern, von tausend Betern und Nichtbetern, The-isten und Atheisten um ein Selbstverständnis des Menschen, um eine Wegfindung durch die Zeit, das Zusammenspiel dieser inneren Fronten mit allen inneren Fronten in den anderen Völkern eröffnet ungeahnte Perspektiven. Wenn wir in diesem Sinne die ganze Geschichte unserer europäischen Nationen uns vorstellen, dann werden wir in jeder von

ihnen einen Reichtum, eine Fülle des Menschlichen und des Christlichen finden, die Trost gewährt. Diese innere Geschichte unserer Völker wird aber erst ganz gesehen, wenn wir ihren Herzkern miteinbeziehen: die Geschichte der Heiligen, und die Geschichte der geistlichen Institute und Orden. Die Heiligen treten sehr oft auf als Kämpfer wider spezifische nationale Versuchungen ihres Volkes. Das Leben und Wirken des heiligen Clemens Maria Hofbauer, des Apostels Wiens, der von Haus aus ein tschechischer Bäckerlehrling war und dessen ganzes Leben von Sorge über den Gang der deutschen Nation im 19. Jahrhundert überschattet ist, beleuchtet diese Tatsache aufs trefflichste.

Damit aber stehen wir bereits vor der zweiten Aufgabe des katholischen Historikers und Publizisten von heute. Die Rechnung der Vergangenheit geht ja im natürlichen nicht auf, sie wird aus dem rein natürlichen gar nicht verständlich. Wir können noch so viele „positive“ Momente aus der Geschichte unse-

rer Völker herbeischleppen, wir können uns noch so sehr freuen über ihre Dome und Kathedralen, Denker, Künstler und Heiligen — es bleibt ein Rest, ein bitterer, böser Rest des Negativen, der bei näherem Zusehen noch anwächst und der bis zu dieser Stunde mit Eitelkeit und Machtsucht die Luft Europas vergiftet.

Will der katholische Historiker und Publizist hier nicht in die Phrase und Sentimentalität ausweichen, dann hat er nur eine Möglichkeit: entschlossen unters Kreuz zu treten. Hier nämlich werden erst die wahren Perspektiven sichtbar. Unterm Kreuz Christi, nicht wie zumeist unter dem Kreuz unserer unerfüllten und unerfüllbaren Süchte und Begehrungen, sind die Quellen und Tatsachen der Geschichte unserer Völker zu studieren, ihre Höhen und Tiefpunkte, der Auf- und Abstieg, die großen Versuchungen kleiner und großer Völker. Hier kann sich jene offene Katholizität bilden, die das eigene Volk als eine Gemeinschaft vieler Gegner und Gegensätze begreift, die alle als Chancen und Partnerschaften für uns ernst zu nehmen sind. Hier kann Europa verstanden werden als eine Gemeinschaft vieler Gegensätze, die miteinander sorglich zu behüten sind, und hier kann und muß letztlich die Kirche in ihrer historischen Erscheinung gewürdigt werden als eine Kommunion vieler Gegner und Gegensätze.

Offene Katholizität realisiert sich also 5n der Nation, in Europa, in der Kirche. Ihr geht es um eine sorgliche Verwandlung der Feindschaften in Partnerschaften, vom giftigen Nationalismus zu einem gesunden Patriotismus. Dieser Patriotismus versteht allein das echte Anliegen christlicher Demokratie, die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den politischen und weltanschaulich Andersdenkenden. Diese offene Katholizität ist allein befähigt, die zahlreichen Aengste aufzuarbeiten, die zu starren Fronten führen und von vielen weltpolitischen Machtherren dazu benützt werden, das gefährliche Geschäft des Schreckens zu betreiben und mittels Angstinjektionen gerade auch die Katholiken in eine stumme Herde gehorsamer todwilliger Schafe zu verwandeln. Diese offene Katholizität allein kann Europa als eine Partnerschaft vieler Gegner positiv begreifen — kann Wettstreit an die Stelle des kalten und heißen Krieges setzen, weil sie Europa als einen Raum in der Weltkirche und die Weltkirche als einen Raum Europas versteht, einen großen, weiten, lichten Raum, der allen europäischen Völkern Atemfreiheit und eine eigenständige Existenz bereitet.

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