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Franz-Toseph-Renaissance

19451960198020002020

Der letzte Monarch. Lebensroman Kaiser Franz Josefs I. Von Hilde Knobloch. Verlag Anton Pustet, Graz-Salzburg. 484 Seiten. — Kaiser Franz Joseph. Schicksal und Tragödien aus der guten alten Zeit. Von Ottokar Janetschek. Amalthea-Verlag, Wien. — Franz Joseph. Von Comte de Saint-Aulaire. Amandus-Verlag, Wien. 392 Seiten. — Briefe Kaiser Franz Josephs an Katharina Schratt. Herausgegeben von Jean de B o u r- going. Ullstein-Verlag, Wien. 504 Seiten.

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Der letzte Monarch. Lebensroman Kaiser Franz Josefs I. Von Hilde Knobloch. Verlag Anton Pustet, Graz-Salzburg. 484 Seiten. — Kaiser Franz Joseph. Schicksal und Tragödien aus der guten alten Zeit. Von Ottokar Janetschek. Amalthea-Verlag, Wien. — Franz Joseph. Von Comte de Saint-Aulaire. Amandus-Verlag, Wien. 392 Seiten. — Briefe Kaiser Franz Josephs an Katharina Schratt. Herausgegeben von Jean de B o u r- going. Ullstein-Verlag, Wien. 504 Seiten.

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Knapp nach dem Ende des ersten Weltkrieges schrieb Oswald Spengler in der kleinen Schrift „Preußentum und Sozialismus“ einen bemerkenswerten Satz: „Dies österreichische Volk“, heißt es darin, „1st habsburgisch, auch wenn niemand mehr vom Hause Habsburg leben sollte; möge sein Verstand es verneinen, sein Instinkt bejaht es.“ Unwillkürlich wird maň an diesen Satz erinnert, wenn man die vielen Bücher überblickt, die im Laufe des Jahres 1949 am österreichischen Buchmarkt erschienen und habsburgische Geschichte zum Inhalt haben. Neben dem Buch von Heinrich von Srbik „Aus Österreichs Vergangenheit“, dem Werk Jean de Bourgoings über Marie Louise von Österreich und dem Maria-Theresien-Roman von Hilde Knobloch sind es allerdings durchwegs Bücher, die sich mittelbar oder unmittelbar mit der Zeit Kaiser Franz Josephs beschäftigen. So die Bücher von Conte Corti über Kaiserin Elisabeth und Maximilian von Mexiko, das Buch von Hirt „Gloria in dolores ebenfalls über Kaiserin Elisabeth und die fast gleichzeitig jetzt vor Weihnachten erschienenen Bücher über Kaiser Franz Joseph selbst. Auch wer dem Satz von Spengler nicht unbedingt zustimmen wird, kann

se merkwürdige Tatsache eine Reihe von psychologischen Gründen geltend machen. Zunächst ist es begreiflich, daß man sich wieder der Vergangenheit Österreichs erinnert, einer Vergangenheit, die sich rückschauend doch nicht als so falsch und schlecht erwiesen hat, wie es oft in vergangenen Jahren behauptet würde, nicht nur von Seiten des Nationalsozialismus, sondern auch von selten aller aus dem „Völkerkerker Befreiten“. Im Gegenteil, heute sind wir weit mehr bereit, jene Union der Donauvölkei nicht als einen Irrtum der Geschichte zu erkennen, sondern eher alle jene Wege, die aus ihr herausfühften. Hat doch die Freiheit, die der Staat Masaryks den Tschechen brachte, sie schließlich in die Unfreiheit geführt, hat das Selbständigkeitsstreben Ungarns dieses Land unselbständig gemacht und endete der Weg der österreichischen Deutschnationalen nicht in einem Reich der Macht und der Herrlichkeit, sondern des Elends und der Vernichtung. So ist es nur zu begreiflich, daß sich Österreich wieder der eigenen Geschichte erinnert. Aber dies ist nicht nur der einzige Grund, daß jetzt so viele Bücher über diese Zeit erscheinen. Die Beschäftigung mit dieser Epoche stellt

zeitig für viele eine Art Flucht aus schwerer Gegenwart in eine glückliche Vergangenheit, aus der Wirklichkeit in ein Land der Traumes, das in irgendeiner Form noch jeder von uns erlebt hat, dar. Symbol für diese Zeit des Glücks ist die Person Kaiser Franz Josephs, weshalb es begreiflich ist, daß sich so viele Publikationen mit der Person dieses Kaisers beschäftigen.

Von den vier Büchern, die jetzt über Franz Joseph erschienen — ein fünftes aus der Feder von Conte Corti soll nächstes Jahr herauskommen —, sind zwei Romane, eines ein Essay und eines eine Briefausgabe. Zunächst die Romane: Historische Romane haben immer etwas Problematisches an sich, besonders dann, wenn es sich wie im Falle Franz Josephs um ein Leben voller Dynamik handelt, dessen einzelne Phasen aber so genau bekannt sind, daß der dichterischen Phantasie kein Spielraum mehr bleibt, sondern alles sich auf die dichterische Darstellung beschränken muß. Unter dieser Belastung leiden sowohl der Roman von Janetschek wie der von Knobloch. Der erstere, sehr leicht geschrieben, mit einer Reihe von historischen Fehlem behaftet (um nur einige zu nennen: der Ausgleich rgit Ungarn war nicht 1869, sondern 1867, Gödöllö wurde erst nach diesem Ausgleich dem Herrscherpaar geschenkt, Andrassy war nicht „Reichsaußenminister", sondern Minister des kaiserlichen

Hauses und des Äußern, Mayerling ist total verzeichnet usw.), beschäftigt sich kaum mit den historischen Ereignissen, sondern ist eher eine chronique scandaleuse dieser Zeit; der zweite Roman, von Knobloch, ist historisch richtig, sauber gearbeitet, doch auch ihm gelingt es nicht, die Dramatik dieses so inhaltsreichen Lebens darzustellen und die Gestalt des Kaisers plastisch herauszuarbeiten. Glücklicher ist hier schon das Buch von Saint-Aulaire, eines Franzosen, der mit viel Esprit versucht, in Form eines Essay die Person des Kaisers darzustellen und dessen Buch, trotz der auch hier verkommenden Fehler, ein weit besseres Bild des Kaisers liefert als die Werke der beiden österreichischen Autoren. Aber auch dieses Buch, und natürlich die beiden ersten, werden weit in den Schatten gestellt durch eine Px'blikation, welche die Persönlichkeit des Kaisers in einmaliger Weise zeichnet, in einer Weise, wie sie jetzt noch nie vorgenommen wurde und wohl auch nicht mehr geschehen wird und kann. Ist dieser Verfasser doch niemand anderer als Franz Joseph selbst. Diese Briefe des Kaisers an Katharina Schratt, die eigentlich nur persönliche Dinge und

s von Politik enthalten, herausgegeben und mit einem nüchternen Kommentar von Jean de Bourgoing versehen, zeigen den Monarchen so, wie er in dem Bewußtsein seiner Zeitgenossen vorhanden war: als der „letzte Monarch der alten Schule", dessen Leben in einer unerhörten Noblesse, Pflichttreue, Güte, Gerechtigkeit und — Einsamkeit ablief. Aber noch ein Geheimnis enthüllen diese Briefe, das Geheimnis, warum dieser Monarch so populär war: er war in seinem Charakter ein vollendeter Österreicher, in jener Form, wie ihn in unnachahmlicher Prägnanz Hugo von Hofmannsthal in dem Stück „Der Schwierige dargestellt hat. Jeder Österreicher mußte sich durch die Gestalt dieses Monarchen angesprochen fühlen, trug dieser doch di? gleichen Züge, nur ins Majestätische emporgehoben.

Ein heiteres Lächeln wird bei vielen Lesern nur das Vorwort dieses Buches hervorrufen, durch welches der Verlag sich gegenüber den Ansichten des Herausgebers abzuschirmen versucht. Scheint doch durch diesen Satz die Richtigkeit des anfangs zitierten Spengler- schen Satzes erwiesen.

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