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Fu-Jen in Peking

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Peking, Mitte Dezember 1947

Als eine der merkwürdigsten Erscheinungen inmitten der ungeheueren. Verwüstungen, von denen während des letzten Jahrzehnts die alte Welt betroffen wurde, mag es wohl angesehen werden, daß ein hochragendes Kulturwerk katholischer Herkunft, die Fu-Jen-Universität in Peking, den chinesisch-japanischen und später den zweiten Welt- und Groß-Ostasien-Krieg glücklich überstanden hat und in diesen Jahren sogar einen bedeutenden Aufschwung nehmen konnte. Diese katholische Hochschule vermochte sogar jahrelang als die einzige Universität in Nordchina zu bestehen. Alle staatlichen Hochschulen' in Peking waren nach dem Einmarsch der japanischen Truppen nach Süden in das vom Feinde unbesetzt gebliebene China abgewandert. Allein Fu-Jen, die katholische Universität, räumte ihren Standort nicht und setzte ihren Unterricht fort. Es gelang dem Rektor Doktor Rudolf R a h m a n n S. V. D. — er trägt den Doktorhut der Wiener Universität — der die Hochschule in den Jahren 1936 bis 1946 leitete, die Universität sicher durch die Wirren des zweiten Weltkrieges zu führen, obwohl eine nicht geringe Anzahl von chinesischen Professoren, von den Japanern verhaftet und gefangen, dem Unterrichtsbetrieb entrissen wurde. Die 1925 gegründete Hochschule, deren Führung zuerst der Benediktinerorden übernommen hatte und 1933 durch Rom an die Gesellschaft des Göttlichen Wortes übertragen worden war, zählt im gegenwärtigen Studienjahr 2383 Studenten.

Es war ein ständiges Vorwärtsschreiten gewesen. Die Zahl der Studierenden, die im Studienjahr 1936/37 noch 810 betragen hatte, überschritt fünf Jahre später schon die Zweitausendgrenze. Mit dem Ausbau des Studienbetriebes ging eine großzügige Bautenerweiterung Hand in Hand, die selbst noch nach Ausbruch des chinesisch- japanischen Krieges durch die Erwerbung des Palastes des Prinzen Kung fortgeführt werden konnte und die Möglichkeit gab, das Frauenstudium an der Universität zuzulassen. Es ist sicher beachtlich, daß zwei Fünftel der Hörer weibliche Studierende sind. Am stärksten, von 1366 Studenten besucht, ist die Fakultät für Kunst und Literatur, die als Fächer außer dem Chinesischen und den Fremdsprachen Englisch, Französisch, Deutsch und Japanisch und deren Literatur, ferner Geschichte, Soziologie und Volkswirtschaft umfaßt. 483 Hörer zählt die Fakultät für Naturwissenschaften, die in Mathematik und Physik, Chemie und Biologie auffächert, und 534 die für Erziehungswissenschaft, die wiederum Pädagogik, Philosophie und Psychologie, heimatliche Volkswirtschaft und Kollegien für schöne Künste umfaßt. Die Abteilung für Volkswirtschaft wird von 441 Studenten, die soziologische von 322 besucht und die für westliche Sprachen und Literatur von 251. Nur wenig mehr als ein Siebentel der gesamten Studentenschaft — 370 — sind Katholiken. Und auch diese sind zur allergrößten Mehrheit Chinesen. So sind zum Beispiel von den 90 jungen Priestern, die sich unter diesen Studierenden befinden, 89 Chinesen und nur ein Fremder. Von den elf Ordensfrauen, die das pädagogische Seminar besuchen, sind zehn Chinesinnen.

Den betont bodenständigen Charakter der Hochschule unterstreicht auch die Z u- sammensetzung des Professorenkollegiums, das zehn Nationalitäten, aber doch in der Mehrheit Chinesen zählt. Diesem akademischen Stab gehören 48 ordentliche und 18 außerordentliche (associate) Professoren und, etwa in der Stellung europäischer Dozenten, 69 „Lecturer" und 29 „Tutoren“ sowie 59 Assistenten an. Präsident der Hochschule ist nach chinesischem Gesetz ein Chinese, doch die praktische Leitung fällt dem Rektor zu. Seit Sommer 1946 löste den Professor Rahmann in der Führung dieses Amtes Dr. Harald W. Rigney S. V. D. ab. Es wird in der Geschichte der Universität unvergessen bleiben, mit welcher Energie und welchem diplomatischen Geschick und Takt Dr. Rudolf Rahmann, der sozusagen ein Stück österreichisches Wesen mit nach

China gebracht hat, die Universität während der japanischen Besetzung durch alle Fährlichkeiten gesteuert hat. Mehr als eine Beziehung verknüpft die Universität mit Österreich; so ist auch ihrem gewesenen Kanzler P. Grendel auf diesem Ehrenposten im November 1947 der nunmehrige Generalsuperior des Ordens und frühere Ordensprovinzial von St. Gabriel bei Wien Dr. A. Große-Kappenberg gefolgt.

Eine der bemerkenswertesten Einrichtungen der Universität ist ihr mikrobiologisches Laboratorium, das weit über die Grenzen Chinas hinaus sich hohen Ruf erworben hat. Diese wissenschaftliche Werkstätte dient in erster Linie der Erforschung des Flecktyphus; es stellt die Antivaccine zur Bekämpfung der Seuche her, die in früheren Jahren in Nordchina, der Mandschurei und Mongolei und der Provinz Kan-Su große Verheerungen angerichtet hat. Die Sterblichkeit unter den Erkrankten war ungeheuer. Von 130 infizierten Missionären erlagen 8 8 dieser Krankheit; besonders die Altersjahrgänge zwischen 26 und 33 Jahren erwiesen sich als die gefährdetsten. Seit das Serum aus dem Universitätslaboratorium in alle Provinzen Chinas hinausgeht, ist die Seuchengefahr rapid gesunken. Die Krankheitserscheinung selbst ist milder geworden und hat zum Beispiel unter den Missionären keine Todesopfer mehr gefordert.

Die Bibliothek von Fu-Jen hat bereits einen Stand von 96.394 chinesischen und 34.069 europäischen Bänden erreicht. In naher Verbindung mit der Hodjschule steht das Collegium Sinicum Ecclesiasticum, ein Institut für die höhere Ausbildung chinesischer Priester, das, vom Rektor Friedrich Fuchs S. V. D. geleitet, unter dem Pa tronat des Internuntius von China steht und gegenwärtig 91 Priesterstudenten zählt, die aus 18 Provinzen Chinas stammen und zu 41 Diözesen gehören. Im letzten November wurden an der Hochschule besondere Kurse für chinesische Priesterflüchtlinge eingerichtet, die ihre Stationen unter dem Druck der kommunistischen Bewegung hatten verlassen müssen.

Man mag fragen, welche Bedeutung eine katholische Universität haben kann, cie zum allergrößten Teile von Nichtkatholiken besucht wird, und nicht nur einen kostspieligen technischen Apparat, sondern auch hervorragende Kräfte außerhalb der Missionsarbeit für den Verwaltungs- und Wissenschaftsbetrieb der Universität in Anspruch nimmt. Welchen Erfolg kann man sich, vom Standpunkte der Mission aus gesehen, von einer Hochschule versprechen, der es nach den Landesgesetzen nicht einmal erlaubt ist. Religion und theologische Wissenschaft als Hauptfach zu lehren? Zunächst ist es Aufgabe der Universität, chinesischen Konvertiten der katholischen Kirche das Hochschulstudium zu ermöglichen und sie durch eine ausgezeichnete Erziehung zu befähigen, in dem geistigen Leben ihres Volkes als Christen eine beispielgebende Rolle zu übernehmen. Es ist aber auch die besondere Sendung dieser mit heroischem Mute unternommenen und unablässig liebevoll gepflegten Gründung inmitten der nichtchristlichen Welt ein Spiegel katholischer Geistigkeit zu sein, aus dem die christliche Wahrheit, das Wesen der Kirche und ihr heilsames Wirken für die Menschheit herausleuchtet. Hier treffen sich zwei Welten und ihre Begegnung ist nicht umsonst. Das Ansehen, das sich diese Arbeitsstätte katholischen Geistes weithin im chinesischen Volke, namentlich in seinen gebildeten Klassen, erworben hat, gibt davon Zeugnis. Die durch Fu-Jen vermittelte Fühlung mit chinesischer Wissenschaft und vornehmen Vertretern chinesischer Literatur, Kunst und Wissenschaft hat sich als außerordentlich fruchtbar erwiesen. Freilich, die Arbeit, die hier geleistet wird, ist nicht auf Termine abgestellt, sie ist die bescheidene, demütige, geduldige Apostelarbeit, die alle menschlichen Kräfte für die Erreichung des Zieles hergibt und es der Gnade überläßt, den ausgestreuten Samen Frucht bringen zu lassen.

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