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Ermordete Juden bekommen eine Gedenktafel

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Am kommenden Mittwoch wird an der „Alten Kirche” von Deutsch Schützen eine Gedenktafel für rund 60 in den letzten Kriegstagen von den Nazis ermordete ungarische jüdische Zwangsarbeiter enthüllt.

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Am kommenden Mittwoch wird an der „Alten Kirche” von Deutsch Schützen eine Gedenktafel für rund 60 in den letzten Kriegstagen von den Nazis ermordete ungarische jüdische Zwangsarbeiter enthüllt.

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Am Mittwoch, 23. August, konnte die Suche nach dem Massengrab der rund 60 ungarischen Juden erfolgreich beendet werden. Dem Verein „Schalom” unter Leitung von Walter Pagler ist es mit Hilfe eines Videos und mehrmaliger Ortsbetrachtung gelungen, das Grab zu finden. Dieses Video konnten die Autoren dieses Beitrages über Kontakte des Collegium Hungaricum von dem Überlebenden Moshe Zeiri aus Israel Walter Pagler zukommen lassen. Auch bei der Interpretation konnten sie wichtige Hinweise liefern, denn es war nur aufgrund eines kurzen Schwenks möglich, die Stelle ungefähr zu lokalisieren. Dieser Videoschwenk zeigt das alte Zollhaus von Deutsch Schützen, einer kleinen Ortschaft in Südburgenland (siehe dazu den Beitrag in furche 14/1995,

Seite 19), und im Hintergrund die bereits auf ungarischem Boden liegende Ortschaft Pernau (Pornöapäti). Durch diese Erkenntnisse und andere Hilfsmittel gelang es dann, die genaue Grabstelle aufzufinden.

Moric Klein, wie Moshe Zeiri bis 1946 hieß, hatte das Video 1993 bei einem Besuch in Deutsch Schützen, bei dem ihn eine Zeitzeugin zum Tatort führte, angefertigt. Er selbst hatte als Zwangsarbeiter in Deutsch Schützen seinerzeit schanzen müssen und war vom Tag der Erschießung der 60 an bis zum Frontwechsel von Dechant Johann Farkas versteckt worden.

Das Grab wurde bereits im Mai 1945 von einer ungarischen Kommission erstmals geöffnet, um die Identität der Ermordeten festzustellen. Es wurden 47 Leichen gefunden, wobei jedoch zirka zehn bis zwölf weitere Tote vermutet wurden. Nach Sicherstellung der Ausweise wurden die Toten sofort wieder an Ort und Stelle beerdigt. Aufgrund von Zeugenaussagen im Zuge der Gerichtsprozesse und dieser Angaben dürfte die Anzahl der Toten mindestens 57 betragen, wobei es durchaus möglich ist, daß es sich um bis zu rund 80 ermordete jüdische Zwangsarbeiter handelt.

Auch bei der jüngsten Wiederauffindung des Grabes konnte die Anzahl nicht geklärt werden. Die Grabstelle soll zum Friedhof erklärt werden, da nach halachischen Vorschriften nur eine Exhumierung und Überführung zulässig ist, wenn alle Leichenteile aufgefunden werden können, was sich jedoch nach 50 Jahren als unmöglich erweist. Die gesamte Stelle wird mit einer Betonplatte bedeckt.

Im Herbst 1944 begann an der bur-genländisch-ungarischen Grenze der Bau des sogenannten „Südostwalls”. Zum Bau dieser Verteidigungsanlage wurden auch jüdische ungarische Zwangsarbeiter herangezogen. Sie wurden von der SA bewacht und hatten bis auf einzelne Ausnahmen keinen Kontakt zur Bevölkerung. Als die Sowjetarmee näherrückte, sollten die 400 bis 500 ungarischen Juden abtransportiert werden. Jedoch wurde die Erschießung befohlen, wobei nicht nachvollziehbar ist, wer diesen Befehl gegeben hat. Am Vormittag des Gründonnerstags 1945, 29. März, wurden in einem nahen Wald auf einem Holzschlag zirka 60 der Zwangsarbeiter von drei SS-Männern und fünf Feldgendarmen erschossen.

Am 13. September wird eine vom Österreich-Botschafter in Israel, Herbert Kröll, gespendete Gedenktafel an der Außenmauer der „Alten Kirche” enthüllt werden. Wie der Ort mit seiner Geschichte umgeht, dazu demnächst eine furche-,,Zeitgeschichte”. Die Autoren sind zwei junge Zeitgeschichtler. Sie haben sich zwei Jahre lang intensiv mit den Massenverbrechen von Rechnitz (FvRCHE 12J9S) und Deutsch Schützen beschäftigt.

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