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Ewiger Friede?

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Vor 18 Jahren, am 10. Dezember des Jahres 1948, verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Die entsetzlichen Wunden, die der zweite Weltkrieg geschlagen hatte, waren noch kaum vernarbt, Europas schwergeprüfte Völker waren im Begriff, die ersten Hoffnungen des Friedens einzulösen, die verwüsteten Städte aufzubauen, das Lachen wieder zu lernen. In Vietnam jedoch, wo die französische Kolonialmacht ihr politisches Versprechen gebrochen hatte und der Krieg mit Ho Tschi-minh begann, in Griechenland, wo der Bürgerkrieg zwischen den kommunistischen Aufständischen und den von Großbritannien und den USA unterstützten Regierungstruppen wütete, in China, wo die Volksarmee Maos gegen die Nationalregierung Tschiangkaischeks in Waffen stand, hatte die Kriegsfackel weitergebrannt. 1948 war das Jahr, in dem der „kalte Krieg“ zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten nicht mehr zu verhindern war, die kommunistischen Machtübernahmen in Ungarn, der Tschechoslowakei und Polen, die Blockade von Berlin waren das Fanal. Zwei andere Konfliktherde brachen auf, Grenzstreitigkeiten zwischen Indien und Pakistan führten zu einem entsetzlichen Blutbad; der neuerrichtete Staat Israel wurde von Truppen der Arabischen Liga angegriffen. Israelische Terroristen ermordeten den Vertreter der UNO, den Schweden Graf Folke Bema- dotte, der zwischen den Kriegsführenden zu vermitteln suchte.

In dieser sich verdüsternden weltpolitischen Situation nahmen die Vereinten Nationen die Deklaration der Allgemeinen Menschenrechte an. In der Präambel zur Deklaration werden die Allgemeinen Menschenrechte als „das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal“ bezeichnet, dessen feierliche Kodiflzierung und Annahme durch die Signatarmächte der Charter der Vereinten Nationen dazu dienen soll, „daß jeder einzelne und alle Organe der Gesellschaft sich diese Erklärung stets gegenwärtig halten und sich bemühen, durch Unterricht und Erziehung die Achtung dieser Rechte und Freiheiten zu fördern und durch fortschreitende Maßnahmen im nationalen und internationalen Bereiche ihre allgemeine und tatsächliche Anerkennung und Verwirklichung bei der Bevölkerung sowohl der Mitgliedsstaaten wie der ihrer Oberhoheit unterstehenden Gebiete zu gewährleisten".

Die moralische Grundlegung

Der Weise von Königsberg, Immanuel Kant, hat in seinem wunderbaren philosophischen Entwurf „Zum Ewigen Frieden“ die moralische Grundlegung und tiefe Notwendigkeit für das Inkrafttreten eines solchen öffentlichen Rechtes beschrieben, das über die Grenzen der Nationalstaaten hinausgehend diese in einen weisen Friedensbund zusammenfügt:

„Da es nun mit der unter den Völkern der Erde einmal durchgängig überhand genommenen (engeren oder weiteren) Gemeinschaft so weit gekommen ist, daß die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird: so ist die Idee eines Weltbürgerrechts (Kants Vorwegnahme der Allgemeinen Menschenrechte, H. K.) keine phantastische und überspannte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine notwendige Ergänzung des ungeschriebenen Codex, sowohl des Staats- als Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrecht überhaupt, und so zum ewigen Frieden, zu dem man sich in der kontinuierlichen

Annäherung zu befinden, nur unter dieser Bedingung schmeicheln darf“ (Zum Ewigen Frieden, 1796, S. 46).

Gerade wir Österreicher

Wieweit die „gegründete Hoffnung“ Kants, die Verwirklichung eines „öffentlichen Rechts“, die Verwirklichung der. Menschenrechte und die Sicherung des Ewigen Friedens von ihrem Ziele entfernt ist, braucht wohl' nicht mit vielen Worten bewiesen werden. Das Jahr 1966 bedeutet das zwanzigste Jahr des Krieges in Vietnam, des Genocidiums an einem Volk, das zwischen die Mahlsteine der Großmächte USA und China geraten ist, 1966 heißt zehn Jahre Ungarnaufstand, Aufflackern der Feindseligkeiten zwischen Indien und Pakistan, Israel und seinen arabischen Nachbarn. Und 1966 bedeutet schließlich auch fortwährende Verschlechterung der Emährungslage der unterentwickelten Länder, deren industrielle Wachstumsraten die Bevölkerungsexplosion aufzehrt, ein weiteres Vergrößern der Kluft zwischen den weißen und farbigen Bewohnern der Erde.

Man sollte nicht müde werden, auf diese zahllosen Einzelbilder der Verleugnung und Mißachtung der Allgemeinen Menschenrechte, die Gewalttaten der Soldateska, auf das namenlose Elend der Opfer dieser Spannungen, der Flüchtlinge, der Kinder, der Alten und Kranken hinzuweisen. Und gerade wir Österreicher, der wirtschaftlichen Not, den politischen Wirren der dreißiger Jahre und dem Grauen des zweiten Weltkrieges entronnen, die wir uns gleichsam auf einer glücklichen Phäakeninsel befinden, dürfen nicht vergessen, keine Anstrengung scheuen, Hilfe zu geben, Brückenkopf des Friedens und der gegenseitigen Verständigung zu sein, für eine neue, friedlichere Welt zu wirken.

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