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Digital In Arbeit

Experiment mit Monsieur Duponts Lohntüte

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Durch die Produktivitätskampagne der letzten Jahre wurden den „Human relations” eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei mußte naturgemäß der Lohn in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden. Nicht umsonst wird von Gewerkschaftsseite diese Frage stets in den Vordergrund gerückt. Das europäische Unternehmertum auf der anderen Seite begann den Lohn nicht nur als Teil der Gemeinkosten zu betrachten, sondern als eminenten sozialen Faktor. Verschiedenartigste Prämiensysteme kollektiver oder individueller Natur wurden ausgearbeitet, die jedoch in der Regel immer nur darauf hinausgingen, die Arbeitszeit einzusparen. Erst in letzter Zeit wollte man die Arbeiter tatsächlich an den Früchten der Arbeit in vollem Umfang teilnehmen lassen, ein besseres Verständnis zwischen der Direktion und dem Personal erzielen und durch eine Integrierung jenes Betriebsklima hersteilen, das dem Menschen dienlich und der Produktion nützlich sein kann. Theoretiker wie Praktiker versuchten eine gewisse Mitverantwortung der Arbeiter an den Geschehnissen des Betriebes herzustellen. Es ging also daium, die echten Bedürfnisse des arbeitenden Menschen zu erkennen und sie nach Maßgabe der Möglichkeiten auch zu erfüllen.

In Frankreich werden seit ungefähr 2 5 Jahren derartig praktische Versuche angestellt, die es gestatten, sich dem angeführten Ziele zu nähern. Mehr als 3000 Betriebe haben verschiedenste Systeme entwickelt, um den Sinn und die Form der Entlohnung fundamental zu ändern. An dei Basis aller Versuche, durch kollektive Prämien- svsteme oder Gewinnbeteiligung die Arbeiter an der eigenen Arbeit zu interessieren, steht ohn Zweifel der sogenannte Proportional- lohn Eugene Schuellers. Dieser Unternehmer, der sich als Selfmademan zum Generaldirektor eines der größten französischen Werk emporgenrbeitet hatte, gründete 1942 ein Studienbüro, nachdem er bereits in zahlreicher theoretischen Abhandlungen seine Kollegen und eine breitere Oeffentlichkeit mit den Theorien einer kollektiven Entlohnung des Personals vertraut gemacht hatte. Schueller ging von der Grundidee aus, daß der Lohn der Anteil des Arbeiters an der Produktion sein müsse. An Stelle des Individuallohnes, der die tatsächlich im Betrieb verbrachte Zeit oder die Anzahl der Stücke honoriert, wird ein Proportionallohn gesetzt, wobei selbstverständlich die durch Kollektivverträge gesicherten . Mindestlöhne stets garantiert bleiben. In den meisten Betrieben, die den Proportionallohn eingeführt haben, wird der Umsatz abzüglich der Steuern und sonstiger Abgaben betrachtet und als „Aktivitätszahl” zur Grundlage einer proportionalen Verteilung herangezogen. In anderen Betrieben wird die Aktivitätszahl durch meßbare Einheiten ausgedrückt. (Tonne, Liter, Anzahl der erzeugten Apparate usw.)

Ohne jetzt die technischen Einzelheiten der jeweiligen Errechnung der Aktivitätszahl zu erläutern, sollen lediglich die Anwendung und die damit gemachten Erfahrungen betrachtet werden. Ist der Anteil, der auf die Arbeit entfällt, fixiert, so wird daraus zuerst der gesetzliche Lohn bezahlt, die darüber hinausgehenden Summen werden dem Personal als kollektive Prämie gegeben, wobei ein Teil allerdings einem Ausgleichsfonds zugeführt wird, der in Zeiten verminderter Umsätze die erreichte Höhe des Lohnes garantiert. Ein weiterer Teil wird für einen Solidaritätsfonds abgezweigt, über den der Betriebsrat allein verfügt. (Für Todesfälle, unverhältnismäßig lange Krankheit, Eheschließung usw.)

Der Mechanismus der Verteilung wird von der Direktion und einem Komitee überwacht. Das Komitee kann mit dem Betriebsrat identisch sein, wird meistens jedoch dafür gewählt. Es ist festzuhalten, daß in den meisten Fällen ein Vertrag zwischen der Kommission und dem Unternehmer unterzeichnet wurde, der beim zuständigen Arbeitsgericht hinterlegt ist.

Es ist verständlich, daß zu Beginn derartiger Versuche die Reaktion der Arbeiter von der betonten Indifferenz bis zur offenen Feindselig keit ging. Von Unternehmerseite wird immer wieder bemerkt, daß die damit verbundene Kontrolle des Umsatzes eine Einmengung in die engste Sphäre der Unternehmerverantwortung bedeutet.

Die nichtkommunistischen Gewerkschaften in Frankreich haben im allgemeinen eine wohlwollende Neutralität gezeigt. Auf der anderen Seite ist die diesbezügliche Initiative, in einem Betrieb einen solchen Versuch zu wagen, stets von Unternehmerseite ausgegangen. Fast ausnahmslos wurden derartige Betriebe von Streiks verschont und das Arbeitsklima ist immer als gut, meistens als ausgezeichnet zu bezeichnen.

Der ProportionaHohn zwingt allerdings alle daran Beteiligten zum Umdenken. Die Mitglieder der Kom mission müssen wirtschaftlich genügend vor- gebildet sein, um ihre Funktion erfüllen zu können. Sind sie es doch, die ihrėn Arbeitskollegen von den Ergebnissen der Prämie und der Voraussicht für den kommenden Monat zu berichten haben. Jene Unternehmer, welche einen Proportionallohn einführten, legten Wert auf die erzieherische Wirkung. Der arbeitende Mensch verbringt die aktivsten Stunden des Tages am Arbeitsplatz. Nur wenige suchen eine wirtschaftliche Ausbildung außerhalb ihrer Arbeitsstunden. Es ist sehr wichtig, daß alle Mitglieder eines Betriebes mit den Problemen vertraut gemacht werden, die sich ständig einer Fabrik stellen. Auch von seiten der Direktion kann die ständige Anstrengung nicht unterbrochen werden, das Interesse wachzuhalten. Diesbezüglich notwendige Informationen müssen ausgegeben und kommentiert werden, um so das System vor der Routine zu bewahren. Im allgemeinen wird ein solches System regelmäßig überprüft und die sich ergebenden Mängel werden abgestellt.

Die überall feststellbaren Erfolge lassen den Schluß zu, daß der Proportionallohn in allen seinen Spielarten eine engere Zusammenarbeit im Betriebe ermöglicht. Der Umfang und die wachsende Bedeutung solcher Lohnsysteme hat in Frankreich zahlreiche Gesetzesentwürfe mit sich gebracht, wobei den Betrieben, die sich dazu bekennen, unter anderem Steuererleichterungen zugestanden werden. Die politischen Parteien von De Gaulle bis zu den Radikalen bemächtigten sich der Idee und brachten sie unter verschiedenster Etikette vor ihre Wähler.

Der oberste französische Produktivitätsrat, der sich aus Vertretern der Gewerkschaften, der Unternehmer und der Verwaltung konstituiert, hat einstimmig jenen Bericht angenommen, der sich mit der Frage Produktivitätssteigerung und kollektive Entlohnung befaßt.

Die Schaffung des gemeinsamen Marktes stellt Europa eine Reihe neuartiger Probleme. In den Vorverhandlungen wurde gerade den sozialen Lasten und der Entlohnung ein sehr breiter Raum eingeräumt. Die Frage nach dem Menschen im Betriebe und seiner wirtschaftlichen Absicherung wird nicht nur durch Kalkulationen gelöst werden können, sondern verlangt, daß die natürliche Bindung des Menschen in der Gemeinschaft, wie sie unter anderem auch in modernen Betrieben zutage tritt, verantwortungsvoll geprüft und alle gerechten Ansprüche befriedigt werden.

Land aus der Not nicht befreien können —, an dieses Kernproblem war eben nicht heranzukommen; dafür sorgten finanzstarke und von sozialen Erwägungen unbelastete Interessengruppen schon früher unter der amerikanischen Verwaltung und seit der Begründung der philippinischen Eigenstaatlichkeit ist das nicht wesentlich anders geworden. Ob es dem verstorbenen Präsidenten — hätte er länger gelebt — doch noch gelungen wäre, das begonnene Werk der Bodenreform zum geplanten Ende zu führen, ist heute eine müßige Spekulation; von höchst aktueller Bedeutung aber ist die Frage, ob es seinen Nachfolgern gelingen wird, ehe alle Bemühungen in dieser Richtung durch den Lauf der Ereignisse überholt sind.

Keine tausend Kilometer in der Luftlinie trennen die Philippinen vom chinesischen Festland. Diese Ziffer, im Verein mit zwei anderen, den 600 Millionen der nach Raum drängenden Chinesen und den 21 Millionen der Filipinos, deren heimatliche Erde leicht das Dreifache ihrer heutigen Bewohnerschaft ernähren könnte, genügt, um den Ernst der Situation zu unterstreichen. Die zur Zeit auch kaum denkbare Möglichkeit einer chinesischen bewaffneten Aggression gegen die Philippinen braucht dabei gar nicht in Betracht gezogen zu werden. Gefährlicher als rotchinesische Düsenbomber kann der Freiheit des philippinischen Volkes die rotchinesische Propaganda werden, die darauf abzielt, in Manila eine „friedliebende, volksdemokratische” Regierung ans Ruder zu bringen; eine Regierung, dazu bestimmt, was freilich nicht laut gesagt wird, die philippinischen Bodenschätze im Auftrag Pekings zu verwalten und das Land als Aufnahmsgebiet für den rotchinesischen Bevölkerungsüberschuß einzurichten.

Gegenwärtig ist der Erfolg dieser Propaganda kaum zu verspüren, aber niemand kann sagen, was die Zukunft bringen wird, wenn die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse so bedrückend bleiben wie sie sind. Kein Volk darf als unbedingt immun gegen den kommunistischen Bazillus betrachtet werden, auch wenn es so liebenswerte Eigenschaften besitzt wie die Filipinos. Auch für diese gilt, was schon vor Jahren ein guter Kenner der Lage, der seinerzeitige philippinische Außenminister Carlos Romulo, als Vorbedingung einer erfolgreichen Abwehr des Kommunismus bezeichnet hat: ein Volk muß nicht nur wissen, wo der Feind steht, der zu bekämpfen ist, es muß auch etwas haben, wofür es kämpft. Und sehr viele Filipinos haben das heute nicht.

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