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Es geht um Kilometer

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Mit seltener Heftigkeit hat heuer ausnahmslos alle Bundesländer das Autobahnfieber gepackt. Man ereifert sich vor allem über Trassen- varianten und Prioritäten. Denn darüber, welchen der vielen Vorhaben in Zukunft der Vorrang zu geben sei, herrscht in jeder Landeshauptstadt eine andere Vorstellung. Das Verständnis für die gesamtösterreichischen Verkehrsbedürfnisse endet eben unmittelbar vor der eigenen Haustür. Der alte Kampf um die begehrten Autobahnkilometer erhielt freilich im heurigen Frühjahr mit der Verabschiedung der Bundesstra- ßennovelie 1968, die eine Ausweitung des geplanten Netzes von 1090 km auf 1780 km brachte, neuen Auftrieb.

In den Wunschkatalog aufgenommen wurden das innerstädtische Netz von Wien, die Pyhrniautobahn und die Tauernautobahn, während die Nord- und Ostautobahn von Wien aus jeweils zur Staate -renze auf dem Papier verlängert wurden. Weitere Ausweitungen schon geplanter Strecken gab es überdies in Tirol und Vorarlberg. Und obwohl im Motivenbericht des Bautenministe-

riums ausdrücklich vor Illusionen bezüglich der Realisierungschancen dieser Vorhaben gewarnt worden war, setzte sogleich die Debatte darüber ein, welche Strecken nun natürlich möglichst umgehend in Angriff zu nehmen wären. Der gewichtige Hinweis des Bautenministeriums, angesichts des bestehenden Finanzie- runigsengpasses sei ohne vorhergehende Erschließung zusätzlicher Mittel derzeit an den Baubeginn neuer Projekte überhaupt nicht zu denken, wurde dabei geflissentlich mit nonchalanter Großzügigkeit übergangen.

Chancen für Tauernautobahn

In das Konzert hoffnungsfroher Autobahnaspiranten mischten sich sehr bald die Gegenchöre jener, die angesichts solch stürmischer Attak- ken vor einer Kürzung der Mittel bei den schon in Arbeit befindlichen Abschnitten zu zittern begannen.

In diesem Spiel hat zweifelsohne Vorarlberg den Vogel abgeschossen, das nach jahrelangem, hartem Ringen knapp davor stand, für den Raum von Bregenz die kostspielige Unterflurtrasse durchzusetzen. Nun entbrannte gerade darüber ein ungemein heftiger landesinterner Streit mit reichlich unklarem Frontverlauf, der eine Entscheidung neuerlich erschwert. Auch der Konflikt zwischen Niederösterreich und Burgenland wegen des Verlaufes der Südautobahn zwischen Wr. Neustadt und Hartberg geht mit großem Propagandaaufwand weiter, obwohl sich die mit einer objektiven Klärung dieser Frage beauftragten, erstrangigen Fachleute unabhängig voneinander eindeutig zugunsten der niederösterreichischen Wechselstraße 1 ausgesprochen haben. Auf burgenländischen Wunsch wurde inzwischen von Bautenminister Dr. Kotzina die dreimonatige Frist für die Abgabe von Stellungnahmen zu diesen Gutachten um weitere zwei Monate verlängert. Noch gibt sich das Burgenland nämlich nicht geschlagen. Hatte man zunächst in Eisenstadt die Untersuchu-ngsergebnisse, ohne sie auch nur geprüft zu haben, sofort in Zweifel gezogen, so trat Landeshauptmann Kery bereits wenig später die Flucht nach vorne an, indem er im Ausland einfach Gegengutachten bestellte.

Gerade dieses Vorgehen wirft ein bezeichnendes Licht darauf, wie schlecht es um die Chancen steht, Österreichs Straßenbaupolitik eine sachlich-wissenschaftliche Basis zu geben. Während Tirol angesichts eines echten Verkehrsnotstandes mit Recht auf die Notwendigkeit eines beschleunigten Ausbaues der Inntal- autobahn von Kufstein nach Innsbruck verweist, führt die Steiermark gleich einen Mehrfrontenkrieg in der Frage der Prioritäten. Zunächst spaltete die von Fachleuten aufgezeigte Notwendigkeit eines vordringlichen schnellstraßenmäßigen Aus-

baues der Bundesstraße 17 im Mürz- und Murtal die steirische Öffentlichkeit in zwei Lager. Während die eine Seite diesen Gedanken aufgriff, verteidigte die andere Seite die Priorität der Südautobahn. Geschlossen zeigte sich die steirische Phalanx hingegen im Kampf gegen die bis dahin außer Streit stehende Tauernautobahn, der man den Vorrang gegenüber der Pyhrnautobahn abzusprechen begann. Mit Hilfe der Pyhrnautobahn ließe sich die Verkehrsmisere im Murtal zwischen Leoben und Graz beseitigen, argumentierte man in der steirischen Landeshauptstadt, und dies sei wichtiger als der Bau einer kostspieligen „Ausflugsstraße“ über die Tauern. Damit geriet man unversehens in das Gehege der Salzburger und Kärntner, die seit Jahren mit Bienenfleiß den Boden für die Tauernautobahn von Salzburg nach Villach vorbereitet hatten. In der Tat hat die Tauernautobahn heute auch die besten Chancen von allen Projekten als erste zum Zug zu kommen. Im Gegensatz zu den anderen Vorhaben sind hier die Planungen soweit gediehen, daß schon in nächster Zeit zumindest mit den Schlüsselbauwerken begonnen werden könnte. Ähnlich der Brennerautobahn wird sie zumindest im gebirgigen Mittelteil als Mautstraße errichtet werden, womit sich eine gemischte Finanzierung und damit eine Entlastung des normalmäßigen Autobahnbudgets abzeichnet. Allerdings handelt es sich bei der 181 km langen Tauernautobahn um ein äußerst kostspieliges Vorhaben, das unter Zugrundelegung der heute gültigen Baupreise voraussichtlich neun Milliarden Schilling erfordern dürfte. Darum denkt man zunächst auch nur daran, die Strecke als Halbautobahn auszubauen, und zwar vorerst auch nur dort, wo die bestehenden Straßen den Verkehrsbedürfnissen nicht mehr genügen. Als in diesem Zusammenhang wichtigster Teil wird der eigentliche Alpenübergang vom Ennstal in das Liesertal, die 53 km vom Eben bis Rennwag,

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