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Frenzel und die Folgen

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Als die Umgebung König Wilhelms III. von England einmal den Monarchen warnend darauf hinwies, daß es ja immerhin möglich sei, daß man in England die Republik einführe, meinte dieser gelassen: „Oh, das glaube ich nicht. Dazu seid ihr viel zu große Gauner!“ Der König hielt offenbar Sauberkeit und Fairneß für die Grundlage der Republik. An diesen Ausspruch ist man erinnert, als in diesen Wochen die Affäre Frenzel die Fundamente der westdeutschen Demokratie, das Vertrauen in die Integrität des Parlaments, erschütterte. Alfred Frenzel war bis vor kurzem Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion des Bundestages und des Verteidigungsausschusses. Er spionierte seit 1956 für den tschechischen Geheimdienst, dem er gegen Bezahlung wertvolle Informationen zukommen ließ. Es ist also ein echter Fall von Verrat, der um so schwerer wiegt, als er geeignet zu sein schien, Zweifel in die Vertrauenswürdigkeit des Bundestages zu wecken. Im ersten Schrecken wurden schwerwiegende Rückschlüsse befürchtet. Es stand in Zweifel, ob auch fernerhin der Verteidigungsauschuß mit den ohnehin nicht gerne gegebenen Informationen versorgt werden würde, ja manche glaubten, die Regierung würde sich noch mehr wie bisher ihrer Informationspflicht entziehen. Die Reaktion bei den Regierungsstellen war aber fair. Man war sich klar, daß solche Reaktionen üble Nachwirkungen auf das Ansehen der Demokratie haben könnten und man hütete sich, den Fall Frenzel in diesem Sinne zu verwenden. Vielleicht daß auch der wenige Jahre zurückliegende, ganz ähnlich gelagerte Fall des CDU-Abgeordneten Schmidt-Wittmack Zurückhaltung anriet. Jedenfalls sind die Auswirkungen auf diesem Sektor bisher auf dem Boden der sachlichen Auseinandersetzung geblieben.

GEFÄHRLICHE FLÜSTERPROPAGANDA

Wie nicht anders zu erwarten, begannen allerdings untergeordnete Parteistellen den Schwarzen Peter zu verteilen, und da sich Kollektivbeschuldigungen stets als wirksam erweisen, so ging es nun all denen an den Kragen, die irgend etwas mit Frenzel gemeinsam hatten. Da war zunächst die SPD, der die CDU-Korrespondenz vorwarf, bei ihren Anhängern eine Atmosphäre des Landesverrats zu verbreiten, von der man in naher (Wahl-) Zukunft noch einiges erwarten könne und die den Fall Frenzel als einen unter vielen, noch nicht aufgedeckten erscheinen lasse. Ganz nebenbei bekamen es auch die Emigranten - Frenzel war 1938 vor Hitlers Truppen von Prag nach London geflohen. Sie wurden nun ganz allgemein in den Geruch geringer Vertrauenswürdigkeit gebracht. Dies scheint auch ,in Zukunft ein beliebtes Argument zu werden, denn damit läßt sich ein Großteil der SPD-Prominenz und ganz besonders des Kanzlers künftiger Gegenkandidat Willy Brandt anschwärzen, die zum größten Teil vor Hitler ins Ausland fliehen mußten. Frenzeis Parteigenosse Wenzel Jaksch fiel ein, Frenzel habe sich schon in London recht verdächtig gemacht, weil er in die tschechische Emigrantenarmee eingetreten sei. Das Wort von den verdächtigen Emigranten, die eigentlich ja Hochverrat betrieben hätten, geht um. Ein neues Argument für viele, in den aktiven Gegnern des Nationalsozialismus Verräter zu vermuten. Noch sagt man es nicht laut, aber wie soll es bei diesen Verdächtigungen ausbleiben, das hämische „typisch Bundestag!“.

NICHT LEICHTNEHMEN

Diese Flüsterpropaganda ist in einem Land nicht ungefährlich, in dem man noch vor einer Generation das Parlament so gerne „Quasselbude“ nannte. Sie zeigt, wie wenig mit der Demokratie vertraut auch Kreise in Deutschland sind, die heute „in Demokratie machen“ und deren ganze Jämmerlichkeit nach 1945 so wunderbar mit dem Wort „Mitläufer“ getroffen wurde. Das verbietenden Fall Fren-zel leicht zu nehmen. Gewiß ist es eine alte Erfahrung, daß Verräter da zu finden sind, wo es etwas zu verraten gibt. In Deutschland kann man sich aber damit nicht begnügen. Deshalb war es zu begrüßen, daß die SPD keine Zeit verstreichen ließ, um sich von ihrem Mitglied zu trennen, das sich im übrigen als tüchtiger Arbeiter erwiesen hatte. Der Fall Frenzel ist kein Fall SPD, sondern er ist eine echte Belastungsprobe der Demokratie, die es den Parteien zur Pflicht macht, ihre Kandidaten genau anzusehen. Wer daraus Kapital für seine Partei schlagen will, kann sich rasch einer bösen Situation gegenübersehen. In Deutschland begann schon einmal die Demontage der Demokratie bei den Parteien.

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