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Falken, Tauben, Sperlinge?

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„Ich will diesen Krieg beenden... aber wir wollen ihn für immer beenden, damit die jüngeren Brüder unserer Soldaten in Vietnam nicht in der Zukunft in einem anderen Vietnam irgendwo in der Welt kämpfen müssen.“

Steht dieser Satz zwar am Ende eines militärischen Konflikts Asiens, aber am Beginn einer neuen Isolation der USA?

Richard Nixons Worte an die eigene, in Falken und Tauben gespaltene Nation waren ein hoffnungsvolles Offert an die roten Vietnamesen in Paris und Hanoi, nun rasch am Verhandlungstisch und in den „Teepau-sen“ (wo die bisher wertvollsten Gespräche geführt wurden) zu einem „ehrenvollen“ Schluß zu kommen. Der von Kennedy begonnene Viet-namkohflikt und der von Johnson zum offenen Krieg ohne Kriegserklärung eskalierte Dschungelkampf wird ohne Frage unter dem nun zum Sperling gemauserten Nixon irgendwann zu Ende gehen. War es ein Krieg, in den die Partner schlitterten, so wird es möglicherweise in Friede werden; in den die Beteiligten gleichfalls hineinschlittern werden. Aber Nixon und seine Administration sind fest entschlossen, nun den Konflikt wieder aus der Ebene des internationalen „Kriegs“-Konflikts auf die Ebene des Bürgerkrieges zwischen den roten und den nichtroten Vietnamesen herunterzuziehen. Aber das Asiatische am Konflikt wird bleiben, ja sogar ganz Indochina ergreifen, wo ja auch nur lose und höchst jammervolle Grundlagen eines dauerhaften Friedens bestehen.

So bleibt, entkleidet man die Achtpunkteerklärung Nixons ihres Ziel-charakters an die Delegationen von Paris, die um eine Lösung streiten, so bleibt 11er Satz des Eingangs stehen: nicht ein anderes „Vietnam irgendwo in der Welt“. Hat Amerika genug von seinen Allianzen? Ist die Stunde gekommen, wo das Sternenbanner auf den nordamerikanischen Kontinent heimgeholt wird? Oder ist diese Erklärung Nixons nur eine rhetorische Geste an die Psyche des Amerikaners, der Dollar und Soldaten zu Hause haben will, wenngleich er die fatalen Zusammenhänge von Geld und Krieg nicht leugnen kann?

Die USA hatten sich nach 1945 in mehreren militärischen Allianzen gebunden, deren Zweck es ist, eine Bedrohung durch vornehmlich kommunistische Staaten zu begegnen. Darüber hinaus hat Washington einige zweiseitige Verträge unterschrieben, die es juristisch ebenso binden wie die verbal abgegebenen Hilfeerklärungen in anderen Fällen. Und schließlich hat sich Amerika einige Male auch spontan, ohne ernstzunehmende völkerrechtliche Grundlage in innere Angelegenheiten eines oder mehrerer Staaten eingemischt — vor allem dann, wenn es sich um „lebenswichtige Interessen“ der USA handelte; also etwa in Kuba, wo vor der Haustür der USA eine Volksdemokratie entstand. Amerikas Dollairengagement ist darüber hinaus noch weit massiver und komplexer. Kapital der USA steckt in unzähligen Ländern der Erde. Und nicht wenige von diesen Ländern siind präsumptive Vietnams. Die USA also zurückzuziehen und sie aus den Konflikten der Weltpolitik herauszuhalten, hieße, einen Sher-man-Panzer durch ein ■ Nadelöhr zu pressen.

Was also bleibt, ist die jetzige Zusicherung Nixons, vorsichtiger und umsichtiger in der Wahl der Freunde zu sein, vorsichtiger und umsichtiger im Einsatz militärischer Gewalt, vorsichtiger und umsichtiger in der Beurteilung künftiger Entwicklungen in verschiedenen Teilen der Welt. Die USA können sich auch nach dem bitteren Erlebnis des nunmehr sechsjährigen Konfliktes in den Dschungeln und Reisfeldern Vietnams nicht zur Isolation flüchten. Sie haben ja in Zukunft überdies den Vorteil, nicht im System von Stützpunkten Sicherheiten zu brauchen. Im Ausbau des Systems der Interkontinentalraketen und

U-Boot-Flotten braucht Washington keinen Landzipfel mehr, um die kommunistischen Gegner zu bedrohen und die eigene Sicherheit durch Abschreckung zu sichern. Nach dem Falken Johnson braucht die Welt alles andere als einen Sperling im Weißen Haus, Trotzdem ist Nixons Aehtptmkteyor-schlag in gewissem Sinne bemerkenswert! er ist der erat Schritt zum Abbau der Illusionen von amerikanischer Seite. Denn der Krieg ist mit nichtatomarem Einsatz in den Dschungeln Vietnams durch ein bereits demoralisiertes Amerika nicht mehr zu gewinnen. Nun müßte der Abbau der Illusionen auch von den anderen Partnern erfolgen: Südivietnam müßte erkennen, daß eine starke, ja vielleicht sogar mehrheitliche Opposition im Lande das Regime in Saigon ablehnt, das sich seit Dlem über Ky und Thieu nicht aus dem Sumpf der Intrige und der Korruption erheben konnte. Hanoi muß erkennen, daß der „Volksbefreiungskrieg“ seine Grenzen kennt — und daß nur ein Disengagement des Vietkong und der Nordvietnamiesen die Manövrierfähigkeit auf dem indochinesischen Parkett — und im Konflikt zwischen Moskau und Peking — erhöhlt. China muß sich von der Illusion freimachen, sieh sofort und nach maoi-stischem Muster ohne sonderliche eigene Anstrengung zur natürlichen Führung Asiens hochzusehwingen. Wenn selbst das kleine Reich des Ho Tsöhi-minh nicht vorbehaltlos Chinas Führung anerkennt, wie dann die großen Partner Chinas im asiatischen Raum? Moskau schließlich kann seine Illusionen begraben, daß man durch die Ermunterung der gelben Roten in Hanoi einerseits China in Schach hält und anderseits das Gespräch mit Washington führen kann. Man wird sich in Moskau entscheiden müssen. Alle Partner aber sollten die Illusion begraben, daß man auf Dauer Propaganda und eigentliche Politik trennen, kann. Die Propaganda hat ihren Sinn verloren, wenn sie die Politik zu ihrem Gefangenen macht.

So mag sich Nixon trösten, daß die TASS aus Propagändagründen seine Vorschläge ablehnt und daß Hanoi den alten offiziellen Standpunkt einnimmt. Der Friede ist nicht länger aufzuhalten.,

Und vorläufig kann sich Richard Nixon auch mit seinem eigenen Propagandaerfolg trö:ten: die USA werden jetzt, nach Apollo 10, taftsächlich als erste am Mond sein.

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