Feindbegünstigung mit Tee und Brot

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Provikar Carl Lampert war der ranghöchste Geistliche aus dem österreichischen Klerus, der im Dritten Reich zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.

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Provikar Carl Lampert war der ranghöchste Geistliche aus dem österreichischen Klerus, der im Dritten Reich zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.

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Carl Lampert, Provikar der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch, war der ranghöchste Geistliche aus dem österreichischen Klerus, der in der NS-Zeit Haft, KZ und Kerker erlitten hat. "Mein Leben für Christus und die Heimatkirche", schrieb er in einem seiner letzten Briefe. Gauleiter Franz Hofer (1902 bis 1975) von Tirol/Vorarlberg, der den Bischof von Innsbruck/Feldkirch, Paulus Rusch, völlig ignorierte, haßte dessen Provikar und trägt die Hauptverantwortung für Lamperts Hinrichtung. Oft genug hat er bei verschiedenen Gelegenheiten betont: "Dieser Kopf muß fallen, der kommt mir nicht mehr los!"

Im Jahre 1940 ließ Gauleiter Hofer Lampert dreimal in das Gestapogefängnis in Innsbruck einliefern, schließlich in das Konzentrationslager Dachau einweisen (25. August 1940). Wenige Tage später kam Lampert in das KZ Sachsenhausen bei Berlin. Am 15. Dezember 1940 folgte der Rücktransport nach Dachau. Nach seiner Entlassung aus Dachau erhielt Lampert von Gauleiter Hofer "Gauverweis": er wurde nach Mecklenburg-Pommern verbannt, nach Stettin in das Carolusstift (10. August 1941).

In Stettin konnte sich Lampert seelsorglich betätigen. Ein abgefeimter Spitzel, gutbezahlter Denunziant, mit Namen "Ing. Hagen" - der Deckname für Franz Pissaritsch -, von der Gestapo bestellt, suchte näheren Kontakt mit Provikar Lampert und dem katholischen Klerus von Stettin. Alle Begegnungen und Gespräche brachte er zu Protokoll, so abgefaßt, daß seine Darlegungen die Priester schwer belasteten.

Am 4. Februar 1943 schlug die Gestapo zu, verhaftete in einer abendlichen Blitzaktion sämtliche Geistliche der Stadt und in der Diaspora bis hin zur Nordsee. Alle wurden vom 4. Februar bis zum 5. Dezember 1943 im gefürchteten Gestapogefängnis in Stettin festgehalten - eine schwere Leidenszeit für die Priester. In stundenlangen Verhören, unter grausamen Mißhandlungen, Drohungen und Foltermethoden, wurden sie mürbe gemacht, zu Geständnissen gezwungen und so auf die Gerichtsprozesse eingestimmt. Provikar Lampert wurde mehrmals brutal mit Ochsenziemern und Peitschen zusammengeschlagen. Seine Schmerzensschreie konnten im ganzen Hause gehört werden.

Sonderbehandlung Nach diesen monatelangen Torturen brachte die Gestapo die Priester nach Halle/Saale in das große NS-Gefängnis, genannt "Roter Ochse". In verschiedenen Prozessen wurden die einzelnen Priester verurteilt. Drei von ihnen erhielten allerdings eine "Sonderbehandlung": Provikar Carl Lampert, Pater Friedrich Lorenz und Kaplan Herbert Simoleit. Ihr Prozeßverfahren lief unter der Bezeichnung "Lampert und andere". Das Verfahren war auf den 19. und 20. Dezember 1943 anberaumt.

Julius Lampert, der Bruder des Provikars (Landwirt und Eisenbahner in Göfis/Vorarlberg), erhielt über die Staatspolizei die Aufforderung, unverzüglich nach Halle/Saale zu kommen - als Zeuge in der Strafsache seines geistlichen Bruders. Hauptbelastungszeuge war "Ing. Hagen" mit seinem wohlpräparierten Lügenprotokoll. Ihm wurde das Zeugnis ausgestellt, der "einzige verläßliche und treue Zeuge" zu sein. Weitere bestellte Zeugen waren Kriminalkommissar Karl Trettin und ein Kripo-Beamter namens Mölders. Julius Lampert durfte seinen Bruder verteidigen. Seine Ausführungen wurden aber belächelt, und er mußte den Gerichtssaal verlassen.

Bei den Verhandlungen ging es sehr turbulent zu. Die mit donnernder Stimme vorgetragene Anklage des Staatsanwalts dauerte eine Dreiviertelstunde, sie war voller beleidigender Worte, die Priester und die katholische Kirche wurden beschimpft und herabgewürdigt. Drei Vergehen wurden Lampert angelastet: Zersetzung der Wehrkraft, Feindbegünstigung und Abhören von Feindsendern.

Am 20. Dezember 1943 um 12 Uhr 25 erschien der Gerichtshof zur Urteilsverkündigung. Provikar Dr. Lampert wurde aus den oben genannten Gründen zum Tode verurteilt. Ein Teil der Ankläger stemmte sich gegen das Urteil und wollte noch unbedingt "Spionageversuch" in das Urteil miteinbringen. Als Folge der Unstimmigkeiten und des heftigen Streites wurde das Urteil eingefroren und mußte nach den Worten von Verteidiger Kurt Valentin "streng geheim" gehalten werden. Mit dieser Mitteilung fuhr Julius Lampert nach Hause. Es waren sehr traurige Weihnachten.

Die drei Priester (Lampert, Lorenz und Simoleit) wurden sofort in Ketten gelegt und in Dunkelzellen gebracht, Lampert in die Zelle Nummer 87. Am 14. Jänner 1944 folgte die Überstellung in das Reichskriegsgefängnis Torgau, Fort Zinna. Julius, der Bruder des Provikars, erzählte, man habe ihm gesagt, daß sein Bruder Carl nach der Urteilsverkündigung zu den Richtern sagte: "Der Herrgott möge euch alles Unrecht verzeihen!"

Der Streit und die Spaltung unter den Richtern und Anklägern war der Grund, warum nun die weitere Prozeßführung dem Reichskriegsgericht übertragen wurde. Admiral Bastian, Präsident des Reichskriegsgerichtes, wollte den Fall "Lampert und andere" endlich los werden. Die Anklageschrift wurde als "Geheime Kommandosache" (St. Pl. RKA-I 351/43) deklariert. Der Prozeß wurde auf breiter Ebene neu aufgerollt. Die Hauptverhandlung begann am 24. Juli 1944 in Torgau.

Das Ziel: Beseitigung Bei der Errichtung des Reichskriegsgerichtes wurde Werner Lueben Reichsanwalt. Anders als viele andere ging er unbeeinflußt den Weg des Rechtes - und wurde damit sogar Senatspräsident. Dieser Richter hatte die Aufgabe, die "Aburteilung der katholischen Geistlichen Lampert, Lorenz und Simoleit" endlich zum Ziele zu führen. Die Ermittlungen waren unter Einsatz von Spitzeln und Provokateuren von der Gestapo mit dem aus den Akten klar ersichtlichen Ziel geführt worden, die unbequemen Geistlichen zu beseitigen. Auffallend war das große Interesse der Gestapo an diesem zweiten Prozeß gegen Lampert.

Geladen als Zeuge war auch Anton Corneth aus Innsbruck, der Rechtsberater der damaligen Apostolischen Administratur Innsbruck/Feldkirch. Corneth bezeugt, daß es bei der Verhandlung zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen Gericht und Gestapo kam. Senatspräsident Lueben versuchte mit aller Energie, den Sachverhalt zu klären. Mit Überzeugung sagte er vor dem Plenum: "Es handelt sich in diesem Fall weder um Verbrecher noch um asoziale Elemente. Ihre einzige Tragik ist es, daß sie katholische Priester sind!"

Als dann am 28. Juli 1944 um 11 Uhr das Richterkollegium zusammentrat zur Verkündigung des Todesurteils für die drei Priester Lampert, Lorenz und Simoleit, fehlte Generalstabsrichter und Senatspräsident Werner Lueben. Er hatte sich in der Nacht erschossen, um das Todesurteil, das "von oben her" befohlen war, nicht zu unterschreiben und sein Gewissen nicht mit einem mehrfachen Mord zu belasten. Das Urteil wurde gefällt, vom Reichskriegsgericht aber abgewiesen.

Die Begründung des Todesurteils fußte auf den Beschuldigungen: Vergehen gegen das Rundfunkgesetz; Wehrkraftzersetzung; Feindbegünstigung; bei Lampert zusätzlich noch Spionageversuch. Wieder wurden die Todeskandidaten in Fesseln gelegt und in die Kerkerzellen gebracht.

Lügenprotokolle Der Fall "Lampert und andere" wurde für das Richterkollegium in Torgau zu einem beschämenden Verfahren. Noch einmal wurde der Prozeß aufgerollt, und nun sollte alles zu einem raschen Ende kommen. Am 8. September 1944 wurde im Schnellverfahren das Urteil vom 28. Juli bekräftigt und zum dritten Mal das Todesurteil ausgesprochen. Die Begründung: Hochverrat, Feindbegünstigung, Wehrkraftzersetzung und Spionageversuch. Die Vollstreckung erfolgte in Halle an der Saale, am 13. November 1944 durch das Fallbeil. Die drei enthaupteten Priester wurden eingeäschert und ihre Urnen auf dem Gertraudenfriedhof in Halle begraben.

Zur Begründung der Todesurteile: "Hochverrat", eine Beschuldigung, die gänzlich auf den falschen Aussagen des Gestapospitzels "Ing. Hagen" fußte. Die "Wehrkraftzersetzung" bestand darin, daß in der Wohnung Lamperts eine Prophezeiung gefunden wurde, die ungünstige Aussagen über den Nationalsozialismus enthielt. "Feindbegünstigung": Lampert hatte nach einer Messe in Zinnowitz an holländische und polnische Zivilarbeiter, die am Gottesdienst teilgenommen haben und die Kommunion empfangen hatten, eine Tasse Tee oder Kaffee mit Brot verabreicht. "Spionageversuch" geht auf Gespräche Lamperts mit "Ing. Hagen" zurück, der lügenhaft protokollierte, Lampert habe über die Geheimwaffe der Firma Gollnov Pläne und andere streng geheime Informationen an das Ausland verraten.

Welche Scheingründe auch immer für die Todesstrafe vorgetäuscht wurden, der wahre Grund war Provikar Lamperts aufrechte Haltung gegen den Nationalsozialismus und seine beharrliche Treue zur katholischen Kirche und zu seinem Bischof. Es stand von allem Anfang an der Beschluß Gauleiter Hofers fest, den ihm unbequemen Provikar aus dem Weg zu räumen. Dabei hatte der Nationalsozialist Hofer in Wirklichkeit Bischof Paulus Rusch im Visier - ein Ziel, das "ich leider nicht fassen kann", wie der Gauleiter bedauerte.

Abschließend ein Wort aus einem von Provikar Lamperts Briefen aus bitterer Leidenszeit: "Liebe was leidest du im Haß dieser Zeit; Haß dieser Zeit, wie quälst du die Liebe der Ewigkeit."

Der Autor ist Kapuzinerpater in Dornbirn und Postulator für den Seligsprechungs-prozeß von Carl Lampert.

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