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Friede für die Welt

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Vom 3. bis 6. August fand in Königsstein im Taunus der 17. Kongreß „KIRCHE IN NOT“ statt, der diesmal dem Thema „Der Friede und die Kirche in Not“ gewidmet war. Die Königssteiner Kongresse dienten ursprünglich in erster Linie der Sorge für die große Zahl der Heirnatvertriebenen. Eines ihrer bedeutendsten Ergebnisse war zum Beispiel die Ostpriesterhilfe. Nun ist zwar auch heute in Deutschland noch jeder vierte ein Vertriebener, und auch der diesjährige Kongreß war überwiegend von Emigranten aus östlichen Staaten besucht. Nichtsdestoweniger hat sich in den letzten Jahren der Horizont der Kongresse stark geweitet. Heute sind sie zu einer Ebene für eine einstweilen noch innerkirchliche Auseinandersetzung zwischen Religion und Kommunismus geworden.

Klärung der „Friedensdoktrin“

Der diesjährige Kongreß hat dies klar bestätigt. Sein Anliegen war die Klärung der christlichen sowie der kommunistischen Friedensdoktrin. Der Veranstalter, Weihbischof Dr. A. Kindermann, begründete die Wahl des Themas damit, daß heute der Kommunismus der östlichen Welt den Frieden propagiere und innerhalb seiner spezifisch kommunistischen Friedensarbeit auch den christlichen Kirchen einen Platz zuweise. Daraus ergebe sich für die auch heute noch unterdrückte „Kirche in Not“ — aktuelle Tagungsberichte ergaben ein anschauliches Bild etwa der Unterdrückung der Kirche in Rußland — die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dieser Friedensdoktrin der Kommunisten und die Frage, inwieweit sie sich vom Kommunismus gleichsam in Dienst nehmen lassen kann, ohne ihrer eigenen Friedensaufgabe untreu zu werden.

Damit war der Ablauf der Referate bereits vorgezeichnet. In einem einführenden Vortrag sprach Professor K. Hahn, aus Rom über die „Friedensbestrebungen in aller Welt“ und verwies insbesondere auf die heute gegebenen großen Chancen für den Frieden: Die technische und soziale Entwicklung führe unvermeidbar zu einer stabilen Einheit aller Menschen und Völker, die sich auch institutionell bereits in der weltumfassenden Organisation der UNO und ihrer Nebenorganisationen zu repräsentieren beginne. Diesen Möglichkeiten stehen aber auch reichlich Gefahren gegenüber, vor allem die Gefahr der fundamentalsten Zweiteilung der Welt, die es im Laufe der Menschheitsgeschichte je gegeben hat. Der Dialog müsse aber, so meinte Prof. Hahn, imstande sein, diese beiden Welten einander näherzubringen und zu einem dauerhaften Frieden zu führen, der nicht bloß das Gleichgewicht des atomaren Schreckens ist.

In diesem Ringen um den Weltfrieden hatte die Kirche zugegebe-nerweise nicht schon immer ein zeitlos gültiges Rezept zur Hand, stellte Prof. F. Scholz aus Fulda in seinem

Referat „Die Kirche im Ringen um den Weibfrieden“ an Hand der Stellungnahme des deutschen Episkopats zum Nationalsozialismus fest.: Es habe, von unserer Warte aus gesehen, in der Kirche ein Zuspät des Erkennens Und Handelns im Ringen um' den Frieden und in der Abwehr totalitärer Vernichtungskriege gegeben. Dieses Ringen, das auch ein gutes Stück objektiven (und deshalb nicht von vornherein auch schon subjektiven) Versagens der Kirche verständlich macht, sei aber, so meinte Prof. Scholz, im Zweiten Vatikanum zu einem befreienden Abschluß gekommen: In ihm strahle die urchristliche Botschaft des Friedens neu auf, und es verde in voller Schärfe gesagt, daß ler Krieg verhindert werden könne md daß die menschlichen Probleme, iie es immer geben werde, mit nenschlichen Methoden gelöst wer-ien müßten.

Jynamische Gerechtigkeit

Auf die moraltheologischen Vspekte der kirchlichen Kriegs- und

Friedenglehre ging Prof. J. Hirsch mann aus Frankfurt in seinem Bei' trag „Gangbare Wege zu Frieden' ein. Sein Grundprinzip war dii dynamische Gerechtigkeit, welch sich von der Theorie der normativ« Kraft der Tatsachen dadurch unter scheidet, daß neben allgemeingül tigen menschlichen Gesetzlichkeitei auch historisch gewachsene Wirk lichkeiten bei der Bestimmung de: zwischenvölkischen Gerechtigkei berücksichtigt werden müßten. Jedi andere Schau und Beurteilung de: Lage sei ungeschichtlich und dami unwirklich und übersehe, daß jedi geschichtliche Situation einmalig is und daher, nicht bloß von all gemeinen Normen bewältigt werder kann. Diese dynamische Gerechtig keit sei aber die unumgänglich Grundlage des Weltfriedens. Aller dings hänge ihre Verwirklichunj heute vom Vorhandensein eine: weltumfassenden Autorität ab. Er neut stand damit die UNO mit al ihren Schwächen und auch ihrei institutionellen Chancen im Blick punkt des Kongresses, und es wurdi unüberhörbar das Postulat eine positiveren und sachlicheren Ver hältnisses zur Weltorganisation gefordert.

Über die Forderung der dynamischen Gerechtigkeit hinaus müsse aber heute auch die Forderung der Brüderlichkeit erhoben werden. Die Völker, welche ideologisch verschiedene Standpunkte einnehmen, müßten einander ein gutes Maß brüderlichen Vertrauens entgegenbringen, notfalls demonstriert in bedingungslosen politischen Vorleistungen, und auf diesem Vertrauen könnte dann ein ehrliches Gespräch und nicht zuletzt eine wirksame Zusammenarbeit beim Aufbau einer friedlichen Welt begonnen werden. Professor Hirschmann verwieg anschließend darauf, daß natürlich nach dem christlichen Verständnis der Friede unter den Menschen als Zeichen des Friedens Gottes mit den Menschen ein Werk der Gnade und damit ein Gegenstand der christlichen Hoffnung sei.

Friede in marxistischer Sicht

Die interkonfessionellen Gebetsabende des Kongresses fügten sich reibungslos in diese Thematik ein. Bei einem Wortgottesdienst kam unter anderem auch das mit dem Weltfrieden eng zusammenhängende Problem des zwischenkirchlichen Friedens zur Sprache, zusammenhängend deshalb, weil die eine Kirche nach der Aussage des Vatika-nums auch das Abbild und Zeichen der einen Menschheit ist. Proto-Archimandrit Prof. A. Welykyj aus Rom legte in seiner Ansprache dar, daß von Seiten der katholischen Kirche heute ein konfessioneller Waffenstillstand herrsche und klare Friedensbedingungen abgegrenzt worden seien, die gegenüber früheren Angeboten im Prinzip stark verändert und damit für andere Kirchen akzeptabel geworden seien: Die Kirche wolle nämlich heute nicht mehr Vereinigung, sondern Einheit, also nicht mehr unio, sondern communio, nicht mehr Gleichschaltung, sondern berechtigtes Miteinander der vielen Galben des Geistes.

Der zweite Tag des Kongresses galt den kommunistischen Friedensbemühungen, welche mit der christlichen Auffassung konfrontiert werden sollten. Prof. I. Fetscher aus Frankfurt legte in einem prägnanten Referat die Entwicklung der marxistischen Friedensdoktrin dar, von Marx und Engels bis zu den gegenwärtigen Auffassungen Es ist hier bewußt von Auffassungen die Rede, denn Prof. Fetscher unterschied zwischen einer europäisch-jugoslawischen, einer russischen und einer chinesischen Friedenskonizeption. Die beiden ersten haben sich darauf geeinigt, daß der Friede das oberste Ziel auch der kommunistischeri Weltpolitik sei und dieses politische Ziel dem marxistischen Ziel der proletarischen Weltrevolution übergeordnet werden müsse. Dazu habe vor allem die vernünftige Einschätzung der atomaren Vernichtung geführt. Anders denke das chinesische Lager. Hier stehe nach wie vor die proletarische Weltrevolution an der Spitze der politischen Ziele, und es sei für die chinesischen Machthaber und Ideologen eine durchaus reale Möglichkeit, daß selbst auf den Ruinen eines atomaren Vernichtungsweltkrieges die zukünftige klassenlose Gesellschaft des Friedens aufgebaut werden könne.

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