6780663-1969_42_05.jpg
Digital In Arbeit

Fasern zu Unterpreisen

19451960198020002020

„Von den Delegierten wurden leider keine neuen Ideen geboren, um den Methoden des unfairen Wettbewerbes der Ostblockstaaten und Japans begegnen zu können“, mußte Generaldirektor Komm.-Rat Rudolf H. S e i d 1 am 9. Oktober im Anschluß an ein textilwirtschaftliches Kolloquium in Wien zugeben, das von der Internationalen Chemiefaser-Vereinigung (C.I.R.F.S.) organisiert worden war. Themen der Arbeitstagung, an der die Vertreter von zehn Staaten der freien Welt teilnahmen: „Das Problem des unfairen Wettbewerbs und die Maßnahmen, mit denen ihm begegnet werden könnte“ und „Politik und Maßnahmen zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage“.

19451960198020002020

„Von den Delegierten wurden leider keine neuen Ideen geboren, um den Methoden des unfairen Wettbewerbes der Ostblockstaaten und Japans begegnen zu können“, mußte Generaldirektor Komm.-Rat Rudolf H. S e i d 1 am 9. Oktober im Anschluß an ein textilwirtschaftliches Kolloquium in Wien zugeben, das von der Internationalen Chemiefaser-Vereinigung (C.I.R.F.S.) organisiert worden war. Themen der Arbeitstagung, an der die Vertreter von zehn Staaten der freien Welt teilnahmen: „Das Problem des unfairen Wettbewerbs und die Maßnahmen, mit denen ihm begegnet werden könnte“ und „Politik und Maßnahmen zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage“.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Vertreter Belgiens — der Jurist Forier (Universität Brüssel) — und Frankreichs — der Wirtschaftsfachmann Weber (Französische Zentrale für den Außenhandel in Paris) — versuchten zuerst den Begriff „Unfairer Wettbewerb“ zu definieren und verurteilten dann allgemein gewisse Praktiken, welche auf Interventionen der Staatshandelsländer (Ostblock) wie auch Japans zurückzuführen sind und den internationalen Handel stören. Die bisher für richtig gehaltenen Mittel der Bekämpfung sind ungeeignet, stellte Seidl fest. Es wäre deshalb Aufgabe der Regierungen, das Problem einmal grundsätzlich — wahrscheinlich im Rahmen des GATT — zu überprüfen. Auf diese Weise soll einseitigen Reaktionen vorgebeugt und der internationale Handel gefördert werden.

Auch die Diskussion zeigte die Problematik: man könne keine neuen Ideen gebären, um dem Umstand abzuhelfen, daß Ostblock, Japan wie auch Entwicklungsländer auf den Märkten der freien Welt minderwertige Textilien zu Unterpreisen anbieten. Schließlich setzte sich die Ansicht durch, daß diese „Störer“ in Zukunft noch stärker Besitz von westlichen Märkten ergreifen würden. Bessere Ausstattung der heimischen Industrie, Rationalisierung und staatliche Förderung derselben würden Grundlagen sein, damit man den Gegenkampf ansagen könne. Zum Preis-

problem, das durch den Japanboom entstand, wurde die Frankfurter

Firma Hoechst zitiert: „Wir werden zukünftig nicht rpehr Fusionierungen eingehen, um die Produktion auszuweiten, sondern, um sie verbilligen zu können!

Besondere Angst vor Japan auf dem Textilsektor scheinen die Vereinigten Staaten von Amerika zu haben. Sie arbeiten derzeit Bestimmungen aus, damit der amerikanische Markt in Zukunft nicht von billigem japanischem Polyester überschwemmt werden kann. Zahlreiche Delegierte sprachen die Hoffnung aus, daß man bereits in absehbarer Zeit zu einer Ausweitung des bestehenden Baum- woll-Textil-Abkommens finden und dadurch zu einem Schutz der Textilindustrie des Westens kommen würde. Es wurde auch angeführt, cfaß die bilateralen Abkommen zwischen den Staaten der freien Welt und den Staatshandelsstaaten (beschränkte Kontingente) noch lange keine Gewähr dafür bieten würden, daß gewisse Marktüberschwemmungen auf die Dauer hintangehalten werden könnten. Als Gefahrenquellen wurden bestimmte Drittländer und — für die Zukunft — Entwicklungsländer angesehen. (Seidel: „Glauben sie nicht, daß wir ein Textilkartell planen.“)

Was den Ausgleich zwischen potentiellem Angebot und effektiver Nachfrage anbelangt, haben die Besprechungen gezeigt, daß es sich hierbei für die ganze Welt um ein ständiges Problem der Textilwirt schaft handelt. Es wurde anerkannt, daß die Überschußkapazitäten in dieser oder jener Branche um jeden Preis vermieden werden sollen. Sie führen zu gefährlichen Entwicklungen und Wettbewerbsverzerrungen, die in ihrer Auswirkung die Unternehmen hindern, eine dynamische Investitions-, Forschungs- und Marketingpolitik zu führen. Der Gedankenaustausch hat glücklicherweise auch gezeigt, daß die strukturelle Lage sich in den meisten textilen Branchen in Europa verbessert hat — speziell in den letzten Jahren — und daß das Produktionsniveau der besten europäischen Betriebe im großen und ganzen mit jenem der überseeischen Unternehmen vergleichbar ist.

Missis C. Miles vorn königlichen Institut für internationale Angelegenheiten in London machte in einem Referat auf die völlige Strukturveränderung in Europa (vornehmlich in England) aufmerksam und betonte, daß in ihrer Heimat, die vor wenigen Jahren noch über eine gänzlich veraltete Textilindustrie verfügt hatte, dank der Subventionen der Regierung, die für Gebiete ausgeschüttet werden, wo ein Überschuß an Arbeitskräften vorhanden ist, bereits eine rasante Aufwärtsentwicklung zu verzeichnen ist. Sie zeigte die Vorteile, die der USA durch einen 200-Millionen-Men- schen-Markt gegeben sind und nannte diesbezügliche Möglichkeiten der EWG, wie auch die Schwierigkeiten der EFTA auf.

Die drei österreichischen Firmen, die der Internationalen Chemiefaservereinigung angehören (Chemiefaser Lenzing AG., die Erste österreichische Glanzstoff-Fabrik AG. in Sankt Pölten und die Austria-Faserwerke Ges. m. b. H.), haben aber zur Zeit nicht nur Marktprobleme, sie müssen auch den III. Weltkongreß vorbereiten, der im Sommer 1971 mehrere tausend Teilnehmer in München vereinigen wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung