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Fremdenverkehr im Aufbau

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Im Rahmen der Feiern, die heuer aus Anlaß der 40jährigen Zugehörigkeit des Burgenlandes zu Österreich abgehalten wurden, ist wiederholt aufgezeigt worden, welch große Bemühungen das Burgenland unternommen hat, um den Rückstand, in den das Land durch die vielhundertjährige Fremdherrschaft geraten war, wieder aufzuholen. Daß dies in so verhältnismäßig kurzer Zeit möglich war, zeigt von der aufgeschlossenen Geisteshaltung der Bevölkerung, die namentlich in der Zeit seit 1945 alle ich bietenden Möglichkeiten ergriff, um in allen Belangen den Anschluß an die übrigen Bundesländer zu erreichen.

Vor allem galt es aber, das Hauptproblem des Landes zu lösen, nämlich den vielen tausend Arbeitskräften, die gezwungen sind, zu Beginn des Frühjahres ihre Heimat zu verlassen, sich in der Fremde einen Broterwerb zu suchen und erst Ende des Jahres wieder in den Kreis der Familie zurückkehren zu können, eine Arbeitsstätte im engeren Bereich ihres Wohnsitzes zu schaffen. Abgesehen von den Härten, die den Wanderarbeitern dadurch auferlegt sind, bringt dieses Problem große Nachteile für das Land. Es war daher die wirtschaftliche Erschließung des Landes unbedingt in die Wege zu leiten, wollte man den Menschen dieses Landes das Leben leichter gestalten. Hierbei ist auch im Burgenland dem Fremdenverkehr eine ganz bedeutende Rolle zugefallen.

Als vor 40 Jahren das Burgenland als ein armes Grenzland zu Österreich kam, dachten wenige an die Chancen, die dieses Land der deutsch, ungarisch und kroatisch sprechenden Bevölkerung haben sollte. Damals scheute sich; der Fremde, in das Land zu kommen, weil er vor den furchtbaren Straßen, den schlechten Llnterkunftsverhältnissen und der nahen Grenze zurückschreckte. Obwohl in der Zwischenkriegszeit einige Verbesserungen im Lande festzustellen waren, konnte infolge der allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Lage nicht daran gedacht werden, den großen und entscheidenden Aufbau einzuleiten.

Sogleich nach Beendigung des zweiten Weltkrieges, als das Burgenland wieder als eigenes Bundesland erstand — während der NS-Zeit war es bekanntlich auf die Länder Niederdonau und Steiermark auf geteilt worden —, und noch während die fremden Besatzungssoldaten im Lande waren, begann sich jedoch der Aufbau großen Formates abzuzeichnen. Kluge Burgenländer begannen dort den Aufbau, wo er am notwendigsten war. Mit den Straßen begann es und ergriff alle Einrichtungen des wirtschaft lichen und kulturellen Lebens. Nach dem Abzug der Besatzungsmacht wurden die Möglichkeiten durch das allgemeine Aufblühen der Wirtschaft noch intensiver genutzt. Die Burgenländer nutzten auch die Chance, die ihnen die Natur mit der einmaligen Landschaft um den Neusiedler See, des Neufelder Sees und der Voralpenwelt mit dem Übergang in die ungarische Tiefebene gegeben hat. Dabei wurde der früher nur in kleinstem Rahmen in Erscheinung tretende Fremdenverkehr entwickelt, der bereits die ersten Früchte für das Land zu tragen beginnt.

Der mit vielen Geheimnissen umgebene 350 Quadratkilometer große Neusiedler See, der einzige Steppensee Europas, sowie die einmalige Flora und Fauna des gesamten Gebietes zwangen förmlich dazu, es für den Fremdenverkehr zu erschließen. Auch hier ist man klug und zielbewußt vorgegangen, um nicht die Besonderheiten der modernen Entwicklung zu opfern. Behutsam wurde begonnen, den breiten Schilfgürtel durch Dammstraßen zu überwinden und das offene Seewasser zu erreichen. Dort entstanden nun, jeweils voneinander verschieden, Schwerpunkte des Fremdenverkehrs, die sich eines großen Zuspruchs erfreuen. Vor Mörbisch liegt das Seebad mit Hotel, Restauration und der bekannten Seebühne', vor Rust ein ganz anders gestalteter Badestrand mit Restauration und den vielen privaten Schilf- und Holzhäusern in der Rüster Bucht. Vor Neusiedl haben wir den einladenden Strand und ebenfalls einen Restaurationsbetrieb. Nicht weit davon das Seemuseum,

das die Vogelwelt des Neusiedler Sees klar veranschaulicht. Der Strand von Podersdorf liegt ausgeweitet außerhalb des Schilfgürtels und besitzt neben Hotel und Restauration den größten Campingplatz Österreichs. Weiden am See hat ebenfalls vor einiger Zeit ein Seebad eröffnet, und bald wird auch Illmitz durch eine Straße mit dem offenen Wasser .verbunden sein. Überall am See sind Bootsfahrten kreuz und quer über die schier unendliche Wasserfläche möglich, das Segeln wird eifrigst betrieben, und im Winter tummeln sich die Eisläufer auf dem zugefrorenen See. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit zum Fischen, und vielleicht kommt man dabei mit einem Aal zusammen, der erst vor einigen Jahren versuchsweise zur Intensivierung der Fischzucht ausgesetzt wurde und sich prächtig entwickelte.

Südöstlich vom Neusiedler See liegt im sogenannten Seewinkel der Zicksee, der ebenfalls für den Fremdenverkehr erschlossen wurde, ln diesem Gebiet wird seit vielen Jahren die Pferdezucht betrieben, so daß als besondere Attraktion für den Fremden hier die Möglichkeit besteht, dem Reitsport zu huldigen.

Ganz anders geartet und gestaltet ist der Neufelder See mit seinem herrlichen klaren Was-ser, der mit jedem See Kärntens oder des Salzkammergutes vergleichbar ist. Auch dort hat der moderne Fremdenverkehr Einzug gehalten, und neue Badeanlagen, Strandrestauration, Bootsfahrten und Campingplatz warten auf den Fremden aus nah und fern.

Die Burgen, Zeugen der großen Vergangenheit des Landes, üben eine besondere Anziehung auf den Fremden aus. Sie wurden für Führungen und Begehungen vorbereitet, ja, auch dort warten gemütliche Gaststättenbetriebe und laden zum Ausruhen ein. So ist im Schloß Bernstein ein Hotel für anspruchsvolle Gäste entstanden, aber auch in Burg Forchtenstein mit dem berühmten Arsenal von alten Rüstungen und Waffen und in Burg Schlaining bestehen bereits Fremdenverkehrsbetriebe.

Ganz besondere Aspekte bieten die vielen Mineralwasservorkommen im Burgenland, insbesondere jene im Bereich des Neusiedler Sees, die wohl schon erbohrt sind, jedoch noch der wirtschaftlichen Auswertung harren. Unbeschadet davon wurden aber die Kuranlagen von Bad Tatzmannsdorf, die durch Kriegs- und Besatzungsschäden vollkommen zerstört waren, unter großen finanziellen Opfern des Landes wiederaufgebaut, und es finden viele Menschen Gesundung und Erholung dort. Auch in dem bekannten Kurbad Sauerbrunn wurde die Mine ralwasserquelle neu gefaßt. Dieser wegen seiner schönen Lage so beliebte Kurort hat sich bereits wieder zu einer stark besuchten Sommerfrische entwickelt.

Nicht zuletzt erscheint das Fremdenverkehrsland Burgenland durch seine liebliche Landschaft, seine herrlichen Spaziergänge im Wald lind über Felder, seine ruhigen Dörfer und durch die Gastfreundschaft seiner Menschen ausgezeichnet. Gerade in dieser Zeit der starken nervlichen Beanspruchung sucht der gehetzte Mensch Plätze der Ruhe und Erholung. Sie stehen im Burgenland in reichem Maße zur Verfügung und werden schon mit Rücksicht auf die verhältnismäßig geringe Entfernung zur Bundeshauptstadt gewiß noch eine große Rolle im burgenländischen Fremdenverkehr spielen. Zusammen mit der bereits erwähnten Verwertung der Mineralwasservorkommen ist die Schaffung des „Erholungsdorfes“ eine der wichtigsten Aufgaben für die nahe Zukunft.

So rundet sich das Bild des neuen Burgenlandes zu jener Einheit ab, die als Voraussetzung für die weitere Entwicklung notwendig ist, die sich harmonisch aus Landschaft, Klima und Mensch bildet. Der Fremde wird sich hier bald zu Hause fühlen und dadurch ein immer wiederkehrender Freund des Landes bleiben.

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