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Es gibt auch Merkwürdigkeiten

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Zur Frage der Qualität dieser technischen Erzeugnisse ist festzustellen, daß die Länder der westlichen Sphäre selbstverständlich heute mit Spitzenerzeugnissen auf eine Messe gehen. Dies dürfte bei den Staiaten des Ostblocks nur zum Teil zutreffen. Vielfach hat man den Eindruck, daß es sich um reine Demonstration einer industriellen Stärke handelt, wobei sichtlich neue Industrien mit Gewalt und untauglichen Mitteln aus dem Boden gestampft werden. Mögen nun solche Erzeugnisse für das herstellende Land ausreichend sein, sind sie zweifellos im internationalen Angebot nicht unterzubringen, und es erscheint sinnlos, sie auszustellen. Interessant ist zu vermerken, daß zum Beispiel die Sowjetunion ausgezeichnete Maschinen für die Schwer-, Metall-und Kraftfahrzeugindustrie hat, aber bei Geräten für die Konsumgüterfertigung, zum Beispiel Textilindustrie, völlig konservativ ist. Daß man sich in Ländern wie Bulgarien und Rumänien plötzlich mit der Fabrikation von Textilmaschinen beschäftigt, ist für den Besucher aus der westlichen Textilindustrie unverständlich, zumal sich unter den Staaten des Ostblocks Produzenten konstruktiv und qualitativ hochwertigster Textilmaschinen befinden, wie die DDR und CSSR. Letztere haben nicht nur eine hundert Jahre alte Erfahrung in dieser Branchengruppe, sondern auch quantitativ genügende Größe.

In der DDR und auch in anderen sozialistischen Ländern bestehen Institutionen, die sich mit der Vergabe von Lizenzen an andere Staaten beschäftigen. Den Lizenznehmern werden dabei die kompletten Pläne und auch Techniker zum Produktionsanfang zur Verfügung gestellt, wobei femer ein Erfahrungsaustausch eingerichtet wird. So wurden zum Beispiel bei Textilmaschinen Lizenzverträge mit den USA und Großbritannien abgeschlossen.

Eine weitere Möglichkeit toternationaler Zusammenarbeit, die in der Wirtschaft der westlichen Länder nichts Neues mehr ist: Firmein aus Staaten beiderseits des Eisernen Vorhanges schließen sich zusammen und bieten Gesamtanlagen an. So war eine Fließstrecke mit Maschinen aus der Bundesrepublik, der DDR und Großbritannien für Rotatioos-Offsetdruck zu sehen. Eine zweite Anlage für neuartige Textilien besteht aus je einer Maschine aus der Bundesrepublik, der DDR und wieder der Bundesrepublik. Hier zeigt sich, daß man parallel laufende Konstruktionen nunmehr auch bei Ländern beider Sphären vermeiden will. Schon zur vorigen Brünner Messe war eine Kooperation zweier Textilmaschinenfabriken der CSSR und Großbritanniens festzustellen.

Die Stadtverwaltung bat redliche Mühe aufgewendet, der Stadt zur Jubiläumsmesse ein Festgewand anzulegen. Aber obwohl in den letzten Jahren wirklich viel gebaut wurde, sind die schweren Wunden aus dem zweiten Weltkrieg noch allenthalben zu sehen. Es wurden Hotels modernster Prägung gebaut, in denen man den Zimmerpreis im vorhinein in Devisen bezahlen muß, es gabt für den Ausländer eigene Restaurants mit vorbestellten Tischen, und für ihn werden auch die Privatzimmer mit Komfort ausgewählt. Dafür, daß der Zustrom an Messegästen größer war als erwartet und deshalb manche Mängel auftraten, konnten die Veranstalter nichts. Als die Stadt in der Wochenimitte im Schnee zu versinken drohte, holte man die Schulkinder und das Militär zum Schneeschaufeln, die in einer 24-Stunden-Schicht die Hauptstraßen reinigten. Versagt hat in der Schneenacht vom 3. zum 4. März zweifellos die Reichsbahn in Dresden, die sich hatte überrumpeln lassen.

Eine hübsche Bereicherung des Messegeschehens war eine historische Messe beim alten historischen Rathaus, welche die alten Planwagen bei mittelalterlichen Verkaufsbuden mit Kaufleuten in historischer Tracht zeigte.

Daß sich die Leipziger Messe am Kreuzungspunkt jahrhundertealter Fernstraßen etabliert, vom Jahrmarkt zur Weltmesse entwickelt hat, wurde in diesem Jahr besonders deutlich.

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