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ERZBISCHOF KAROL WOJTYLA / HIRT DES JUNGEN POLENS

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Es war vor zwei Jahren. Während am Karsamstag die Katholiken Krakaus gleich jenen Wiens durch die Straßen von Kirche zu Kirche zogen, um dort die Heiligen Gräber zu besuchen, saß der Verfasser dem Weihbischof Karoi Wojtyla gegenüber, der den Besuch aus Österreich gerne empfangen hatte. In gutem Deutsch sprach der polnische Prälat von seinen Sorgen und Problemen. Großer Ernst zeichnete die Person dieses erst knapp vierzig Jahre zählenden Bischofs, von dem bekannt war, daß ihm in besonderem Maß die junge katholische Intelligenz Polens ihre Sympathien schenkt.

In diesem März hat Dr. Karol Wojtyla, nachdem ihn Papst Paul VI. am 18. Jänner zum Erz-bischof-Metropoliten von Krakau ernannt hatte, feierlichen Einzug in seine Kathedrale am altehrwürdigen Wawel gehalten. Der Nachfolger des 1951 verstorbenen Kardinals Sapieha wurde am 18. Mai 1920 in Wadowice (Krakau) geboren, xoo er auch das Gymnasium besuchte und maturierte. Der deutsche Einmarsch in Polen unterbrach 1939 seine an der Jagiellonischen Universität zu Krakau begonnenen Studien der Polonistik. Während der Besatzungszeit arbeitete Wojtyla als Arbeiter in den Chemischen Werken „Solvay“ in Krakau. Aber nicht nur das: er wirkte auch maßgeblich bei der Gründung des später berühmt gewordenen Rhapsodischen Theaters mit. Bereits 1942, noch als Arbeiter der „Solvay“-Werke begann er im geheimen Theologie zu studieren. Am 1. November 1946 empfängt er die Priesterweihe und wird zur Ergänzung seiner Studien auf zwei Jahre nach Rom gesandt. In dieser Zeitspanne besucht er auch Frankreich und Belgien, wo er sich besonders stark für die katholische Arbeiterbewegung JOC interessiert und gleichzeitig auch in der Seelsorge für die dort ansässigen polnischen Arbeiter tätig ist.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat, 194S, wird Karol Wojtyla

zum Vikar von Niegowice und ein Jahr später zum Vikar der St.-Florian-Pfarre in Krakau (1949—1951) ernannt. Gleichzeitig kontinuiert er seine Studien an der Theologischen Fakultät, die er mit einer Doktorarbeit über das Problem des Glaubens in den Schriften des heiligen Johannes vom Kreuz erfolgreich zum Abschluß bringt. Im September 1951 nimmt er neuerlich das Studium an der Theologischen Fakultät der Jagiellonischen Universität auf, erwirbt auf Grund seiner Habilitationsschrift „Von der Möglichkeit der Schaffung einer christlichen Ethik in Anlehnung an das System von Max Scheler“ die Venia legendi. Im Oktober desselben Jahres beginnt er bereits mit eigenen Vorlesungen am Theologischen Semi-narium zu Krakau, setzt sie im Oktober 1954 an der Philosophischen Fakultät der KUL (Katholische Universität Lublin) fort und avanciert schließlich zum Leiter dieser Abteilung.

Anfang August 1958 wird Doktor Karol Wojtyla zum Weihbischof ernannt. Der neugeiceihte 38jährige Weihbischof ist der jüngste unter den Bischöfen des Polnischen Episkopates. Nach dem Tod des Erzbischofs von Lemberg, Baziak, der die seit dem Ableben von Kardinal Sapieha im Jahr 1951 verwaiste Diözese als apostolischer Verwalter geleitet hat, wird Bischof

Karol Wojtyla zum Domkapitelvikar gewählt. In dieser Eigenschaft nimmt er teil am Vatikanischen Konzil; nach Abschluß der II. Session absolviert er eine Wallfahrt ins Heilige Land.

Erzbischof Karol Wojtyla ist in ganz Polen als hervorragender Seelsorger, vor allem unter den jungen Katholiken, bekannt; er gilt allgemein als glänzender Prediger und ausgezeichneter Theologe. Eine Pionierarbeit bildet sein Werk „Liebe und Verantwortung“.

In Polen ist die publizistische Tätigkeit des Erzbischofs aufs beste bekannt und geschätzt. Eine ganze Reihe von Artikeln und Abhandlungen veröffentlichte er bereits im „Tygodnik Powszechny“ und anderen katholischen Zeitschriften Polens. Die in der Gruppe „Znak“ vereinigten Abgeordneten und Journalisten sowie der Klub der katholischen Intelligenz Krakaus wissen in Erzbischof Dr. Wojtyla einen verständnisvollen Förderer ihrer schwierigen, undankbaren Arbeit. Die alte Verbindung zwischen Österreich und Polen manifestiert sich nicht nur besonders in den Kirchen und Palästen Krakaus, viele geistige Fäden spinnen sich weiter. Und so gilt auch der Segensgruß und -wünsch der österreichischen Katholiken dem neuen Erzbischof und Oberhirten dieser Stadt.

Ein Programm im Rohbau

• Das Wesen und die Bedeutung der österreichischen Neutralität; ihre Verpflichtung und ihre Mission in Europa ;Vn(JL,de£, Vjfeji. ist n.Qgh.Jange nicht in das lebendige Bewußtsein des} Staatyvolkes,, eingedrungen,.r.

• Die österreichische Staatsidee in der Grenzsituation zwischen Ost und West wäre erneut zu durchdenken.

• Die kulturelle Ausstrahlungskraft unseres Landes und insbesondere Wiens könnte bewußter geformt und weltweit eingesetzt werden.

• Nicht ■ nur das Bewußtsein um Österreich könnte vertieft, sondern auch das Selbstbewußtsein der Österreicher müßte auf mannigfal-

tige Art gestärkt werden. Wie mächtige, unbehauene Findlinge liegen die unbewältigten Probleme auf der Walstatt der österreichische^Ojgj-., schichte. Staatsbürgerkunde lernt man zwar jetzt wieder in der Schule, aber viele Erwachsene, Männer und Frauen, die heute im tätigen Leben der Wirtschaft oder der Verwaltung stehen, wissen, von den heterogenen Bildungssystemen der Vergangenheit ge- und verförmt, oft herzlich wenig über den Staat, in dem sie wirken oder dem sie sogar dienen. Ubef Demokratie, demokratische Gesellschafts- und Lebensformen herrscht noch so manche betrübliche Be-

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