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Explodiert das Pulverfab?

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In den Moscheen von Kairo riefen die Prediger zu einem „Heiligen Krieg“ gegen Israel auf. An der Südgrenze Syriens wurden neue Kanö-nenpositionen gegraben und die modernsten russischen Kanonen in Stellung gebracht. In Tel Aviv, im Herzen des Staates Israel, wurde das Musical „Casablan“ zur selben Zeit vor überfülltem Saal gespielt.

In Israel hat man sich bereits damit abgefunden, daß auf Geheiß des ägyptischen Staatsoberhauptes Gamal Abdel Nasser die 3400köpfige UNO-Streitmacht von der ägyptischisraelischen Grenze zurückgezogen wurde. Im Grunde genommen stellte sie in den zehn Jahren, in denen diese Streitmacht an der Grenze war, nicht mehr als ein Symbol zur Aufrechterhaltung des Friedens dar. Die UNO-Streitkräfte wurden niemals als eine Kampfmacht eingesetzt und ihre leichte Bewaffnung ließ viel au wünschen übrig.

Für Israel kam die ganze Angelegenheit als eine Überraschung. Es gab kleinere Grenzkonflikte mit Syrien, eine ruhige Grenze mit Ägypten und eine fast ruhige Grenze mit Jordanien. Man wiegte sich mehr oder weniger in Sicherheit und glaubte, daß der „bewaffnete Waffenstillstand“ zwischen Israel und den arabischen Staaten, der bereits 19 Jahire besteht, auch weiterhin mehr oder weniger friedlich verlaufen werde.

Dann kam es wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Syrien beklagte sich, daß Ägypten ihm nicht zu Hilfe kam, als bei einem schweren Grenzzwischenfall sechs syrische MIG-Flugzeuge von israelischen Mirage-Kampfflugzeugen abgeschossen wurden.

Ägypten reagierte ganz plötzlich einige Wochen nach diesem Grenzzwischenfall. 70.000 ägyptische Soldaten wurden auf der Sinaihalbinsel stationiert. Die UNO-Streitkräfte erhielten den Befehl, auf Veranlassung der ägyptischen Regierung, ihre Positionen zu verlassen. Unter den ägyptischen Einheiten befindet sich eine Panzerdivision, schwere Artillerie, und, laut ägyptischen Behauptungen, auch Einheiten mit „unkonventionellen“ Waffen. Die palästinischen „Freiwilligen“, die für ihren Israelhaß bekannt sind, und von Achmed Shukeiry beeinflußt sind, wurden direkt an Israels Grenze stationiert. Sie stehen zwar unter ägyptischem Oberkommando, doch sind diese Soldaten sehr fanatisch. Ägypten mobilisierte seine Reserven, ägyptische Flotteneinheiten durchkreuzten den Suezkanal in Richtung Akaba. Zwar erklärte der ägyptische Kommandant der „Sinaifront“, daß Ägypten selbst keine Initiative zu einem Angriff engreifen wird, und auf einen einzigen Schuß nicht reagieren wird, sondern nur, wenn eines der befreundeten arabischen Länder angegriffen wird, doch Israel sieht die Lage trotzdem als sehr ernst. Der israelische Oberbefehlshaber Jizahak Rabin proklamierte eine Teilmobilisierung, und die Tankeinheiten im Süden des Landes wurden startbereit gemacht, um jeden eventuellen Angriff sofort an Ort und Stelle parieren zu können. Sogar Jordanien, welches Ägypten und Syrien gegenüber sehr feindselig eingestellt ist, sah sich gezwungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und der jordanische Oberbefehlshaber, General Amer Chamasch, mußte sich nach Kairo begeben, um die militärischen Pläne gegen Israel zu koordinieren.

Der Abzug der UNO-Streitkräfte kam den Ostblockstaaten ziemlich gelegen, da diese in diesen Streitkräften einen unkontrollierbaren westlichen Faktor sahen. Nun hat es sich erwiesen, daß, sobald sich die Lage verschärft, „das Gastgeberland“ diese Truppen einfach nach Hause schicken kann. Man nimmt an, daß der Abzug dieser Truppen bereits bei dem Besuch des russischen Außenministers Andrej Gromyko in Kairo mit Nasser besprochen wurde, so daß in dieser Hinsicht wenigstens Ägypten Rückendeckung vom Ostblock erhielt.

Israel wandte sich erst dieser Tage erneut an Rußland mit der Bitte, seinen Einfluß auf Ägypten und Syrien auszunutzen, um einen eventuellen Krieg im Mittleren Osten zu verhüten. Vom militärischen Standpunkt aus ist zwar heute die israelische Armee mit ihren Reserven und ihrer erstklassigen Ausbildung und Bewaffnung den vereinten arabischen Kräften überlegen und könnte auch in einigen Überraschungsmanövern diesen Armeen Niederlagen bereiten; doch ist Israel heute nicht an solch einer Lösung interessiert, die so und so keine endgültige Lösung sein kann. Zur Zeit ist Israel daher gezwungen, Ägypten die völlige militärische und politische Initiative zu überlassen.

Israels Regierung betonte, daß sie die freie Schiffahrt vom Roten Meer nach Ejlath auf jeden Fall auch weiterhin beansprucht. Der Großteil des israelischen Rohöls sowie anderer Rohmaterialien kommen durch diesen Hafen. Ein Abschneiden dieses Wasserweges könnte die israelische Wirtschaft auf das empfindlichste treffen.

Weder die Sowjetunion noch die USA sind am Ausbruch eines Krieges im Mittleren Osten interessiert. Nur das kommunistische China entsendet dauernd Agitatoren, die einen „Befreiungskrieg“ gegen die „imperialistisch-zionistischen Agenten“ in Israel propagieren. Logischerweise ist weder Ägypten noch Syrien am Ausbruch eines Krieges interessiert, da beide Staaten mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Doch im Orient erhitzen sich die Gemüter schnell, und ein zu früh abgegebener Schuß hat schon zu so manchem Krieg geführt.

In der Zwischenzeit befinden sich sowohl Israel als auch die arabischen Staaten in einem akuten waffenklirrenden Nervenkrieg, aus dem derjenige als Sieger hervorgehen wird, der die stärkeren Nerven und die längere Ausdauer besitzt.

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