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Europas ältester Tiergarten

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Der Schönbrunner Tiergarten ist, was weithin unbekannt sein dürfte, der älteste Tiergarten Europas und zugleich die letzte Hofmenagerie, deren Charakter als solche j noch erkennbar ist Exotische Tiere tu halten war ein beliebter Teil der ammlertätigkeit hoher Herrschaften. So eht auch die Schönbrunner Menagerie auf ie im Belvedere untergebrachte Sammlung es Prinzen Eugen zurück, die 1736, nach üem Tode des Prinzen, von Karl VI. ge-auft wurde. Bei der Neuplanung des xhlosses Schönbrunn wurde auch eine Menagerie vorgesehen, die die Belvedere-Sammlung sowie etliche Tiere aus dem Neugebäude zu Simmering aufnehmen sollte. So entstand 1752 der Tiergarten, der für die damalige Zeit zweifellos sehr großzügig angelegt war. Der heute noch stehende Pavillon bildete in Anlehnung an das Vorbild des Belvedere den Mittelpunkt der Anlage, zugleich auch den optischen Abschluß der Tiergartenallee. Um diesen gruppierten sich kreisartig 13 Tierhäuser, die sogenannten Logen, mit den entsprechenden Ausläufen. Zum Teil sind diese „Logen“ noch unverändert erhalten.

In einem Tiergarten braucht man vor allem Platz und gerade damit war es später in Schönbrunn schlecht bestellt. Die Zahl der Tiere war von einigen Dutzend auf 2000 bis 3000 angewachsen Versrößrrungen konnten nicht so einfach durchgeführt werden. Das benachteiligte Schönbrunn gegenüber anderen Tiergärten, die meist in den siebziger Jahren oder noch später entstanden und als Gründungen von Aktiengesellschaften oder städtische Unternehmungen räumlich und finanziell unbeschwerter waren. Schönbrunn war in dieser Beziehung nie mit anderen Tiergärten vergleichbar. Es ist jedoch nunmehr zu hoffen, daß bei der Behebung der umfangreichen Zerstörungen im Tiergarten die notwendigen täumlichen Erweiterungen unbeschadet des historischen Charakters so durchgeführt werden können, daß die Tiere nicht mehr den Eindruck bedauernswerter Gefangenen machen.

Freilich: der jetzige Tier bestand ist arg gelichtet. Bereits 1939 verlor der Tiergarten den indischen Elefanten „P e p i“, der wegen Bösartigkeit erschossen werden mußte. Ihm folgte am 15 Mai 1944 an einer Bauchfellentzündung das berühmte „M ä d i“, ein Liebling der Wiener und Stolz der Menagerie darum, daß es seinerzeit das erste Elefantenbaby war, in der Gefangenschaft gezeugt, geboren und großgezogen; seine Geburt am 14. Juli 1906 bedeutete ein in europäischen Tiergärten noch nicht dagewesenes Ereignis, von dem noch heute unter anderen ein Glückwunschtelegramm des kaiserlichen Leibarztes Dr. Kerzl aus Bad Ischl, ein Schreiben von Karl Hagenbeck aus Stellingen, zahllose Glückwunschkarten, ja selbst Gedichte von poetisch veranlagten Wienern Zeugnis geben. Auch das afrikanische Elefantenweibchen mit dem männlichen Namen „P i m p f“, ein Geschenk des Grafen Khevenhüller aus dem Jahre 1924, ging im Dezember des gleichen Jahres (1944) ein.

Ebenso ging der Giraffenbulle „F r i t z“, ein Ankauf von 1928 am 25. Juli 1942 zugrunde. Es sei bei dieser Gelegenheit daran erinnert, daß es 1828 zum ersten Male war, daß man in der Kaiserstadt Wien eine lebende Giraffe zu sehen bekam. Das arme Tier kam damals auf dem Landmarsch über Venedig, Triest, Fiume nach Wien, wobei eine Kuh mitgeführt wurde, um es mit Milch zu versorgen In Laxenburg wurde der Neuling vom Hofe bestaunt und löste in Wien einen wahren „Giraffenkoller“ aus: die Bäcker buken „Giraffeln“, in Hietzing fand ein „Giraffenball“ statt.

Am 19. und 21. Februar 1945 wurde der Tiergarten' von Bombei heimgesucht, deren sechzig schwere in seinem Gelände niedergingen und den damals noch vorhandenen Tierbestand rund auf ein Drittel herabsetzten! Ein Teil der Tiere wurde getötet, ein anderer — besonders die Vögel — zerstob in alle Richtungen; so wurden entflogene Raubvögel in Laxenburg, ja sogar in Krems gesichtet.

Das Dickhäuterhiu- wurde zu sieben Zehntel zerstört, wobei das Nashorn „T o n y“ den Tod fand Wie durch ein Wunder blieben die Nilpferde „Schurl“ und „Rosl“ am Leben und mit ihnen auch ihr 13. Junges, die „Rosl“, die jedoch im Herbst 1945 einging. Da sich das ganzr Leben der Nilpferde im Wasser abspielt, durch die Zerstörung de- Hausos zunächst aber kein Wasser zugeführt werden konnte und später solches, das den Tieren zu kalt war, ließ die Mutter ihr Junges eine Zeitlang nicht saugen. Sein Ende füh.-te schließlich eine Eiterung herbei, die nicht wie bei anderen Tieren nach außen, sondern infolge der dicken Haut nach innen aufbrach.

Besonders gelitten haben die Reptilien, von denen noch zwei Alligatoren und ein Nilkrokodil vorhanden sind. Unter

den derzeit zwanzig Affen besitzt Schön-brunn keine Menschenaffen, hingegen ist bei den Mantelpavianen im Jänner ein Junges zur Welt gekommen. An G i-raffen und E lefanten sind gegenwärtig je zwei Stück, an Löwen ein Paar vorhanden; hier soll zu dem alten ein junges Männchen aus der Gruppe von vier Stück des Zirkus Rebernigg hinzukommen, die zur Zeit im Tiergarten „in Kost“ sind. Auch die berühmte Schönbrunner Steinbockzucht besteht nach wie vor.

Insgesamt beträgt der Tierbestand, der vor Kriegsbeginn auf 2197 beziffert wurde und zu Anfang 1945 schon stark zusammengeschmolzen war heute 400 Stück, darunter 5 Kamele, 12 Hirsche — unter diesen Hirschziegenantilopen und Damhirsche —, 48 Horntiere (hier wiederum Watussirind, Brahminenzcbu, das somaliländische Grevyzebr.i und das Togoponny), 3 6 Hunde und Bären, unter letzteren den südamerikanischen Brillenbär sowie 43 Papageien und 22 Raubvögel

Anfang März dieses Jahres kam sogar ein kleiner Transport aus „Transaustrien“, wie mein Führer scherzend meint, nämlich aus St. Veit an der Glan, und brachte unter anderem ein Lama und einen Yakbullen zur Ergänzung des Zuchtpaares.

Der Verfasser möchte nicht schließen, ohne sich zum Sprecher des Tiergartens gemacht zu haben, der sich an alle Förster, Tierzüchter und sonstige Tierfreunde richtet mit der Bitte, jedes nur entbehrliche Tier, das für den Tiergarten von Interesse sein könnte, ihm zum Wiederaufbau seiner Bestände zur Verfügung zu stellen. Nur zum geringeren Teile sind es die Elefanten Löwen, Giraffen, di.= den Bestand eines Tiergartens ausmachen, sondern dessen Bedeutung begründet vielmehr die unendliche Vielfalt der Tierwelt überhaupt.

1952 begeht der Schönbrunner Tiergarten seinen 200. Geburtstag. E wäre ein Geschenk an die heutige und die kommenden Generationen, würde er so beschenkt, daß er in neuem Glänze erstehe.

Österreichische Lese

Feierlich und ernst bewegte sich der Zug, den wackeren Führer Joseph Schwab mit der rotweißen Fahne an der Spitze, zum äußersten Punkte; da erhob sich ein eisiger Wind, und von dem im Süden (Tirol) weit unter uns gelagerten Nebelmeer begannen Nebelstreifen sich über den Venediger-Kopf hereinzuziehen. Unser Führer stieß nun den Pflock in den eisigen Boden. Dieser Pflock wurde eigens hiezu gerichtet; er bestand aus Lärchenholz, mit Eisen am Fuße und Kopfe beschlagen, ist mit gelb und schwarzer Ölfarbe auf zwei Seiten, und mit rot und weißer auf den zwei entgegengesetzten Seiten angestrichen, und führt auf weißem Grunde in Steinschriftzeichen den jedem Österreicher hochteuren vaterländischen Wahlspruch: Hoch lebe das Haus Österreich! . .. An der Kante des Pflockes sind drei eiserne Ringe mit Schrauben angebracht, woran die Fahne festgeschraubt wurde. Kaum war der Pflock in den Eisboden eingehauen, kaum war die Fahne eingeschraubt und flatterte hinaus in die schwindelnden Lüfte, da erscholl es aus den heiseren Kehlen der Vorhut wie aus einem Munde voa der eisigen Spitze herab: „Hoch lebe das Hans Österreich! Hoch lebe die ganze Gesellschaft! Hoch leben alle Pinzgauer!“ Es war die letzte Flasche Österreicher-Wein, da die Träger, schon längst erschöpft, von uns getrennt waren, die wir im Kreise um den Pflock und die Fahne mit heiseren Hurrarufen austranken. .. Der Groß-Venediger war somit erstiegen!

Ignaz von Kürsinger: „Die erste Ersteigung des Groß-Venedigers“ (2. September 1841)

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