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Flammenzeichen in Spanien

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Es ging ein Erschrecken durch die freie Welt, als die Erhebungen in Korea und in der Türkei uns mit dort lang geübten Methoden des Terrors bekanntmachten. Es sollte ein Erschrecken durch Europa gehen angesichts des nunmehr ins Licht der Öffentlichkeit tretenden Terrors in Spanien. Die Ereignisse im Baskenland und in Katalonien appellieren an unser Gewissen. Es ist gerade die Aufgabe einer katholischen Presse, die Tatsachen nicht zu verschweigen. Nehmen wir uns also in Österreich ein Beispiel an den „Informations catholiques internationales“ in Paris und der schweizerischen katholischen Presse, die in langen Leitartikeln, so etwa in den „Neuen Zürcher Nachrichten“ vom 12. Juli, unter dem Titel „Auch katholische Katalanen stehen auf — Ereignisse in Barcelona bestätigen die Anklagen baskischer Priester“, die harte Wahrheit mitteilen.

Bereits 1954 protestierte Pater Iribaren als Direktor der Zeitschrift „Ecclesia“, des Blattes der katholischen Aktion Spaniens, gegen die diktatorische Behinderung -der Meinungsäußerung durch das Regime. Er mußte abgesetzt werden. Irrt Februar 'drere5 Jahres warnten' wieder Tmrrratr wie bereits des öfteren in den letzten Jahren, die Bischöfe Spaniens die Behörden, den Abgrund zwischen reich und arm, die völlig unbefriedigende soziale Lage breiter Volksschichten nicht zu übersehen. Am 30. Mai übersandten 339 baskische Priester ein Protestschreiben an ihre vorgesetzte kirchliche Behörde, die Bischöfe von Pamplona, Vitoria, San Sebastian und Bilbao, und übermittelten Kopien allen Bischöfen Spaniens, dem Nuntius in Madrid und dem Staatssekretariat in Rom. In der Zwischenzeit haben sich führende katholische Politiker diesem einzig dastehenden Notschrei angeschlossen. Wir zitieren aus ihm einige markante Stellen:

„Wir glauben aufrichtig, daß. weder der Einzelmensch noch die verschiedenen Klassen noch die Volksgruppen, welche die spanische Gemeinschaft ausmachen, über genügend Freiheit verfügen. Es genügt, die Augen zu öffnen, um sich über diese traurige Realität Rechenschaft abzulegen. Wir sehen, wie laufend Personen wegen ihrer (politischen) Tätigkeit festgenommen werden, weil sie nicht mit dem vom Staate oktroyierten politischen Denken einverstanden sind. Es werden sogar wegen der Äußerung von privaten Meinungen Verhaftungen vorgenommen, nur weil die Meinungen jener der Regierung entgegengesetzt sind. Und da die normalen Ausdrucksmöglichkeiten für die Wahrheit fehlen, verwandelt sich in ein Delikt, was an sich ein normales Bürgerrecht ist. So ist es vorgekommen, daß Personen wegen der Verteilung von Flugblättern verhaftet wurden, in welchen weder etwas Falsches noch etwas Ungerechtfertigtes ausgesprochen wurde, im Gegenteil Dinge ausgesprochen wurden, welche die Regierung die Pflicht gehabt hätte, zu sagen oder wenigstens zuzulassen, daß sie gesagt werden. Im Verlauf der letzten 24 Jahre, welche das Regime nun gedauert hat, wurden solche Personen, sine die' während Monaten und Jahren festgehalten, um nachher, nach dem freien Ermessen eines Zivilgouverneurs, Generaldirektors für Innere Sicherheit oder Ministers, vor ein Sondergericht gestellt zu werden, unter der schwerwiegenden Anklage der militärischen Rebellion, weil sie den Mut hatten, jene, die über sie herrschen, h'cht für unfehlbar und vollkommen zu halten . . .“

Scharf verurteilen diese Priester die von der Polizei angewandten Foltermethoden. „In den Polizeikommissariaten wird die Tortur bei der Untersuchung von Gesetzesübertretungen angewendet. Ein übelwollender Verdacht genügt, damit die Polizei oder die Guardia Civil irgendeinen Bürger in unverantwortlicher Weise schlägt, quält und verwundet, wobei der Betreffende oft nicht des Vergehens schuldig ist, das man ihm zuschreibt.“

Bezüglich der öffentlichen Meinungsbildung erklären die baskischen Pfarrer, daß „die Verantwortlichen die ureigensten Wurzeln derselben ausgerottet haben, und zwar mittels der Zusammenfassung und Intervention aller Ausdrucks-mittel der öffentlichen Meinung und der Repression durch die Militärtribunale, womit jede politische Willenskundgebung unterdrückt wird, die sich nicht an die vorgeschriebene Linie hält“. „Die spanische Presse ist in Verdrehung der durch Gott gewollten Ordnung ein Instrument zur Deformation der öffentlichen Mei-ijSg.Wihi: 19.1 9ib, iobt rbot / :sMA ist* *

Inzwischen haben die Ereignisse in Katalanen einen blutigen Kommentar zu diesem Aufschrei geliefert. Es begann mit der Störung eines Gottesdienstes in Barcelona. Während der Predigt eines Kaplans in katalanischer Sprache erhob sich ein Zuhörer, verlangte den Pfarrer, der nicht anwesend war, und begann dann laut zu schimpfen: „Es ist eine Schweinerei, 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg müsse man noch diese Scheiße von Katalanisch hören.“ Sprach's und hinterließ seine Visitenkarte: Luis de Galinsoga, Direktor der Zeitung „La Vanguardia“, der größten Tageszeitung Spaniens. Galinsoga ist der Verfasser der offiziellen Biographie Francos, und von diesem in Barcelona eingesetzt. — Da sich Galinsoga schriftlich und sehr ausführlich zu seinem Schritt bekannte und sein Brief durch Mitglieder der Katholischen Aktion und Studenten in der Form von Flugblättern verbreitet wurde, kam eine Aktion der Abbestellungen des Blattes zustande. Eines Tages war Galinsoga aus Barcelona verschwunden.

Der zweite Akt des Dramas begann mit dem Besuch des Generalissimus, der Barcelona „befrieden“ wollte. Der ihn begleitende Innenminister Camillo Alonso hatte die Universität während des Besuches von den Studenten räumen lassen, so daß selbst General Franco beim Besuch der pharmazeutischen Abteilung bemerkte: „Die Räume sind ganz interessant, aber wo bleiben die Studenten?“ In der chemischen Fakultät der Katholischen Universität machte der Dekan *den : Staatschef- “darauf aufmerksam,, daß die Fakultät wohl im. Ausland sehr bekannt, nicht aber in;.;Sp$nisn .vom Staat anerkannt ist.. Die katholischen Studenten hier bilden gerade in den religiösen Elementen auch die politisch aktivsten Kräfte. Das zeigte sich bei diesem Staatsbesuch während eines Jubiläumskonzerts zu Ehren des katalanischen Dichters Maragall, bei dem in Anwesenheit einiger Minister, E1 Cant de la Senyera', eine Hymne auf die katalanische Fahne, gesungen wurde; eine verbotene Hymne. 150 Polizisten wollten das Singen verhindern, es entstand ein Handgemenge, 60 junge Leute wurden verhaftet.

Die meisten der Verhafteten wurden nach wenigen Tagen entlassen, mußten aber zuvor brutale Verhörmethoden und schwere Foltern über sich ergehen lassen. Die Polizei entfesselte eine Verhaftungswelle, wohl auf Grund der mit der Folter erpreßten Aussagen, und verhaftete nun unter anderem den aus einer sehr bekannten Familie stammenden Führer der katholischen Aktion der Studenten, Dr. Jorge Pujol Soley, der vor den Augen seiner Mitgefangenen als „abschreckendes Beispiel“ gefoltert wurde. Er war nur noch ein blutendes Bündel Mensch, nachdem sich die Polizei erstmalig mit ihm auseinandergesetzt hatte. Als Folter wurde unter anderem die Traktierung der Fußsohlen mit brennenden Zigaretten usw. angewendet. Denselben Brutalitäten wurde der Rechtsanwalt Cuatrecases unterworfen, ein bekannter katholischer Antikommunist, der bei der Polizei-präfektur vorgesprochen hatte, um sich nach dem Schicksal der Gefangenen zu erkundigen.

Am Abend des 24. Mai versammelten sich vor dem erzbischöflichen Palais mehr als tausend junge. Mitglieder der Katholischen Aktion zum Gebet für die Gefangenen und forderten den Bischof zu einem offiziellen Protest gegen die Folterungen auf. Entlassene Gefolterte wurden dem Bischof vorgeführt und zeigten ihm ihre Wunden und Narben. Am folgenden Tag wiederholte sich das Schauspiel. Der Bischof wurde vor allem gebeten, für die Entlassung Dr. Pujols zu intervenieren. Dann wurde die Pforte des bischöflichen Palais von der Polizei verschlossen und besetzt. Die Bischöfe von V i c und Solsona in Nordspanien protestierten feierlich gegen die Verhaftungen und die Torturen, und der tapfere Abt von Montserrat lehnte es ab, zu einem Essen mit Franco zu kommen, und erklärte ihm in einem Telegramm: „Ihr Aufenthalt in Katalanien hat Unterdrük-kung und Folter im Gefolge gehabt. Wenn ich sage, daß ich dies zutiefst beklage: welch ein trauriger Epilog!“

Weil ein trauriger Epilog: Inzwischen wurde, am 13. Juni, Dr. Pujol von einem politischen Gericht zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Mehrfach wurden in den letzten Jahren gerade Führer der katholischen Elite und Intelligenz dergestalt abgeurteilt. Es liegt eine Nacht über Spanien. Die Urlaubsreisenden aus Mitteleuropa sehen sie nicht, andere unserer Mitbürger wo^en sie nicht sehen. Auf uns, den Katholiken der freien Welt, liegt jedoch die schwere Mitverantwortung für das Leiden des spanischen Volkes unter dem Druck eines Regimes, das - Sich'^v^ braucht hat. Es ist hohe Zeit, daß die öffentliche Meinung des Weltkatholizismus mobilisiert wird: Hier ist eine Krebsgeschwulst im Körper der westlichen Hemisphäre. Oder müssen wir immer warten, daß harte Gegner die Tat an sich reißen? Spaniens Volk will nicht kommunistisch werden, es will aber in Freiheit leben und in Freiheit Gott dienen: hören wir seinen unterdrückten Ruf!

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