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Ferien zwischen Enns und Leitha

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Wenn man den Fremdenverkehr in Niederösterreich von heute betrachtet und. in seinen Grundlagen und Erscheinungsformen analysiert, zieht man oft zum Vergleich Zahlen aus früheren Jahren, vor allem aus dem letzten Normaljahr vor dem zweiten Weltkrieg, heran. Im Jahre 1937 betrugen die Gesamtnächtigungs- zahlen in Niederösterreich nach einer Statistik der Gastgewerbeinnung aus dem Jahre 1946 5,727.500; darunter waren 484.700 Ausländernächtigungen zu verzeichnen. Diese Zahlen wurden in insgesamt 652 Fremdenorten des Landes gezählt. Insgesamt standen damals 43.433 Fremdenbetten in Hotels, Gasthöfen, Pensionen, Sanatorien, Schutzhütten usw. und 48.198 Fremdenbetten in Privatzimmern zur Verfügung.

Zu dieser Zeit war Niederösterreich zur Einreise über alle Grenzen offen, und es ist eine bekannte Tatsache, daß das Bundesland Niederösterreich insbesondere von dem Publikum aus dem Osten und Südosten gerne besucht wurde. Keinerlei Behinderung störte die Einreise der Gäste nach Österreich. Der Kurort Baden stand mit 909.800 Fremdennächtigungen an erster Stelle unter den Kurorten ganz Österreichs. Auch der Semmering konnte damals rund 260.000 Nächtigungen verzeichnen.

Wie ist die Situation nun heute? Der zweite Weltkrieg brachte in Niederösterreich auch auf dem Gebiete des Fremdenverkehrs einen fast vollkommenen wirtschaftlichen Zusammenbruch. Die erlittenen Schäden auf diesem Gebiet übertrafen alle Befürchtungen. Die Verhältnisse der Nachkriegszeit und besonders die Besetzung des Landes schienen einem Wiederaufbau des Fremdenverkehrs als beinahe unüberwindliche Hindernisse entgegenzustehen, wobei die Reisebeschränkungen als große Erschwerungen in Erscheinung traten. Dazu kam noch eine andere schwerwiegende Veränderung, daß nämlich Niederösterreich nunmehr aus einem Teil der Nachbarstaaten keinen Fremdenzustrom mehr erwarten konnte.

Während in anderen Bundesländern, die nicht so schwer unter den Kriegs- und Nachkriegs ereignissen gelitten hatten, sich bald wieder die Fremdenverkehrswirtschaft zu erholen begann, blieb Niederösterreich lange im Rückstand. Doch konnten im Jahre 1948 bereits wieder 1,804.000 Fremdennächtigungen gezählt werden, von denen allerdings nur 25.250 Ausländernächtigungen waren. Wenn auch die Zunahme der Fremdennächtigungen in den folgenden Jahren sich nicht in einer steilen Aufwärtskurve vollzog, so konnte doch in ständigem Ansteigen im Jahre aie aite Grenzstadt, hat die Folgen der Kriegs- und Besatzungszeit wohl schwer, aber nun endgültig überwunden. In diesen Tagen wurde die letzte Bombenruine beseitigt, und es wird an ihrer Stelle ein großer Wohnblock entstehen. Während der vergangenen zehn Jahre wurden sehenswerte Aufbauarbeiten ge- X leistet. Gegen Westen ist ein heuer Stadtteil erbaut worden mit 220 Siedlungshäusern und zahlreichen großen Wohngebäuden. Viele Kilometer Wasserleitungen, Kanäle, Straßen und Gehwege wurden neu errichtet.

Rathaus, alle Gemeindegebäud Schulen und Kindergärten wui den instandgesetzt und modei nisiert. ln den Hauptstraße sind zahlreiche Geschäftsläde,. neuzeitlich umgestaltet worden, und auch die Straßenbeleuchtung wurde den städtischen Erfordernissen angepaßt. Vor Weihnachten i960 wurde die Stadthalle eröffnet, die das Kulturzentrum der Stadtgemeinde bildet. Die vorläufige Krönung fand die Aufbauarbeit in der Fertigstellung der neuen Knabenhauptschule, die allen Erfordernissen des modernen Unterrichtes entspricht. Und schon wurde vor einiger Zeit der Grundstein gelegt und der Bau einer weiteren Bildungsanstalt begonnen; des Bundesgymnasiums. So zeigt die Stadt dem Besucher das freundliche Bild eines aufstrebenden Gemeinwesens, aber auch das Ergebnis einer vorbildlichen, sachlichen Zusammenarbeit im Gemeinderat.

1960 in Niederösterreich bereits wieder eine Nächtigungszahl von rund 4,600.000 erreicht werden. Der Anteil der Ausländernächtigungen betrug 396.000. Das geringe Ausmaß dieses Anteiles ist wohl durch die bereits angedeuteten Verhältnisse und in der Verkehrslage Niederösterreichs zu erklären.

Im Inländerfremdenverkehr jedoch führt Niederösterreich mit rund 4,220.000 Nächtigungen mit großem Abstand vor den anderen Bundesländern, und es war auch in den vergangenen Jahren ständig führend. So konnten im Jahre 1948 rund 1,779.000, im Jahre 1955 3,210.000 und im Jahre 1960 4,220.000 Nächtigungen verzeichnet werden. Daß es sich dabei fast zur Gänze um Wiener Gäste handelt, ist im Hinblick auf die geographische Verbundenheit Wiens mit Niederösterreich leicht erklärlich.

Zum Verständnis der gegenwärtigen Lage im niederösterreichischen Fremdenverkehr im Vergleich zur Situation vor dem Krieg wird der Hinweis dienen, daß derzeit nach der Statistik aus dem Jahre 1960 rund 29.000 Betten in Fremdenverkehrsbetrieben und 23.000 Betten in Privatquartieren zur Verfügung stehen. Wie sich aus diesen Zahlen ersehen läßt, ist der Vorkriegsstand an Fremdenbetten sowohl in den Fremdenverkehrsbetrieben wie auch in den Privatquartieren noch lange nicht erreicht, obwohl seitens der Betriebsinhaber und seitens der mit dem Fremdenverkehr befaßten Stellen (Land und Kammer) alle Anstrengungen gemacht wurden, die Schäden aufzuholen und beim Wieder-

aufbau und Ausbau der Fremdenverkehrsbetriebe mitzuhelfen. Allein im Zuge der Fremdenverkehrskreditaktion des Landes Niederösterreich wurden bisher 170,000.000 S für niedrig verzinsliche Kredite zur Verfügung gestellt. Eine weitere Aufstockung dieser Aktion um 30,000.000 S ist im Zuge.

Was können wir nun von der künftigen Entwicklung des niederösterreichischen Fremdenverkehrs erwarten? Vorerst darf nochmals darauf hingewiesen werden, daß die Basis eines stabilen Gesamtfremdenverkehrs der Inländerfremdenverkehr bildet. Er ist krisenfest und weist in der Hauptsache ein Stammpublikum auf. Auch beim Ausländerfremdenverkehr, welcher vom Jahre 1948 bis zum Jahre 1960 eine Steigerung um mehr als das Fünfzehnfache gezeigt hat, muß größtes Augenmerk darauf gerichtet werden, ihn mit allen Kräften zu fördern und die Zahl der Ausländernächtigungen zu erhöhen.

Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß auch die anderen Fremdenverkehrsländer sich um den Gast in zunehmendem Maße bemühen und daß auf Grund des ständig steigenden Lebensstandards die Ansprüche an erhöhte Bequemlichkeit immer mehr steigen. Das Reisen ist keine Zwangsangelegenheit, und der Gast will bei seinen Reisen, in seinem Urlaub, bei seiner Erholung gegenüber seinen häuslichen Verhältnissen den gewohnten Komfort nicht vermissen. Er will schnell und bequem reisen und an sein Urlaubsziel gelangen. Er will aber auch für sein Geld entsprechende Gegenleistungen haben.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird es notwendig sein, dem Ausbau der Verkehrsmittel und hier insbesondere mit Rücksicht auf den zunehmenden Autotourismus, dem Straßenwesen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Auch bei den Bahnverbindungen muß auf günstige Erreichbarkeit der Urlaubsorte Gewicht gelegt werden. Aber auch der weitere Ausbau der Betriebe muß unter Aufwendung aller verfügbaren Mittel vorangetrieben werden, um dem Gast die gewünschte Lebenshaltung zu ermöglichen. Der weitere Ausbau der Kurorte und Heilbäder erscheint schon im Hinblick auf den Stand in den anderen Ländern dringend erforderlich.

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