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Fünf jahresplan für Erfinder

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Die Wirtschaftsminister der Tschechoslowakei — und deren gibt es nicht weniger als sieben, nämlich einen für Industrie, für Ernährung, Landwirtschaft, Außenhandel, Innenhandel und für Finan-N zen sowie einen Leiter des Staatlichen Planungsamtes im Ministerrang — sehen sich vor Aufgaben gestellt, deren Bewältigung trotz der denkbar günstigen Ausgangslage ein Wagnis ist. Die Überleitung fast der ganzen Wirtschaft auf den Staat, die Festlegung eines Plans für den gesamten Wirtschaftsablauf, der Verlust von vier Millionen Menschen, die bisher die Träger eines Großteils der industriellen und gewerblichen Produktion waren, die Verlagerung der Industrie aus dem Grenzgebiet des Staates in das Landesinnere und in die Slowakei und nicht zuletzt die völlige Umstellung der gesamten Aus- und Einfuhr — das waren die wichtigsten Probleme, deren Lösung sich die tschechischen Wirtschaftsführer zur Aufgabe gemacht haben.

Hier soll nun, nach dem Muster der Sowjetunion, die Forschung helfend eingreifen und neue Wege zeigen.

Der Berichterstatter über den Haushaltsplan des Unterrichtsministeriums führte in der Parlamentsdebatte unter anderem aus: „Wir müssen auch die Forschungsarbeit organisieren, die Vorliebe für individuelle Forschung überwinden, wissenschaftliche Institute ausstatten, die Akademie der Wissenschaften reorganisieren und die allzu große Zahl von Vereinen liquidieren.“ Und Minister N e-j e d 1 y führte in einem Vortrag vor Hochschulprofessoren und Wissenschaftlern die Moskauer Akademie der Wissenschaften mit ihren 8000 Forschern als Beispiel für die Umgestaltung der Prager Forschungsinstitute und Hochschulen an, damit auch diese dem Staat einen Kader neuer, fortschrittlicher und marxistischer wissenschaftlicher Arbeiter heranbilde. „Auch für uns gilt“, so führte Landwirtschaftsminister Duris 'aus, „der Grundsatz der Einheit von Theorie und Praxis, der Grundsatz der Teilnahme des Millionenheeres der Bauern, Hirten und Traktorenführern bei der Erforschung der günstigsten Lebensbedingungen, die beste Applikation der Theorie und Praxis und das Aufsuchen neuer, in der Praxis erprobter und bestätigter Prinzipien,“

Auf dem landwirtschaftlichen Sektor wurden alle Versuchsstationen, Anstalten und Institute der Hoch- und Fachschulen zum Verband der landwirtschaftlichen Forschungsinstitute zusammengeschlossen. Es sind dies unter anderem das Zentralforschungsinstitut für Obst- und Weinbau mit verschiedenen Versuchsstationen, die Forschungsanstalt für Bienenzucht mit Versuchsfeldern und Wiesen in einem Gesamtausmaß von 180 Hektar, die Forschungsanstalt für Hopfen in Saaz, für Kartoffelbau in Böhmisch - Brod usw. Außerhalb des Dachverbandes steht das Staatliche Forstwissenschaftliche Forschungsinstitut.

Freilich handelt es sich hiebei um keine Neuerrichtung, sondern lediglich um die Ausgestaltung und organisatorische Zusammenfassung längst bestehender, meist noch aus der Zeit der alten Doppelmonarchie herrührender Einrichtungen, vielfach sogar nur um ihre Übernahme durch den Staat. So ist auch die im Vorjahre erfolgte Errichtung einer Staatsanstalt für Volksgesundheit im Grunde genommen nichts anderes als eine Umbenennung der beiden in Prag und Preßburg bereits bestehenden Einrichtungen. Daneben hat man noch ein Institut für Arbeitsmedizin errichtet, das sich der Erforschung von Arbeitsplätzen widmen soll, an denen die Gefahr von Blei- und Schwefelkohlenstoffvergiftungen droht.

Besonders großzügig ging man bei der Ausgestaltung des Arbeitsinsti-tuts vor, das 1947 durch Zusammenschluß des Instituts für menschliche Arbeit des Psychotechnischen Instituts in Preßburg sowie des Instituts für Arbeitsnormen und des Sozialökonomischen Instituts beim Zcntralgewerkschaftsrat entstand. Ein Blick auf seine Gliederung in Sektionen, Abteilungen und Referate läßt schon das große und wichtige Aufgabengebiet erkennen:

Die volkswirtschaftliche und sozialpolitische Sektion hat die sozialen Auswirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu untersuchen, die Sektion „Arbeitsnormen“ befaßt sich mit der Klassifikation der Arbeit und arbeitet neue Arbeitsnormen und Lohnsysteme aus, die Sektion „Arbeitserziehung“ befaßt sich vor allem mit den Fachschulen und den sonstigen Fragen der Nachwuchserziehung, die Sektion „Arbeitsbewertung“ soll die Berufswahl durch psychotech-nische Prüfungen, von denen im abgelaufenen Jahr gegen 20.000 vorgenommen worden waren, beeinflussen.

Die Abteilung „Produktionsverbesserung“ der Sektion „Organisation“ nimmt Betriebsprüfungen an Ort und Stelle vor und arbeitet Verbesserungsvorschläge aus, die Abteilung „Arbeitsproduktivität“ untersucht die Möglichkeiten, Arbeits-, Material-, und Energieverluste zu vermeiden, die Technische Beratungsstelle sorgt für die Auswertung der Verbesserungsvorschläge, die sich in einzelnen Betrieben bewährt haben.

Daneben gibt es noch ein Landwirtschaftsreferat, ein Referat für die Sicherheit der Arbeit, das sich' mit der Unfallverhütung befaßt, eine Physiologische Abteilung, die vor allem den Arbeitseinsatz Körperbehinderter untersucht, ferner eine Abteilung für Werbungsforschung.

Dem Arbeitsinstitut ist schließlich das „Wirtschaftliche Dokumentationszentrum“ angeschlossen, dessen Aufgabe die Erfassung der gesamten einschlägigen Buch- und Zeitschriftenliteratur des In-und Auslands und die Herausgabe einer volkswirtschaftlichen Bibliographie ist. Hier werden durchschnittlich im Monat 400 ausländische periodische Publikationen und alle inländischen Zeitungen und Zeitschriften verarbeitet und 2000 Artikel notiert, die Bucheingänge aller inländischen Bibliotheken erfaßt und ausgewertet, Auszüge, kritische Studien und Rezensionen angefertigt, Nachforschungen nach einschlägigem Schrifttum angestellt und Abschriften, Übersetzungen, Photokopien und Mikrofilme beschafft.

Nunmehr hat ein neues Gesetz eine Koordinierung, Rationalisierung und Zentralisierung dieser vielfältigen Planungsarbeiten in die Wege geleitet, und zwar durch Errichtung einer „Zentralstelle für die wissenschaftliche Forschung“ beim Staatlichen Planungsamt. Zu ihren Aufgaben gehört es insbesondere, einen Plan der dringendsten Forschungsarbeiten auszuarbeiten und für ihre Lösung zu sorgen, einen Erfahrungsaustausch zwischen den beteiligten Stellen einzuleiten und die Auswertung der Forschungsergebnisse in der Praxis zu veranlassen. Dem Vorsitzenden steht ein Forschungsrat zur Seite. Die bisherige Zersplitterung soll damit beseitigt werden, die sich insbesondere daraus ergab, daß neben den Forschungsinstituten der Hochschulen, die außer rein wissenschaftlichen ja auch pädagogische Aufgaben zu erfüllen haben, eigene Forschungsinstitute der verschiedenen Ministerien und teilweise sogar der einzelnen Staatsbetriebe bestehen, die voneinander unabhängig arbeiten, so daß häufig teure Geräte und Apparate nicht ausgenützt sind. Sie sollen entweder vereinigt werden oder es werden ihnen neue Aufgaben übertragen.

Durch mangelnde Unterstützung und fehlende Forschungsinstitute können zweifellos vorhandene Erfinder und Forscher an ihrer Tätigkeit stark behindert werden, wie dies die heutige Lage in Osterreich auf vielen Gebieten nur zu deutlich beweist. Umgekehrt ist freilich das Vorhandensein solcher Einrichtungen noch keine Garantie, daß genügend schöpferische Kräfte auf den Plan treten. Erst die Entwicklung der nächsten Jahre und Jahrzehnte wird zeigen, ob die organisatorischen Maßnahmen in der Tschechoslowakei, die an Großzügigkeit gewiß nichts zu wünschen übrig lassen, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen.

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