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Friede auf Kosten Israels?

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Sie aktivieren die Diplomatie und planen in den Obergeschossen der Staatskanzleien: die Großmächte suchen endlich einen Weg zum Frieden im Nahen Osten. Nachdem man den UNO-Beauf-tragten Jarring sich seit eineinhalb Jahren vergeblich zwischen Kairo, Amman und Tel Aviv abmühen ließ, prüft man in Washington, London, Moskau und Paris nunmehr, welches gemeinsame Interesse die Großen an Ruhe und Sicherheit im Nahen Osten eigentlich jeweils haben.Den ersten Akkord fanden die Großen Vier bereits im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Sie stimmten gemeinsam gegen Israel und verurteilten das Land zwischen Jordan und Mittelmeer wegen der Repressalie gegen den Flughafen von Beirut. Diese Verurteilung gehört zu den seltsamsten Handlungen der nicht an Seltsamkeiten armen UNO.

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Sie aktivieren die Diplomatie und planen in den Obergeschossen der Staatskanzleien: die Großmächte suchen endlich einen Weg zum Frieden im Nahen Osten. Nachdem man den UNO-Beauf-tragten Jarring sich seit eineinhalb Jahren vergeblich zwischen Kairo, Amman und Tel Aviv abmühen ließ, prüft man in Washington, London, Moskau und Paris nunmehr, welches gemeinsame Interesse die Großen an Ruhe und Sicherheit im Nahen Osten eigentlich jeweils haben.Den ersten Akkord fanden die Großen Vier bereits im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Sie stimmten gemeinsam gegen Israel und verurteilten das Land zwischen Jordan und Mittelmeer wegen der Repressalie gegen den Flughafen von Beirut. Diese Verurteilung gehört zu den seltsamsten Handlungen der nicht an Seltsamkeiten armen UNO.

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Die Details der Vorgeschichte erreichen erst jetzt die Öffentlichkeit, nachdem Israel dem Sicherheitsrat Fakten auf den runden Tisch gelegt hat. Und diese Fakten zwingen zur Revision der Einschätzung der ersten Stunde. Der Libanon, die „Schweiz des Nahen Ostens“, beteiligte sich nicht am Sechstagekrieg dm Juni 1967, obwohl die arabische Regierung in Beirut immer wieder ihre Solidarität mit den Arabern ausdrücklich erklärt hatte.

Im Libanon etablierten sich Rekru-tierungs- und Ausbildungslager des arabischen Terrors; besonders die sogenannte „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ unter Ahmed Jebreel agitierte ganz offen von Beirut aus. „Jeder Tourist, jeder Journalist weiß, wo er in Beirut die Terroristenorganisation findet“, stellte Israels Regierungschef im ' Knesset fest

Und am 30. April 1968 nahm der Premier des Libanon an einer Feier teil, bei der 50 Bürger des Libanon der Terrororganisation „El Fatah“ beitraten; die Zeitung „AI Anwar“ stellte fest, daß Premier El Yafl enthusiastisch dabei feststellte, daß er die Grenzposten gegen Israel angewiesen habe, die Bewegungen der Terroristen zu unterstützen. Vom Libanon reisten die Angehörigen der „Volksfront“ nach Athen, wo sie ein Attentat gegen eine El-AI-Maschine durchführten; sie hatten vor, alle Insassen der Maschine, unter ihnen 15 Frauen und drei Kleinkinder, zu töten. Immerhin, es wurde ein Passagier ermordet, eine Stewardeß verletzt. Die (mit nicht altouviel Pressefreiheit ausgestatteten) Zeitungen Libanons machten die beiden libanesischen Attentäter zu Helden: „Gott schütze eure Hände — ihr habt der Welt gezeigt, daß euer Schlachtfeld überall ist, wo es einen Israeli gibt.“ (Die Beiruter Zeitung „AI Massa“.) So ist es einfach unverständlich, daß der Sicherheitsrat der UNO dem Libanon glaubte, die Regierung wisse vom Terror nichts. In der Atmosphäre des Hasses schlug Israel seihst zurück, was die Angst vor totaler Abgeschndttenheit verständlich macht. Und kalkulierte einige Fakten nicht richtig ein:

• Die Repressalie gegen den Beiruter Flughafen war, wenn auch völkerrechtlich durchaus legitim (siehe unseren Kasten auf Seite 11) ein politischer Akt mit Fernwirkung auf die gesamte Weltöffentlichkeit, die darin die Sicherheit des Luftverkehrs bedroht sah (mehr noch als durch den Anschlag zweier einzelner gegen eine Maschine in einem Drittland);

• die Weltöffentlichkeit war zuwenig informiert über die Rolle, die der Libanon in den letzten Monaten spielte. Die 22 Zwischenfälle an dieser Grenze gingen in der allgemeinen Unruhe am Jordan und Suezkanal unter;

• der Westbürger im Fauteuil vor dem Fernsehapparat war einfach übersättigt durch die Greuel im Nahen Osten — und mutete zwar den „primitiven“ Arabern grausame Attentate zu, nicht aber den „zivilisierten“ Israelis harte Repressalien. So qualifizierte der Westen den Uberfall auf den Beiruter Flugplatz auch nicht als Akt der Notwehr, sondern der Eskalation.

Israels Problem ist also nach Beirut nicht einfacher, sondern schwieriger geworden.

Wie soll das kleine Land ohne wirksame Freunde die haßtriefenden Araber behandeln? Ist das biblische „Aug um Aug“ die wirksame Methode gegen einen Feind, den man auf den Kopf schlagen muß, um ihn zur Räson zu bringen? Wie aber der Welt begreifbar machen, daß es heute wie eh und je seit 1948 um Sein oder Nichtsein des Staates geht? Und daß die Araber einfach einen Krieg weiterführen, der für die Welt im Juni 1967 beendet schien?

Die Nahostfrage ist nur dann zu lösen, wenn man im Westen klar das Ziel erkennt: Schutz des von der UNO geschaffenen Israel gegen offene und versteckte Kriegs- und Terroraktivität seiner Nachbarn. Jedes Arrangement auf Kosten des schwer um seine Existenz ringenden Landes, das wiederholt seinen Mut und seine Fähigkeit auf hartem und steinigem Boden bewiesen hat, wendet sich nämlich gegen sich selbst. Die Araber haben freilich in dieser Phase nichts zu verlieren: sie sind in allen militärischen Konflikten unterlegen, und ihr jetziger Allge-meimzustand kann sich kaum noch verschlimmern. Israel hingegen muß angesichts einer ablehnenden Weltmeinung jede Repression vermeiden und kann direkte Verhandlungen mit den Arabern nicht erzwingen. Und jeder von den Großmächten diktierte „Friede“ ohne Garantien, daß auch die Araber unter „Friede“ das gleiche verstehen wie die Welt, ist nutz- und sinnlos. Die westliche Euphorie ist vorbei — und die Nüchternheit macht den Davidstern einsam.

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